Julian May – Das vielfarbene Land (Pliozän-Saga 1)

Einfallsreich: Durch das Zeit-Tor zu den Aliens

Die „Pliozän-Saga“, die auf deutsch bei Heyne erschien, ist eine der herausragenden literarischen Leistungen der Science Fantasy während der achtziger Jahre. Der Pliozän-Zyklus ist die vierbändige Saga um das Schicksal einer Handvoll Menschen, die im Jahr 2110 freiwillig ins Zeit-Exil des Pliozäns vor ca. sechs Millionen Jahren gehen, um der Verfolgung von Psi-Begabten zu entgehen. Gegen dort herrschende Aliens müssen sie zahlreiche Kämpfe bestehen, entwickeln aber auch ungeahnte Fähigkeiten.

Eine Zusammenfassung der Ereignisse dieses Bandes folgt am Beginn des 2. Bandes.

Die Autorin

Julian Clare May (geboren am 10. Juli 1931 in Chicago, Illinois; gestorben am 17. Oktober 2017) war eine amerikanische Schriftstellerin. Sie benutzte im Laufe ihrer Karriere eine Reihe von Pseudonymen, am bekanntesten dürfte Ian Thorne sein. Sie war Autorin von mehr als 290 Kinderbüchern sowie von Science Fiction und Fantasy. Sie war mehrfach Co-Autorin von Marion Zimmer Bradley. (Wikipedia.de)

Die 1931 geborene, unter dem Namen „Julian May“ schreibende Mrs. Dikty hat über 290 andere Bücher geschrieben, meist zur Vermittlung von wissenschaftlichen Kenntnissen an junge Leser. Diese Erfahrung hat sich in den Pliozän-Saga-Bänden ausgezahlt, die gespickt sind mit Bildungs-Elementen und Zitaten.

Julian May genießt unter den alteingesessenen Science Fiction-Autorinnen höchstes Ansehen. Sie ist nicht nur eine ausgezeichnete Schriftstellerin, die souverän ihr Handwerk versteht, sondern hat auch eine Menge Ahnung von dem, was sie an wissenschaftlichem Hintergrund in ihre Bücher hineinpackt.

Als der erste Band ihrer Pliozän-Saga für den Hugo Gernsback Award, den wichtigsten US-Preis der Science Fiction-Leser, nominiert wurde, stieg ihre Bekanntheit ganz beträchtlich an. Im angelsächsischen – im Gegensatz zum deutschen – Sprachraum wurde die Pliozän-Saga ein Bestseller, so dass Julian May noch vier weitere Romane um die PSI-Familie Remillard folgen ließ.

Pliozän

Das vielfarbene Land. OT: The Many-Colored Land, Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31250-3.
Der goldene Ring. OT: Golden Torc, Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31251-1.
Kein König von Geburt. OT: Nonborn King, Heyne, München 1987, ISBN 3-453-31255-4.
Der Widersacher. OT: Adversary, Heyne, München 1987, ISBN 3-453-31284-8.

Galactic Milieu

Intervention: A Root Tale to the Galactic Milieu and a Vinculum between it and The Saga of Pliocene Exile. Houghton Mifflin, Boston 1987, ISBN 0-395-43782-2.
Jack the Bodiless. Knopf, New York 1991, ISBN 0-679-40950-5.
Diamond Mask. Knopf, New York 1994, ISBN 0-679-43310-4.
Magnificat. Knopf, New York 1996, ISBN 0-679-44177-8.

Ruwenda

Die Zauberin von Ruwenda. Heyne, München 1994, ISBN 3-453-09221-X (mit Marion Zimmer Bradley und Andre Norton)
Der Fluch der Schwarzen Lilie. Heyne, München 1997, ISBN 3-453-11704-2.
Hüter der Träume ISBN 3-453-12510-X
Das Amulett von Ruwenda. Heyne, München 1998, ISBN 3-453-13138-X (mit Marion Zimmer Bradley)

Die Rampart-Welten

Der Sporn des Perseus. OT: Perseus Spur, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2001, ISBN 3-404-24294-7.
Die Schulter des Orion. OT: Orion Arm, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, ISBN 3-404-24305-6.
Die Nebel des Sagittarius. OT: Sagittarius Whorl, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2003, ISBN 3-404-24314-5.

Boreal Moon

Schwertmond, 2009, ISBN 3-404-20606-1, OT: Conqueror’s Moon, 2003
Dunkelmond, 2009, ISBN 3-404-20606-1, OT: Ironcrown Moon, 2004
Schattenmond, 2009, ISBN 3-404-20606-1, OT: Sorcerer’s Moon, 2006

Vorgeschichte

Der Science Fiction-Roman „Intervention“ berichtet vom Aufstieg der PSI-begabten Familie Remillard im frühen 21. Jahrhundert, also in unserer nahen Zukunft. Sie verursachen die Große Intervention durch die Aliens, eine wohlwollende Aufsicht über unsere am Rande des Abgrunds schlingernde Zivilisation. Die Auferlegung der Aufsicht wird in den Galactic-Milieu-Büchern durch die Remillards herausgefordert, die den Kampf jedoch verlieren und verbannt werden – aus dem 22. Jahrhundert durch ein Zeitportal in das frühgeschichtliche Pliozän vor ca. 30-10 Millionen Jahren…

Handlung

Im Jahr 2034 gelingt dem französischen Gelehrten Théo Guderian eine bahnbrechende Erfindung: Er stellt über einen Abgrund von Zeit hinweg eine Verbindung mit dem Pliozän her, sechs Millionen Jahre in der Vergangenheit. Es gibt keine Saurier mehr, aber immerhin schon kleine menschenähnliche Affen, den Ramapithecus. Doch die Verbindung ist eine Einbahnstraße. Nichts gelangt aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurück.

Trotzdem übt dieses Zeit-Tor auf viele Menschen eine Faszination aus, vor allem auf die Zivilisationsmüden und die Ausgeflippten. Sie gehen hindurch, um in einer unberührten Natur, in einer jungfräulichen Welt neu anzufangen – der Traum von Amerika, der Neuen Welt, scheint zum Greifen nahe.

Keiner von ihnen ahnt, dass um jene Zeit die Erde fest in der Hand von telepathisch begabten Aliens ist, für die dieser Zustrom von Menschen und Material aus der Zukunft eine wahre Labsal bedeutet, um ihre perversen Gelüste zu befriedigen. Die Tanu und Firvulag, wie sie sich nennen, reiben sich die Hände.

Sie versklaven die neuen Menschen ebenso reihenweise wie sie es mit den menschlichen Vorfahren, den Ramapithecinen, gemacht haben. Sie legen ihnen einen psycho-aktiven Halsring, einen Torque, um, der ihren Geist unterwirft. Allerdings gibt es Nebenwirkungen, wie sich zeigt: Bei vielen der Menschen hat der Halsring ungeahnte Psi-Kräfte freigesetzt, mit denen sie sich zu behaupten wissen.

Die Psi-begabten Remillards und ihr Anhang finden schon im ersten Band der Exile-Saga, „The Many-Colored Land„, heraus, dass die Aliens die Erde in eine große Arena verwandelt haben, in der der spielerische Kampf zwischen den Alienrassen der Tanu und der Firvulag stattfindet. Allen voran die Sippe der Remillards, lernen die Menschen, sich gegen die Aliens zur Wehr zu setzen. Zu den wichtigsten Psi-Kräften gehören Telepathie (Gedankenübertragung) und Telekinese (Kraftübertragung per Willenskraft).

Mein Eindruck

Mit ihrem Pliozän-Zyklus setzt Julian May die Tradition der farbigen und spannenden Abenteuergeschichte in der Science Fiction fort. Es ist also kein Wunder, dass ihre Erzählung vom dafür notwendigen Pathos und der Romantik durchdrungen ist, nur hie und da unterbrochen von einem kurzen Kapitel, das sich durch Humor und Komik auszeichnet.

Die Interaktionen der Remillard-Fraktionen mit diesen gottähnlichen aber frivolen Wesen (manche ätherisch, manche hässlich wie Trolle) werden im bekannten Fantasy-Stil wiedergegeben. Diese Wesen sind die Vor-Bilder für die Bevölkerung der menschlichen Phanasie, wie etwa Elfen (Danu) und Trolle (Firvulag), die Wilde Jagd und Superhelden.

Das Verhältnis zwischen den „Göttern“ und den PSI-begabten Menschen schwankt zwischen Götterspielen und den Weiten der Jungschen Archetypen-Psychologie. Doch durchgehend ist das Zusammenspiel von Science Fiction – man verfügt über entsprechende Superwaffen – und Fantasy – Helden, Könige, Feen – von großem Reiz.

Die von May geschilderte Pliozän-Gesellschaft entspricht in ihrem Aufbau der Klassengesellschaft der Viktorianer, nur der Klerus fehlt. Sie ähnelt jener in den Space Operas von E.E. „Doc“ Smith um die Lensmen aus den Dreißiger Jahren. Wie May selbst in einem Interview sagt, das im „Heyne Science Fiction-Jahr 1988“ abgedruckt ist, dienten diese Space Operas ihrer eigenen Saga zum Vorbild, nur dass sie die Science Fiction-Elemente mit solchen aus der Fantasy verbindet. Die Tanu entsprechen im irischen „Buch der Invasionen“ den keltischen Danu (Tuatha de Danaan), die zu Göttern erhoben wurden, die Firvulag entsprechen den hässlichen Firbolg, die von den Danu bekämpft wurden.

Ausstattung und Übersetzung

Die Illustrationen von Giuseppe Mangoni machen die Dimensionen des Aufeinandertreffens der unterschiedlichsten Völker anschaulich deutlich. Die Karten, die Erhard Ringer beigesteuert hat, lassen keine Unklarheiten über die Lokalitäten aufkommen. Am Schluss von Band 1 sind sogar die Noten für ein Tanu-Lied zu finden, das Julian May geschrieben und nach einer „alten keltischen Melodie“ für vier Stimmen komponiert hat.

Die Übertragung ins Deutsche, die Rosemarie Hundertmarck leisten sollte, war sicher keine einfache Aufgabe, denn die Autorin verwendet massenhaft hochtrabend und gelehrt klingende Wörter lateinischen Ursprungs. Deshalb verwundert es nicht, wenn auch die deutsche Version mitunter gestelzt und gewollt klingt, ohne dabei jedoch den Nuancenreichtum des Originals erreichen zu können. Am Aufwand, den der Heyne-Verlag für diesen Zyklus getrieben hat, kann es also nicht gelegen haben, dass es bis heute keine Neuauflage gegeben hat.

Unterm Strich

Wer eine spannende Handlung in einer vielschichtig entworfenen Welt erleben möchte, der ist hier genau richtig. Aber Vorsicht: Die Autorin stellt ihre Ansprüche an den Leser. Der Knackpunkt ist die Vielschichtigkeit. Je gebildeter der Leser, desto tiefer kann er in die Bedeutungsschichten vordringen (von denen es immerhin laut Autorin sechs geben soll) und umso mehr befriedigendes Vergnügen kann er daraus ziehen. Actionhöhepunkte gibt es vor allem in den Folgebänden.

Taschenbuch: 509 Seiten
Originaltitel: The Many-Coloured Land, 1981
Aus dem Englischen von Rosemarie Hundertmarck.
ISBN-13: 9783453312500

www.heyne.de

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