Melneczuk, Stefan – Geisterstunden vor Halloween

_Inhalt:_

In Herbst- und Winternächten, so sagt man, wenn der Wind landeinwärts zieht, kann man die Todgeweihten auf dem Hungerberg hören. Fünfzig Männer, vierzig Frauen und fünfzehn Kinder, die keinen Frieden finden. Der Wind trägt ihre Gebete und Lieder hinab in die Stadt. Sie dringen durch Türen und Fenster, wie ein Fluss, der kein Ende nimmt und die Torffeuer von Geisterhand erstickt.
 
Stefan Melneczuk kam am 31. Oktober 1970 zur Welt, ist Redakteur bei einer großen Tageszeitung und schreibt seit mehr als zwanzig Jahren unheimliche Geschichten. Sein erster Roman MARTERPFAHL – SOMMER DER INDIANER sorgte im Herbst 2007 landesweit für Aufsehen und erlebte aus dem Stand heraus mehrere Auflagen. Mit den GEISTERSTUNDEN erscheinen nun einunddreißig seiner dunkelsten Erzählungen vor Halloween.
Gespenster-Geschichten ebenso wie Horror-Storys.

 
_Meinung:_

Längst hat sich Stefan Melneczuk aus dem Schatten des „Insider-Tipps“ bewegt – zu Recht. Wie auch diese abwechslungsreiche, stimmungsvolle Storysammlung beweist.

Der Autor erzählt in seinem Vorwort „Wie alles begann …“ – aus der Zeit, als er seine Kurzgeschichten noch auf seiner alten Schreibmaschine tippte. 31 davon hat er in GEISTERSTUNDEN VOR HALLOWEEN vereint. Sie starten am 1.10. und enden natürlich am 31.10., zu „Halloween” – und wissen vortrefflich zu unterhalten!
 
Hier wenige Worte zu jeder von ihnen, ohne zu viel zu verraten, aber hoffentlich als Appetizer dienen:
 
|Hungry Hill – das Jahr des großen Hungers|, Herbst 1845. Ein Prediger steigt mit einhundertfünf „Schäfchen“ seiner Gemeinde auf einen Berg – auf ein Wunder hoffend.
 
|Schacht der Toten| – so wird Schacht 23 genannt. Steiger Paul geht am 02. Oktober 1928 mit neun Freiwilligen hinunter in den Schacht der Toten, die nach einem Unglück nicht geborgen werden konnten. Steiger Paul und seine Männer müssen dort Schreckliches erleben haben, denn sie kehren völlig ohne Verstand zurück.
 
|Geisternacht| – der kleine Frederic wird von seinem Bruder eingesperrt und dazu verdonnert am 31.10. auf dem dunklen Dachboden eine Mutprobe abzuhalten. Frederic denkt voller Furcht, an die Geistergeschichten seines Bruders – z. B. von den Würgegeistern, die sich Kinder holen.
 
|Loch Ness| – zwei Amerikaner begeben sich auf Tauchgang nach dem Ungeheuer von Loch Ness – mit üblem Ausgang.
 
|Sand| – Fay und ihr Mann Neil landen auf der Suche nach einem Motel in dem Kaff Saltpoint. Bei dem Zusatz „Frieden Eurer Asche“ auf dem Wegweiser in die Stadt stockt ihnen der Atem, denn er wirkt wie mit Blut geschrieben – und er ist nicht der Einzige seiner Art.
 
|Die Kinder von Nonstrom| – Norwegen, Helen fährt mit ihrem Mini-Cooper durch ein Unwetter und kreuzt ihren Weg mit einem Pferdegespann, auf dem eine alte Nonne und zehn Kinder sitzen. Als Helen in dem einzigen Wirtshaus in Nonstrom von ihrer Begegnung berichtet, reagieren die Menschen sehr sonderbar.
 
|Der Kongress| – Die Passagiermaschine Flug Nr. 9031 befindet sich in der Gewalt der „Soldaten des Friedens“ – die es mit besonderen Kongressteilnehmern als Reisende zu tun bekommen. Dem Anführer der Geiselnehmer wird bald klar, dass nicht alles koscher ist und er sich den falschen Flug ausgesucht hat.
 
|Invasion| – William Taylor, genannt Foxey, hat im Wald mit seinen Freunden eine schreckliche Begegnung mit blauhäutigen Wesen aus zigarrenähnlichen Raumschiffen.
 
|Smaragd| – eine E-Mail, eine Website und der Tod, der die ereilt, die die Website besuchen und den „Smaragd“ ansehen. Es entbrennt ein Krieg zwischen Internetbenutzern und Computerhassern – doch einer scheint von alledem gefeit.
 
|Zimmer mit Ausblick| – Prince Edwards Islands. Zwei Ermittler gehen in einem Hotel einem mysteriösen Vorgang auf den Grund, denn in Zimmer 206 soll es spuken. Darin wohnte ein junger Mann, der verschwand, nur sein linker Daumen liegt auf dem Laken des Bettes.
 
|Der lachende Mann| – Daniel Wagner hört von seinem Sohn Jonas von dem „lachenden Mann“ im Kindergarten. Doch dort arbeiten nur Frauen. Von der Kindergärtnerin erfährt Jonas‘ Mutter dann, dass ihr Sohn seit Tagen wie ausgewechselt ist, und er hat dort den „lachenden Mann“ gemalt – ein Bild zum Fürchten. Das Unheil nimmt seinen Lauf.
 
|Wölfe| – Howard Jennings und sein Freund Butch gehen auf Wolfjsagd, geraten an ein besonderes Exemplar – und finden eine junge Frau bewusstlos im Schnee.
 
|Irrtum| – David schreibt Geschichten und hofft dafür einen Lektor zu gewinnen. Um sein Glück zu forcieren, besucht er die alte Amalia und bittet sie um ein Erfolgsritual.
 
|Ich weiß, was kommt| – Beate Heinrich sieht sich mit der Aussage der kleinen Tochter ihrer verunglückten Freunde konfrontiert. Die Kleine behauptet vorhersehen zu können, was in der Zukunft passiert.
 
|Der See| – Dike ermordet seine Frau Carol, nachdem sie ihn mit dem Meister ihres Zirkels betrogen hat, um ewiges Leben zu erhalten. Dike versenkt ihre Leiche in einem See – und erlebt das Grauen.
 
|Ezsras Garten| – Birmingham: Tante Ezsra starb, als Greg 14 Jahre alt war, 1940 in den Kriegswirren, wird Greg mit seinem Bruder zu seinem Onkel Dan geschickt – dort angekommen geschehen im Garten der verstorbenen Tante seltsame Dinge.
 
|Der Turm| – erzählt die Geschichte einer mysteriösen Standuhr.
 
|Wasser| – handelt von einem Mann, der nach 50 Jahren seine Geschichte aufschreibt, die mit einem Anruf mitten in der Nacht beginnt, der sein Leben verändert.
 
|Staub| – Die Raumsonde Stardust landet in Utah – mit an Bord ist Staub eines viereinhalb Milliarden Jahre alten Kometen – damit beginnt das Unheil.
 
|Drachentod| – 1263, Carvan der Ritter entführt den Leser in eine Fantasywelt, denn er will es mit einem Drachen aufnehmen, dem jedes Jahr zwei Mädchen als Opfer dargebracht werden.
 
|Langemark| – das Schlachtfeld von Langemark, das Denkmal für die Gefallenen und die Geister/Seelen der im Oktober 1914 Gefallenen, die keine Ruhe finden, bilden den Plot dieser Story.
 
|Die Treppe| – September 1931, der Autor Arthur Simon hat in seinem Haus eine Treppe, die nichts mag, was lebendig ist.
 
|Ferro| – Der Tod kommt mit der Post, in einem DHL-Paket, das das Vermächtnis des verstorbenen Onkels eines Studenten enthält: 42 alte (Ferro)Tonbandkassetten und einen Recorder. Die Bänder enthalten Aufzeichnungen des Onkels, der Kontakt zu Toten aufgenommen hat.
 
|Augen| – Ein alter Mann, der alles beobachtet, sieht an Halloween Tote, die der Kanalisation entsteigen.
 
|Der Koffer| – Ein Koffer mit brisanten Papieren aus dem Zweiten Weltkrieg und Berichte über Kunstmenschen bestimmen den Plot dieser Erzählung.
 
|Der Tank| –  Carsten Bauer (Kommissar) hat einen besonders abscheulichen Fall aufzuklären – den Mord an zwei Jungen und zwei Mädchen, die in einem Tank unter einem Feld gefunden wurden. Bauer befragt den zehnjährigen Jonathan zu sonderbaren Beobachtungen, die der Junge in dem Zusammenhang gemacht hat.
 
|Hände| – En junges deutsches Paar (Vanessa und Thomas) lässt sich von einer alten Rumänin aus der Hand lesen. Thomas verschweigt seiner Frau, was ihm geweissagt wurde.
 
|Ednäh| – Vanessa kehrt zurück in die Karpaten, während ihr Mann im Krankenhaus liegt, denn sie will die alte Wahrsagerin erneut aufsuchen, um endlich zu erfahren, was diese aus Thomas‘ Hand gelesen hatte – und erfährt Ungeheuerliches.
 
|Vogelscheuchen| – Laura Kavanagh geht auf dem Weg zu ihrer Großmutter an Vogelscheuchen vorbei, die mehr als nur gespenstig sind.
 
|Immer noch| – Anja wird polizeilich zu einer mysteriösen Videoaufzeichnung befragt, auf der ein Mann neben ihr zusehen ist, der eigentlich nicht dort sein dürfte.
 
|Das Mädchen am Steg| – Jan wird an einem Steg von den Erinnerungen an ein verstörendes Erlebnis heimgesucht – mit Frieda, einem mysteriösen Mädchen mit langen schwarzen Haaren, das er auf dem Steg traf.
 
Den 31 Geschichten schließt sich mit „Elaine“ eine zusätzliche Story an, gleichzeitig die längste – und beste (was die anderen nicht schmälern soll), die nicht nur Edgar-Allan-Poe-Liebhabern eine Lesefreude sein wird. In „Elaine“ erhält Agenturchef Henry Franklin sonderbare Briefe eines Taylor Collins, der ihn von Frisco aus zu einem Besuch nach Oklahoma bittet und einen phantastischen Fund gemacht haben will. Das weckt Henrys Neugier, besonders als ihn eine seltsame alte Frau davor warnt und danach bei einem Unfall getötet wird.

Bei Collins angekommen, erfährt Henry, dass es sich bei dem Fund um Tagebücher eines Kolonialwarenhändlers handelt, die u. a. offenbaren, dass dieser mit seinen Eltern in Ägypten weilte und ihn der Totenkult und die Bestattungsriten zu interessieren begannen. Vor allem aber halten sie eine wichtige Begegnung mit Edgar Allan Poe fest, von dem er am 20. Dezember 1848 in Providence ein Manuskript erwarb, mit dem er sich zu Grabe tragen ließ. Henry und Taylor Collins beschließen das Grab zu öffnen, um an das Manuskript zu gelangen – doch Collins hat Henry etwas Wichtiges verschwiegen.
 
Stefan Melneczuk verfügt über einen gefestigten Stil und eine professionelle Sorgfalt. Erzählerische Dichte lassen, ebenso wie die enorma Bandbreite der Plots, diesen Kurzgeschichtenband zu einem literarischen Leckerbissen werden. Der Autor lädt die Leser nicht nur zu Reisen durch Deutschland und die USA ein, sondern auch zum Abtauchen in verschiedene Genres. Im Anschluss der Kurzgeschichten erlaubt uns Stefan Melneczuk in seinem Nachwort noch einen Blick „Jenseits der Schreibmachine“ – seiner Schreibmaschine – und lässt mit einer Danksagung den Band ausklingen. Eine runde Sache, die Lust darauf macht, mehr von dem talentierten „Fabulierer“ zu lesen.
 
Auch die Aufmachung des Bandes weiß voll und ganz zu überzeugen, die Entry-Grafik des kleinen handlichen Hardcovers ist der Halloween-Kürbis, der auch schon das Covermotiv ausmacht. Als Besonderheit ist nicht nur der Schutzumschlag mit dem Covermotiv versehen, sondern entfernt man ihn, befindet sich dahinter, nicht wie oft üblich, ein schlichter einfarbiger Einband, sondern ebenfalls das Covermotiv auf dem Buchdeckel. Das Papier und der Satz sind ebenfalls ohne Fehl und Tadel.

 
_Fazit:_

Stimmungsvoller, abwechslungreicher und kurzweiliger Kurzgeschichtenband eines Autors, der zu erzählen versteht. Dazu in einer ansehnlichen und edlen Aufmachung, die keine Wünsche offen lässt. Absolut empfehlenswert.

|Hardcover: 352 Seiten
Titelillustration/Titelgestaltung von Mark Freier
Innenillustration von Mark Freier
ISBN-13: 978-3898402842|
[www.BLITZ-verlag.de]http://www.BLITZ-verlag.de
[www.freierstein.de]http://www.freierstein.de

_Stefan Melneczuk bei |Buchwurm.info|:_
[„Marterpfahl. Sommer der Indianer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4719
[„Absurd. Unheimliche Geschichten“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4785

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