Jojo Moyes – Über uns der Himmel, unter uns das Meer

Jojo Moyes ist eine dieser Autorinnen, die mich mit ihrem ersten Buch süchtig gemacht haben. Als ich das Hörbuch zu „Ein ganzes halbes Jahr“ gehört habe, habe ich Rotz und Wasser geheult, als hätte ich selbst einen geliebten Menschen verloren. In jedem einzelnen Buch, das ich von Jojo Moyes bislang gelesen habe, bin ich völlig versunken, und auch ihr neuestes Buch habe ich quasi verschlungen.


Ein Stück Familiengeschichte

Das vorliegende Buch ist anders – nicht minder ergreifend, aber dieses Mal lässt uns Jojo Moyes ein Stück weit an ihrer Familiengeschichte teilhaben: In „Über uns der Himmel, unter uns das Meer“ erzählt uns die britische Autorin die Geschichte von 600 australischen Frauen, die sich nach Kriegsende 1946 auf eine Reise ins Ungewisse machen. Auf einem Flugzeugträger fahren sie bis England, wo sie ihre Männer oder Verlobten wiedertreffen, die sie mitunter kaum kennen gelernt haben. Es ist ein großes Abenteuer, das auch nicht ganz ungefährlich ist – 600 junge Frauen inmitten lauter Heizer, Matrosen, Steuermänner. Nicht jede Frau kommt am Ende in Europa an… Doch eine der Frauen, für die sich die Reise ins Ungewisse gelohnt hat, ist Jojo Moyes australische Großmutter, die in Großbritannien Moyes‘ Großvater wiedergetroffen hat.

Im Zentrum der Geschichte steht ein „Frauenzimmer“, in dem die hochschwangere Margaret, die noch sehr junge Jean, die hochnäsige Avice und die geheimnisvolle und in sich gekehrte Krankenschwester Frances wohnen. Margaret leidet zunehmend unter ihrer anwachsenden Körperfülle und fragt sich, ob dieses Kind ihre noch so junge Ehe nicht unnötig belastet, weil sie doch kaum Gelegenheit hatte, ihren Ehemann richtig kennen zu lernen. Avice schaut von oben herab auf all die anderen Frauen, ist schnell mit Urteilen bei der Hand, muss aber doch selbst einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen – genau wie Jean und Frances. Der einen unterläuft ein nicht wiedergutzumachender Fehler, die andere wird von ihrer Vergangenheit eingeholt, vor der sie doch flüchten wollte…

Auf dem Meer

Das Buch beginnt zunächst mit einem recht länglichen Prolog, der im Jahr 2002 in Indien spielt. Auf Seite 31 endlich springt Jojo Moyes nach Australien ins Jahr 1946 und macht uns mit den Charakteren ihrer Geschichte bekannt. Nach und nach lernen wir vier der Frauen näher kennen. Von allen kann man sich schnell ein Bild machen, muss es aber im Lauf der Geschichte mitunter stark revidieren, weil die Frauen doch einiges zu verbergen haben, was uns die Autorin erst sukzessive präsentiert.

Die Geschichte nimmt nur langsam Tempo auf. Zunächst wirkt die Handlung wie eine spannende „Butterfahrt“, doch bald zeichnet sich ab, dass es nicht so unproblematisch wird, wenn 600 Frauen auf lauter Männer treffen, die ja von ihren Frauen getrennt sind und die nun wochenlang mit den jungen Damen auf engstem Raum zusammen leben müssen. Eine brisante Situation, die sich auch immer wieder entlädt – und das meist zum Nachteil einzelner Frauen… Je weiter man liest, umso spannender wird die Geschichte und man fragt sich, welches Geheimnis Avice wohl verbirgt und was es mit der verschlossenen Frances auf sich hat. Und nachdem die erste Frau von Bord musste, hofft man natürlich inständig, dass dieses Schicksal keiner anderen widerfährt.

Auch in dieser exotischen Geschichte kann man wunderbar versinken. Jojo Moyes schreibt mit viel Liebe zum Detail und widmet ihren Figuren so viel Raum, dass man das Gefühl hat, man würde sie tatsächlich kennen lernen. Man kann sich gut in die jungen Frauen hineinversetzen, die ins Ungewisse aufbrechen, obwohl sie selbst doch noch so jung und unerfahren sind.

Ein wunderbares Abenteuer

Auch wenn ich mich erst einlesen musste, weil die Geschichte am Anfang etwas vor sich hinplätschert, habe ich doch nach gut 100 Seiten das Buch kaum noch aus der Hand legen wollen. So gern wollte ich wissen, was aus den Frauen wird, ob sich ihre Hoffnungen erfüllen, ob sie ihre geliebten Männer wiedertreffen und ob sie wohl sicher und gesund in England eintreffen.

Dieses Buch ist so ganz anders als „Ein ganzes halbes Jahr“, das sich komplett um zwei junge Menschen dreht, für die es keine Zukunft geben kann. In „Über uns der Himmel, unter uns das Meer“, stehen so viele Charaktere und einzelne Schicksale im Mittelpunkt, dass man manchmal gar nicht weiß, wem man sein Herz schenken und besonders viel Glück wünschen möge. Eine wunderbare Geschichte, die aber etwas Anlauf benötigt.

Klappenbroschur: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3499267338
www.rowohlt.de

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