Lauenroth, Frank – Simon befiehlt

„Simon says“ (zu Deutsch: Simon befiehlt) ist ein beliebtes Spiel, das sicher jeder noch von vergangenen Kindergeburtstagsfeiern kennt. Prinzip des Spiels besteht darin, dass der Spielführer Simon seinen Mitspielern Befehle erteilt, die diese ausführen müssen, sofern der Befehl mit „Simon says“ eingeleitet wird. Befehle ohne diesen Zusatz sind wirkungslos und dürfen nicht befolgt werden. Dieses beliebte Spiel hat sich der deutsche Autor Frank Lauenroth zum Thema seines preisgekrönten Romans „Simon befiehlt“ gemacht, wobei er uns eine deutlich erwachsenere Version des Kinderspiels präsentiert, das eher an den berühmten Film „The Game“ mit Michael Douglas erinnert als an ein harmloses Spiel vom Kindergeburtstag. Doch erst einmal hübsch der Reihe nach …

Zunächst lernen wir den Filmkolumnisten Trevor Man kennen, der sich mit rasendem Herzen und einer Urne mit der Asche seiner Mutter auf das Empire State Building begibt, um von dort oben in einem unbemerkten Moment die Asche verstreuen zu können. Dieser merkwürdige letzte Wunsch seiner Mutter kostet Trevor fast das Leben, da Man unter so genanntem Stressasthma leidet, das bei körperlicher Anstrengung oder Aufregung ausbricht und Trevor eiskalt erwischt, als es plötzlich einen Feueralarm gibt und der Bedienstete des Empire State Buildings mit Trevor den Abstieg aus dem 80. Stockwerk zu Fuß antritt. Trevor wird ohnmächtig und überlebt nur durch den beherzten Einsatz der hübschen Notärztin Fiona, in die Trevor sich auf den ersten Blick verliebt.

Doch der Tod seiner Mutter hält noch weitere Überraschungen für Trevor parat, muss er doch erfahren, dass er nicht nur 42 Millionen Dollar geerbt hat, von deren Existenz er nichts geahnt hatte, sondern auch die Mitgliedschaft im geheimnisvollen Simon-Club. Das Geld ist für Trevor der Weg zu einem sorgenfreien Leben ohne den Inhalator gegen sein Asthma, denn von Fiona erhält er den Tipp, dass es ein geheimes Forschungslabor gibt, in dem mysteriöse Geckos gezüchtet werden. Diese kleinen Tierchen leben schließlich in Symbiose mit den Patienten und verabreichen ihnen durch einen Biss die lebensrettende Medizin gegen den Asthma-Anfall.

So könnte Trevor Man endlich sein Leben genießen, wäre da nicht der Simon-Club. Was es damit auf sich hat, erfährt Trevor früher, als ihm lieb ist, denn verpflichtender Teil des Clubs ist das Spiel „Simon befiehlt“, bei dem die Club-Mitglieder zusammen mit einigen Assistenten einen gefährlichen Auftrag ausführen müssen, der offenkundig einem guten Zweck dient. Als aber nach und nach die Mitspieler ums Leben kommen, erkennt Trevor, dass mehr hinter diesem Spiel steckt …

So weit auf der rein inhaltlichen Ebene, die schon für genug Zündstoff in dem 280-seitigen Thriller sorgt. Doch „Simon befiehlt“ bietet seinen Lesern noch mehr: Schon die Einstiegsszene fesselt den Leser an das Buch; hier erleben wir gleich zu Anfang eine lebensbedrohliche Situation mit unserem Hauptprotagonisten Trevor Man mit, der nur knapp seinen Asthma-Anfall überleben kann. Die Schilderung dieser dramatischen Situation ist dabei auf der einen Seite so nüchtern, auf der anderen so packend, dass es einem beim Lesen eiskalt den Rücken herunterläuft, weil wir Zeuge von Trevors letzten Gedanken werden, bevor er ohnmächtig wird. Hautnah bekommen wir Trevors Gedanken zu lesen, der weiß, dass er den Abstieg vom Empire State Building nicht überleben kann, und obwohl wir Trevor gerade erst kennen gelernt haben, fiebern wir bereits mit ihm mit und wünschen ihm, dass er diese Situation überstehen möge.

Im Grunde genommen sind es altbekannte Elemente, die hier verwendet werden, um Spannung aufzubauen, diesmal allerdings zu einem überzeugenden Ganzen zusammengesetzt sind und „Simon befiehlt“ so lesenswert machen. Lauenroth erzählt nicht nur die Geschichte um Trevors aktuelles Leben, sein Asthma und den Tod seiner Mutter, er entführt uns auch in Trevors Vergangenheit, als dieser durch Zufall die reiche Familie McGuiness kennen lernt, und zum dritten werden wir mitgenommen zu einem mysteriösen Casting, bei dem der hinkende Alfred van Houten fünf Spezialisten für einen nicht näher bekannten Auftrag sucht. Der Leser tappt dabei lange Zeit im Dunkeln und kann die Verbindung zwischen den drei Geschichten nicht erkennen; es bleibt unklar, welche Informationen aus Trevors Vergangenheit wichtig sind für die aktuelle Entwicklung, aber noch undurchsichtiger ist die Verbindung zwischen van Houten und Trevor Man.

Erst spät enthüllt Frank Lauenroth uns die Zusammenhänge, die schließlich zum großen Aha-Erlebnis führen werden. Geschickt macht der Autor mehrere Handlungsebenen auf, die parallel weitererzählt werden, die Geschichte auf verschiedenen Ebenen weiterführen und dem Leser neue Informationen liefern. Viele Details können wir schwer einsortieren, wie beispielsweise Trevors Asthma oder seinen Gecko, doch am Ende erkennen wir, dass jede Information ihre Berechtigung hatte, alles genau durchdacht ist und jede Kleinigkeit Sinn ergibt.

Frank Lauenroths Schreibstil ist dabei schlicht und nüchtern, nie schreibt er um den heißen Brei herum, seine Sätze sind knapp und leicht verständlich. Gleichzeitig schafft der Autor es aber auf hervorragende Weise, uns gefährliche Situationen so ausführlich und packend zu schildern, dass unser Herz schneller schlägt und wir geneigt sind, vor Nervosität an unseren Fingernägeln zu knabbern.

Die Protagonisten aus „Simon befiehlt“ passen sich wunderbar in das Gesamtgefüge ein; allen voran ist hier Trevor Man als tragischer Held zu nennen, der immer wieder durch sein Asthma ausgebremst wird, aber auf der anderen Seite als erfolgreicher Kolumnist und gut aussehender Frauenheld auftritt. Auch Trevors neue Freundin Jazz verbirgt hinter ihrer selbstbewussten Art ihre eigene Verletzlichkeit, außerdem müssen wir erfahren, dass sie von einem Unbekannten erpresst wird. Ganz allmählich lässt Lauenroth uns hinter die Fassaden seiner handelnden Charaktere blicken, sodass wir schließlich erkennen müssen, dass in ihnen mehr steckt, als wir geahnt haben.

„Simon befiehlt“ ist ein gut durchkonstruierter Science-Fiction-Thriller, der von Anfang an ein hohes Tempo anschlägt und seine Leser sogleich fesselt. Geschickt verwebt Frank Lauenroth seine Handlungsstränge miteinander und enthüllt ihre Verbindungen erst recht spät. So bleibt am Ende festzuhalten, dass „Simon befiehlt“ absolut lesenswert ist – eigentlich die ideale Lektüre für einen dunklen Winterabend, doch dieser Thriller unterhält auch an einem sonnigen Frühlingstag nicht minder gut, wenn man sich auf die eingestreuten Science-Fiction-Elemente einlässt und sich von Frank Lauenroth nach New York entführen lässt.

Mehr über Frank Lauenroth unter http://www.franklauenroth.de/

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