Doping ist ein Thema, das spätestens seit den anhaltenden Skandalen bei der Tour de France in aller Munde ist. Nach und nach sind immer mehr Fahrer positiv auf verschiedenste Substanzen getestet worden, bis das Ansehen des Radsports mehr als nur angeschlagen war. Was aber, wenn jemand eine Substanz erfindet, die man am Ende eines Rennens gar nicht mehr nachweisen kann? Genau das hat einer der Protagonisten in Frank Lauenroths neuem Roman geschafft …
_Lauf, Brian, lauf_
Fred Longer ist in der Gemeinde der Marathonläufer noch ein unbeschriebenes Blatt. Einen einzigen Marathon ist er bislang gelaufen, und den auch nur mit mäßigem Erfolg. Dennoch reichte seine Zeit, um sich für den bekannten Boston Marathon zu qualifizieren. Und dort will er Geschichte schreiben! Denn was niemand ahnt: Fred heißt eigentlich Brian Harding, und der hat ein Ass im Ärmel, wie es sich wohl die meisten Läufer wünschen würden: Sein Freund Christopher Johnson hat ein einzigartiges Dopingmittel erfunden, das Brian eine schier unglaubliche Ausdauer und Kraft beschert und sich gleichzeitig während des Laufes abbaut. Nur ein enges Zeitfenster haben die beiden, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen und den Marathon zu gewinnen. Denn die Substanz reicht in der Tat nur bis zur Ziellinie, und das auch nur, wenn Brian sich zwischendurch nicht verausgabt – nur leider hat die Droge eine nicht unwesentliche Nebenwirkung: Mit dem Dopingmittel fühlt Brian sich unbesiegbar und prescht schon zu Beginn des Laufes so weit nach vorne, dass Christopher damit rechnen muss, dass Brian wie bei seinem ersten Marathon wieder kurz vor dem Ziel einbrechen wird …
Doch das sind nicht die einzigen Sorgen, die Christopher plagen. Ein anonymer Anrufer hat die NSA darauf aufmerksam gemacht, dass Chris in der Stadt ist, und die hat noch eine Rechnung mit ihm offen. Schließlich sollte er für die NSA besagtes Dopingmittel erfinden, das diese bereits teuer weiterverkauft hatte. Aber dann hat sich Chris nach einem Schicksalsschlag von der NSA abgewendet und die Formel für die Droge mitgenommen. Während Brian als Fred Longer also seine Runden zieht, rückt der Geheimdienst Chris immer näher auf die Pelle.
Lange dauert es nicht, bis Einsatzleiterin Rachel Parker ihren ehemaligen Kollegen eingekreist hat und ihm auflauern kann. Durch Umstände, die an dieser Stelle noch nicht verraten sein sollen, ist Rachel gezwungen, die Formel für das Dopingmittel an der letzten verbliebenen Stelle zu suchen: Sie braucht Fred Longers Blut, und zwar, bevor er die Ziellinie überquert und das Mittel sich vollständig abgebaut hat. Und so beginnt die rasante Jagd auf den Ausnahmeläufer …
_42,195 Kilometer im Ausnahmezustand_
Boston ist in Aufruhr – der alljährliche Marathon steht kurz bevor, und wieder einmal haben sich hochkarätige Läufer qualifiziert. Fred Longer dagegen hatte wohl niemand auf seinem Wettschein stehen, doch gleich zu Beginn schiebt er sich in die Spitzengruppe. In der Live-TV-Übertragung wird er schnell zum Thema der Moderatoren. So richtig rückt er aber erst ins Zentrum des Geschehens, als immer wieder Anschläge auf ihn verübt werden. Der NSA läuft derweil die Zeit davon. Die Angriffe auf Fred werden daher immer ausgefeilter und die Lage für ihn noch aussichtsloser, denn jede Abwehr kostet ihn einen Teil seiner Kraft, sodass er fürchten muss, dass sich die Wunderdroge schon vor der Ziellinie wieder einmal abgebaut haben wird …
Schon von Beginn an schlägt Frank Lauenroth ein beachtliches Tempo an, denn der Leser weiß natürlich, woher Fred seine übermenschliche Kraft bekommt. Während Fred schon auf der Strecke ist und per Funk von Chris unterwiesen wird, kommt auch plötzlich die NSA ins Spiel – Chris‘ ehemaliger Arbeitgeber, mit dem er noch eine Rechnung offen hat. Dies gilt aber umgekehrt erst recht, sodass sich zunächst für Chris die Lage dramatisch zuspitzt und schließlich auch für Fred.
Der Spannungsbogen setzt schon auf den ersten Seiten ein und steigt dann immer mehr an. Während der Leser bereits mit Fred mitfiebert und inständig hofft, dass er sich nicht zu viel zutraut und sich seine Wunderdroge dadurch zu schnell abbaut, schaltet Frank Lauenroth zunächst zu Chris. Dadurch wird die Spannung etwas ausgebremst, doch eröffnet der Autor hier eine zweite Geschichte, die parallel zu Freds Lauf erzählt wird und in der Rachel Parker eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Und schließlich sind es die Wechsel zwischen den beiden Handlungssträngen, die im weiteren Verlauf des Buches für noch mehr Tempo sorgen. An dem Punkt, als die NSA die Jagd auf Fred Longer eröffnet, kann man das Buch schließlich nicht mehr aus der Hand legen, da man einfach wissen muss, ob Fred das Unmögliche schafft – trotz der Angriffe als Erster die Ziellinie zu erreichen.
_Ein unperfekter Held_
Obwohl wir doch von Brian Harding auf den knapp über 200 Seiten des Thrillers nicht allzu viel erfahren, fiebern wir von der ersten Seite an mit ihm mit. Frank Lauenroth erschafft mit Brian den Sympathieträger, der sofort zur Identifikationsfigur wird – denn wer würde nicht gerne selbst einmal einen Marathon überstehen und dann sogar vielleicht gewinnen und das nicht unerhebliche Preisgeld einsacken? So projiziert der Leser seine Wünsche auf Brian, was ihn uns noch näher bringt.
Frank Lauenroths Schreibstil ist schnörkellos und beschränkt sich auf das Wesentliche. Keine überflüssige Information bremst die Spannung aus, nirgends treffen wir unwichtige Personen an, die für die Handlung unwesentlich sind. Auch auf eine wissenschaftliche Diskussion um die Wunderdroge lässt Lauenroth sich nicht ein. Das Dopingmittel setzt er als gegeben voraus, es ist hier nur Mittel zum Zweck und Aufhänger der spannenden Handlung. Mir persönlich hat das sehr gut gefallen, denn sämtliche Spekulationen über die Machbarkeit einer solchen Droge oder ihre Herstellung hätten doch nur in eine Sackgasse laufen können.
Nach seinem Science-Fiction-Roman [„Simon befiehlt“ 2478 stellt Frank Lauenroth nun eindrucksvoll unter Beweis, dass er auch ein Händchen für das Thrillergenre hat. Seine Figuren bleiben uns zwar etwas fremd, was in diesem Kontext aber überhaupt nicht stört. Die Geschichte gefällt ausgesprochen gut und wartet am Ende noch mit einer Überraschung auf und auch mit einem Schluss, der dem Leser ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert. Hier zeigt uns der Autor seinen Sinn für Humor.
„Boston Run“ ist ein rundum gelungener Thriller, der hoffen lässt, dass Frank Lauenroth diesem Genre treu bleibt und uns möglichst bald mit seinem nächsten Werk versorgen wird.
|216 Seiten
ISBN-13: 978-3-8370-5359-3|
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