Monika Kellermann – Gardasee – Eine kulinarische Rundreise

Hintergrund

Es gab definitiv Zeiten, in denen galt der Gardasee noch als Top-Adresse für einen Typen von Fernerholung, den man sich auch auf den eigenen vier Rädern erlauben konnte. Die bunte Vegetation, das geschichtsträchtige Umland des riesigen Binnensees, zuletzt aber auch die breite Auswahl kulinarischer Genüsse waren Argumente, denen man sich zumindest dann nur schwer entziehen konnte, wenn man nur noch wenige Autostunden vom nördlichen Zipfel des Gewässers entfernt war. Dieses Bild hat sich inzwischen jedoch stark verändert: Viele der ansässigen Hotels genießen einen zweit- bis drittklassigen Ruf, Touristenhochburgen wie Limono oder Malcesine sind vollkommen überlaufen und büßen ihren Charme als Erholungsstätten zugunsten einer ungebremsten Strömung von Tagestouristen ein, und auf den Speisekarten der lokalen Restaurants findet man auch nicht mehr immer hochwertige Kost.

Monika Kellermann ließ sich davon jedoch bei ihrer Tour in den Süden nicht beeindrucken. Für sie bedeutete der Gardasee immer schon ein kleines Paradies, das vor allem mit seinen kulinarischen Leckerbissen eine Magnetwirkung erzielte. Mittlerweile verbringt die Autorin die Hälfte des Jahres in Bardolino, sprich in direkter Umgebung des Sees, ist längst zur Insiderin geworden und hat sich zum Auftrag gemacht, für ihr eigene kleine Paradiesvorstellung lautstark zu werben. „Gardasee – Eine kulinarische Rundreise“ ist schließlich ihr üppiger Reiseführer durch das Gardatal und ein gezielter Gruß aus der Heimat vieler Weine und etlicher Gaumenschmause – und ein überzeugendes Plädoyer für die Gegend, in die sie sich schon vor vielen Jahren verliebt hat.

Inhalt

Kellermann startet ihre Reise standesgemäß im Norden und bringt den Leser zunächst in den sogenannten Weichenort des Sees: Riva del Garda. Von hier aus trennen sich die Wege, zumindest für diejenigen, die den See umfahren möchten und vielleicht auch überlegen, auf welcher Seite sie die besseren Aussichten auf viel Kultur und Zeitgenössisches haben könnten. Die Autorin spricht hier keine Empfehlungen aus, da sie der Meinung ist, dass in der vielfältigen Landschaft genügend Anlaufstellen für Erholung und Genüsse bestehen. Schon für den Auftakt in Riva hält sie einige Tipps bereit, beschreibt aber auch, dass der Weg in den Süden womöglich lohnenswerter ist – zumindest was ihren kulinarischen Ansatz angeht. Es folgt ein ziemlich ausführlicher Exkurs über die einzelnen historischen Schauplätze, eine ganze Reihe von Restaurant(geheim)Tipps, aber auch eine Übersicht über lokale Besonderheiten wie etwa den Wein von Bardolino, ihrer zweiten Heimat. Doch nicht nur die Köstlichkeiten in unmittelbarer Nähe des Sees sind der Autorin wichtig. Auch die größeren Städte in mittlerer Distanz werden unter die Lupe genommen, so etwa Verona und Brescia, die vor allem Liebhabern klassischer Musik einen mehrtägigen Ausflug wert sein dürften.

Der Schwerpunkt ist jedoch ganz klar die Speisekarte, und hier weckt die Autorin auch immer wieder das Interesse ihrer Leser. Wenn sie von den Fischgerichten schwärmt, die reichhaltige Weinpalette anpreist, auch mal gerne die schlichten Menüs vorstellt oder einfach nur über die Atmosphäre eines einsamen Cafés schreibt, spürt man das Bedürfnis, die Reise an den Gardasee zu planen. Und exakt diesen Wunsch auszulösen, das ist das Ziel von Kellermanns kulinarischer Reise durch die prächtige Berg- und Seenlandschaft.

Mein Eindruck:

Man kann sie natürlich allerorts kaufen, die kleinen handlichen Reiseführer, die für eine kurzzeitige Entdeckungsreise in jedwede Region dieses Planeten ein paar brauchbare Infos liefern, meist aber doch recht oberflächlich gestaltet werden. Das Argument, das man diesen kleinen Büchlein jedoch sicherlich zukommen lassen muss, ist ihr vergleichsweise schmaler Preis, aber vielleicht auch die komprimierte Masse an Information, die für den allgemeinen Touristen auch völlig ausreichend ist. Diesen Anspruch hegt Monika Kellermann allerdings nicht; sie will begeistern, ihre Passion vermitteln und die Leidenschaft für eine Region weitergeben, in die sie sich dann doch eher zufällig verliebt hat – denn eigentlich galt ihre erste Unternehmung mit dem Ziel Gardasee lediglich der Aufbesserung und Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse. Das letztendlich mehr daraus geworden ist, schreibt sie der Schönheit dieses Fleckchen Erdes zu, weshalb ihre Euphorie, die nicht nur einmal in diesem üppigen Bildband zutage kommt, auch sehr authentisch wirkt. Darüber hinaus ist ihr aber auch sehr gut gelungen, die vielen Passagen, die man auf der Rundreise um den See erlebt, umfassend zu beschreiben. Die kleinen Schönheiten, die Orte, die noch nicht so stark frequentiert sind, die romantischen Plätze und eben die zahlreichen Gourmetfreuden – hierüber kann man sich in „Gardasee – Eine kulinarische Rundreise“ sehr ausführlich informieren und sich auch prima auf die bevorstehende Reise vorbereiten.

Der Nachteil allerdings: Kellermann vermeidet Kritik, ist manchmal vielleicht nicht mehr ganz objektiv und verliert sich gelegentlich auch in ihren Empfehlungen. Die Umschreibung der Region als Paradies mag auf diverse landschaftliche Gegebenheiten immer noch zutreffen, die rosarote Brille legt man aber genau dann ab, wenn der nächste Touristenbus seine ‚Ware‘ anliefert, der Charme eines Restaurants verloren geht, wenn mal wieder der nächste Ameisenschwarm das Buffet erobert oder das vermeintlich hochklassige Hotel als Hort für Ungeziefer ebenso geeignet scheint wie zur Beherbergung der eigentlichen Gäste. Wer den Gardasee bereits besucht hat, kann derartige Szenarien wahrscheinlich mit ähnlichen Anekdoten füllen, und das sollte in einem professionellen Reiseführer natürlich nicht ausgespart bleiben.

Als Letztgenannter darf man dieses Buch daher also nicht verstehen, viel mehr als Ansammlung von Insider-Tipps bei der Speisewahl, und diesbezüglich macht „Gardasee – Eine kulinarische Reise“ einen richtig guten Eindruck. Es sind nicht zuletzt die tollen Fotos, die etwas Einladendes mit sich führen, aber eben auch die detaillierten Erlebnisberichte von Monika Kellermann, die schlichtweg Neugierde wecken. Wenn es explizit um die Befriedigung des Gaumens geht, kann man sicher sein, mit ihren Ratschlägen zum Erfolg zu kommen, sich aber gleichzeitig auch von einer begeisterten Ansässigen inspirieren zu lassen. Der einzige Haken: Als Broschüre fürs Handgepäck ist das Ganze wohl eher schlecht geeignet, denn dafür ist es zu schwer, zu dick, zu groß. Aber da Quantität und Qualität in einem sehr gesunden Verhältnis zueinander stehen, sollte man sich auch davon nicht abschrecken lassen.

Fazit:

„Gardasee – Eine kulinarische Rundreise“ ist eine Empfehlung für das Gardatal und all seine mediterran geprägten Restaurants, gleichzeitig aber auch eine Ode an die gesamte Umgebung des Binnensees. Wer tiefere Einblicke in Spezialitäten und Spezies bekommen möchte, gleichzeitig aber auch akzeptieren kann, dass die Berichterstattung der Autorin ziemlich kritikfrei ist, ist also gut beraten, die Reise an den See mit dieser üppigen Lektüre entsprechend vorzubereiten.

Hardcover: 256 Seiten
ISBN-13: 978-3899103779

www.heyne.de

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