Julian May – Der Widersacher (Pliozän-Saga 4)

Die Schlacht der Könige

Der Pliozän-Zyklus ist die vierbändige Saga um das Schicksal einer Handvoll Menschen, die im Jahr 2110 freiwillig ins Zeit-Exil des Pliozäns vor ca. sechs Millionen Jahren gehen, um der Verfolgung von Psi-Begabten zu entgehen. Gegen vor Ort herrschende Aliens müssen sie zahlreiche Kämpfe bestehen, entwickeln aber auch ungeahnte Fähigkeiten.

Diesem Band ist eine Zusammenfassung der drei ersten Bände der Saga vorangestellt. Man verpasst also kaum etwas, wenn man diese Bände nicht kennen sollte.

Die Autorin

Die Amerikanerin Julian May, geboren 1931, veröffentlichte bereits in den fünfziger Jahren ihre erste Science Fiction-Story, wandte sich aber auch didaktischer Literatur auf vielen Sachgebieten zu, darunter auch Technik. Als jedoch der erste Band ihrer Pliozän-Saga für den Hugo Gernsback Award, den wichtigsten US-Preis der Science Fiction-Leser, nominiert wurde, stieg ihre Bekanntheit ganz beträchtlich an. Im angelsächsischen – im Gegensatz zum deutschen – Sprachraum wurde die Pliozän-Saga ein Bestseller, so dass Julian May noch vier weitere Romane um die PSI-Familie Remillard folgen ließ.

Julian Clare May (geboren am 10. Juli 1931 in Chicago, Illinois; gestorben am 17. Oktober 2017) war eine amerikanische Schriftstellerin. Sie benutzte im Laufe ihrer Karriere eine Reihe von Pseudonymen, am bekanntesten dürfte Ian Thorne sein. Sie war Autorin von mehr als 290 Kinderbüchern sowie von Science Fiction und Fantasy. Sie war mehrfach Co-Autorin von Marion Zimmer Bradley. (Wikipedia.de)

Die 1931 geborene, unter dem Namen „Julian May“ schreibende Mrs. Dikty hat über 290 andere Bücher geschrieben, meist zur Vermittlung von wissenschaftlichen Kenntnissen an junge Leser. Diese Erfahrung hat sich in den Pliozän-Saga-Bänden ausgezahlt, die gespickt sind mit Bildungs-Elementen und Zitaten.

Julian May genießt unter den alteingesessenen Science Fiction-Autorinnen höchstes Ansehen. Sie ist nicht nur eine ausgezeichnete Schriftstellerin, die souverän ihr Handwerk versteht, sondern hat auch eine Menge Ahnung von dem, was sie an wissenschaftlichem Hintergrund in ihre Bücher hineinpackt.

Als der erste Band ihrer Pliozän-Saga für den Hugo Gernsback Award, den wichtigsten US-Preis der Science Fiction-Leser, nominiert wurde, stieg ihre Bekanntheit ganz beträchtlich an. Im angelsächsischen – im Gegensatz zum deutschen – Sprachraum wurde die Pliozän-Saga ein Bestseller, so dass Julian May noch vier weitere Romane um die PSI-Familie Remillard folgen ließ.

Pliozän

Das vielfarbene Land. OT: The Many-Colored Land, Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31250-3.
Der goldene Ring. OT: Golden Torc, Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31251-1.
Kein König von Geburt. OT: Nonborn King, Heyne, München 1987, ISBN 3-453-31255-4.
Der Widersacher. OT: Adversary, Heyne, München 1987, ISBN 3-453-31284-8.

Galactic Milieu

Intervention: A Root Tale to the Galactic Milieu and a Vinculum between it and The Saga of Pliocene Exile. Houghton Mifflin, Boston 1987, ISBN 0-395-43782-2.
Jack the Bodiless. Knopf, New York 1991, ISBN 0-679-40950-5.
Diamond Mask. Knopf, New York 1994, ISBN 0-679-43310-4.
Magnificat. Knopf, New York 1996, ISBN 0-679-44177-8.

Ruwenda

Die Zauberin von Ruwenda. Heyne, München 1994, ISBN 3-453-09221-X (mit Marion Zimmer Bradley und Andre Norton)
Der Fluch der Schwarzen Lilie. Heyne, München 1997, ISBN 3-453-11704-2.
Hüter der Träume ISBN 3-453-12510-X
Das Amulett von Ruwenda. Heyne, München 1998, ISBN 3-453-13138-X (mit Marion Zimmer Bradley)

Die Rampart-Welten

Der Sporn des Perseus. OT: Perseus Spur, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2001, ISBN 3-404-24294-7.
Die Schulter des Orion. OT: Orion Arm, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, ISBN 3-404-24305-6.
Die Nebel des Sagittarius. OT: Sagittarius Whorl, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2003, ISBN 3-404-24314-5.

Boreal Moon

Schwertmond, 2009, ISBN 3-404-20606-1, OT: Conqueror’s Moon, 2003
Dunkelmond, 2009, ISBN 3-404-20606-1, OT: Ironcrown Moon, 2004
Schattenmond, 2009, ISBN 3-404-20606-1, OT: Sorcerer’s Moon, 2006

VORGESCHICHTE

Im Jahr 2034 gelingt dem französischen Gelehrten Theo Guderian eine bahnbrechende Erfindung: Er stellt über einen Abgrund von zeit hinweg eine Verbindung mit dem Pliozän her, sechs Millionen Jahre in der Vergangenheit. Doch die Verbindung ist eine Einbahnstraße. Nichts gelangt aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurück.

Trotzdem übt dieses Zeit-Tor auf viele Menschen eine Faszination aus, vor allem auf die Zivilisationsmüden und die Ausgeflippten. Sie gehen hindurch, um in einer unberührten Natur, in einer jungfräulichen Welt neu anzufangen – der Traum von Amerika, der Neuen Welt, scheint zum Greifen nahe. Schauplatz des geschilderten Geschehens ist allerdings der europäische Mittelmeerraum.

Keiner von ihnen ahnt, dass um jene Zeit die Erde fest in der Hand von telepathisch begabten Aliens ist, für die dieser Zustrom von Menschen und Material aus der Zukunft eine wahre Labsal bedeutet, um ihre perversen Gelüste zu befriedigen. Die Firvulag und tanu, wie sie sich nennen, reiben sich die Hände.

Sie versklaven die neuen Menschen ebenso reihenweise wie sie es mit den menschlichen Vorfahren, den Ramapithecinen, gemacht haben. Sie legen ihnen einen psycho-aktiven Halsring, einen Torque, um, der ihren Geist unterwirft.

Allerdings gibt es Nebenwirkungen, wie sich zeigt: Bei vielen der Menschen hat der Halsring ungeahnte Psi-Kräfte freigesetzt, mit denen sie sich zu behaupten wissen. Allen voran die Sippe der Psi-begabten Remillards, lernen die Menschen, sich gegen die Tanu und Firvulag zur Wehr zu setzen. Zu den wichtigsten Psi-Kräften gehören Telepathie (Gedankenübertragung) und Telekinese (Kraftübertragung per Willenskraft).

Handlung von Band 3

Auf der Theaterbühne des Vielfarbenen Landes treten im Pliozän als Helden, Heldinnen und Narren erstens die mit Psi-Kräften ausgestatteten Menschen gegen die besten Kämpfer der ebenso Psi-fähigen Alienrassen der Tanu und Firvulag an, damit sie nicht versklavt werden. Doch einige der Menschen entwickeln ihres geistigen Waffen derart weit, dass sie unter begünstigten Umständen die Herrschaft im ehemaligen Reich der Tanu antreten.

Nach dem Niederwerfen des Aufstandes der letzten Tanu-Krieger taucht mit Marc Remillard ein weiterer Psi-Mächtiger im Pliozän auf, der König Aiken Drum nervt. Remillard musste als Anführer einer Rebellion im galaktischen Milieu des Jahres 2083 vor den menschlichen Milieu-Behörden fliehen (diese Vorgeschichte lieferte May in einer gesonderten Trilogie nach).

Da Remillard verhindern will, dass sich seine nun selbst rebellisch gewordenen Kinder mit König Aikens Hilfe zurück ins Milieu begeben (offenbar ist aus der Einbahnstraße ein rege benutzter Verkehrsweg geworden), taucht er ebenfalls im Letzten Kampf als „Der Widersacher“ Aikens auf.

Nach einigen Nebenhandlungen finden sich alle Beteiligten zum Großen Finale ein, in dem sich schließlich alle Dinge im mehr oder weniger sportlichen Wettstreit regeln lassen. Die Firvulag stellen sich auch im American Football als nicht ernstzunehmender Gegner heraus.

Remillard wird in seinem Weltschmerz von der Psi-Heilerin Elizabeth Orme getröstet und auf eine andere Welt entführt. Die verbannten Menschen aber können durch das rechtzeitig wiedereröffnete Zeitportal in ihre frühere Zeit, das heißt: ins Galaktische Milieu, zurückkehren. Und so kommt es, dass wir Zuspätgeborenen so wenig Spuren von diesen großen und weltbewegenden Dingen finden können: Die Vergangenheit kehrte in die Zukunft zurück.

Mein Eindruck

Mit ihrem Pliozän-Zyklus setzt Julian May die Tradition der farbigen und spannenden Abenteuergeschichte in der Science Fiction fort. Es ist also kein Wunder, dass ihre Erzählung vom dafür notwendigen Pathos und der Romantik durchdrungen ist, nur hie und da unterbrochen von einem kurzen Kapitel, das sich durch Humor und Komik auszeichnet.

Die von May geschilderte Pliozän-Gesellschaft entspricht in ihrem Aufbau der Klassengesellschaft der Viktorianer, nur der Klerus fehlt. Sie ähnelt jener in den Space Operas von E.E. „Doc“ Smith um die Lensmen aus den Dreißiger Jahren. Wie May selbst in einem Interview sagt, das im „Heyne Science Fiction-Jahr 1988“ abgedruckt ist, dienten diese Space Operas ihrer eigenen Saga zum Vorbild, nur dass sie die Science Fiction-Elemente mit solchen aus der Fantasy verbindet. Die Tanu entsprechen im irischen „Buch der Invasionen“ den keltischen Danu (Tuatha de Danaan), die zu Göttern erhoben wurden, die Firvulag entsprechen den hässlichen Firbolg, die von den Danu bekämpft wurden.

Was der Autorin an farbiger, spannender Schilderung und überzeugender Charakterzeichnung, besonders bei höherstehenden Figuren, gelingt, schädigt sie wieder durch pathetische Sprache und einen mit gesuchten Adjektiven und Fremdwörtern aufgeblähten Erzählstil.

Ziemlich klischeehaft handelnde Charaktere, wie etwa während Nodonns Exil auf Korsika, wo er geistig vergewaltigt wird, aber auch Aktionen wie etwa durch Heldentode und sentimentale Liebesaffären haben mich genervt. Nun gut, dies alles gehört zur „romance“, der abenteuerlichen Geschichte, die im Gegensatz zum „realistischen“ Roman auf Knalleffekte setzt.

Die Pliozän-Saga ist somit ein sehr langer, episch ausgedehnter Science Fantasy Thriller, der versucht, mit viel Blut, Gewalt und Sex (zumindest in der nicht zensierten US-Ausgabe) zu unterhalten. Die nicht zu verleugnenden Zwischentöne aus Menschlichkeit, echt gefühlter Zuneigung und Religiosität – etwa in Gestalt der Nonne Amerie – werden von den lauten Tönen der „heroischen“ Taten allzu oft in den Hintergrund gedrängt.

Recht amerikanisch

Wie man schon an der Darstellung des Großen Finales ablesen konnte, wirkt das alles recht amerikanisch. Andererseits tragen die die nach verschiedenen Archetypen von C.G. Jung und diversen Mythologien gestalteten Figuren dazu bei, in fast jedem leser eine ihn bzw. sie persönlich berührende oder faszinierende Note anzuschlagen.

Zum anderen verleihen die Figuren dem Erzählgewebe in seiner Gesamtheit „mindestens sechs verschiedene Bedeutungsebenen“ (May selbst im Interview). Die Untersuchung der Bedeutungsebenen betrachtet die Autorin als „Leckerbissen für Akademiker“. Mich schreckt von solchem Genuss schon die manchmal holprige Übersetzung ab, die dem sprachlichen Nuancen- und Ideenreichtum des Originals nicht gerecht zu werden vermag.

Ausstattung und Übersetzung

Die Illustrationen von Giuseppe Mangoni machen die Dimensionen des Aufeinandertreffens der unterschiedlichsten Völker anschaulich deutlich. Die Karten, die Erhard Ringer beigesteuert hat, lassen keine Unklarheiten über die Lokalitäten aufkommen. Am Schluss von Band 1 sind sogar die Noten für ein Tanu-Lied zu finden, das Julian May geschrieben und nach einer „alten keltischen Melodie“ für vier Stimmen komponiert hat.

Die Übertragung ins Deutsche, die Rosemarie Hundertmarck leisten sollte, war sicher keine einfache Aufgabe, denn die Autorin verwendet massenhaft hochtrabend und gelehrt klingende Wörter lateinischen Ursprungs. Deshalb verwundert es nicht, wenn auch die deutsche Version mitunter gestelzt und gewollt klingt, ohne dabei jedoch den Nuancenreichtum des Originals erreichen zu können. Am Aufwand, den der Heyne-Verlag für diesen Zyklus getrieben hat, kann es also nicht gelegen haben, dass es bis heute keine Neuauflage gegeben hat.

Unterm Strich

Sowohl die „Encyclopedia of Science Fiction“ als auch die „Encyclopedia of Fantasy“ sind sich über den hohen Rang von Julian Mays Pliozän-Saga einig. Tanu und Firvulag liefern in ihrem ewigen Wettkampf alle Schablonen, die spätere Kulturen den Göttern zuschrieben. Insbesondere die keltische Mythologie findet in ihnen reichhaltige Wurzeln. Das irische „Buch der Invasionen“ erwähnt sogar die Firvulag unter der Bezeichnung „Fir Bolg“. Diesen religiösen Urbildern stellt die Autorin Jungs psychische Archetypen zur Seite, die aus dem menschlichen Anteil an der Pliozän-Bevölkerung stammen.

Höchst interessant ist Mays Augenmerk auf die psychische Evolution, die an der Sippe der Remillards demonstriert wird. Die Remillards haben in unserer Gegenwart die Intervention von überlegenen Aliens provoziert, gegen deren Vormundschaft sie schließlich rebellierten. Die Niederlage der Remillards führte zur ihrer Flücht ins Pliozän. Dort erhalten sie die Chence, ihre Psi-Fähigkeiten enorm zu erweitern, indem sie die unterschiedlichen Halsringe der Firvulag ausprobieren und im Wettbewerb mit diesen „Göttern“ einsetzen.

Auch Doris Lessing hat sich mit dem Thema der psychischen Evolution beschäftigt: in ihrem Shikasta-Zyklus. In „Shikasta“ selbst, dem anspruchsvollen Hauptwerk, entwirft sie eine Vision von der fernsten Vergangenheit bis zur nahen Zukunft, in der der Mensch sich und seine Fähigkeiten veränderte, allerdings zu seinem nachteil. Die überwachenden Instanzen im System der Sonne Canopus verfolgen diesen Trend mit größter Sorge. Was, wenn sich diese kranken Menschen auf andere Welten ausbreiten sollten?

Insgesamt ist also der Pliozän-Zyklus durchaus anregende Lektüre. Im einzelnen jedoch hapert es doch mitunter an angemessener stilistischer Umsetzung, wobei es an dem beachtlichen Aufwand, den der Heyne-Verlag für die Ausstattung der vier Bände getrieben hat, nicht liegen kann.

Der Remillard-Zyklus „The Galactic Milieu“, die Vorgeschichte zur Pliozän-Saga:

1) Intervention (1987); wurde 1988 aufgespalten in: The Surveillance & The Metaconcert
2) Jack the Bodiless (1991), Trilogie-Band 1
3) Diamond Mask (1994), Trilogie-Band 2
4) Magnificat (1996), Trilogie-Band 3

Taschenbuch: 603 Seiten
Originaltitel: The Adversary, 1984
Aus dem Englischen von Rosemarie Hundertmarck.
ISBN-13: 9783453312845

www.heyne.de

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