Nielsen, Maiken – siebte Werk, Das

1982 suchte eine Cholera-Epidemie von ungekannter Stärke Hamburg heim. Über 8600 Menschen mussten sterben, weil in der Handelsstadt katastrophale hygienische Bedingungen herrschen. Immerhin wurden nach dem großen Sterben die dringlichsten Sanierungen vorgenommen, damit man die Geißel kein weiteres Mal würde ertragen müssen.

_Inhalt_

Kurz vor Ausbruch der Seuche: Die junge Liliane Winterberg ist erleichtert, dass die lange Reise von London nach Hause nun endlich vorbei ist. Nicht, dass Lili nicht gern ihrem verwitweten Bruder dort bei seinen Geschäften geholfen hatte, doch es ist so schön, wieder in den Schoß der Familie zurückzukehren.

Aber apropos: Wo ist die eigentlich? Warum holt sie niemand ab? Halb ärgerlich, halb besorgt macht Lili sich auf den Heimweg. Zu Hause sorgt sie fast für einen Herzinfarkt bei ihren Eltern, die just an diesem Morgen vor ihrer Haustür ein ermordetes Mädchen gefunden hatten, das fast genau wie Lili aussah.

Wer ist die junge Frau, woher kam sie, und wer hat sie getötet? Und wie – das ist wohl das Rätselhafteste – ist sie in den Besitz der Taschenuhr gelangt, die Liliane in London entwendet worden ist?

Lili würde sich gern näher mit dieser mysteriösen Geschichte beschäftigen, doch ihre Konzentration wird empfindlich gestört durch ihr viel zu lautes Herzklopfen, wenn der junge Journalist Rurik Robertson in der Nähe ist. Wie es scheint, erwidert er ihr Interesse … aber kann sie sich dessen ganz sicher sein? Schließlich meiden die meisten Menschen sie, da sie als Bestatterstochter in dem Ruf steht, Unglück zu bringen. Außerdem gibt es eine ganze Menge anderer Mädchen, welche die Ansicht teilen, dass Rurik ganz hinreißend ist.

Auch um das Geschäft macht Lili sich Sorgen: Es ist eine Katastrophe, dass ihr Vater vorübergehend eingesperrt wird, weil man ihn des Mordes an der unbekannten Toten verdächtigt, doch auch ohne diese Komplikation kämpft das Unternehmen ums Überleben. Zwar war Herr Winterberg der erste, der einen umfassenden Service angeboten hatte, doch inzwischen gibt es Nachahmer, die den Bestatter mittels massiver Werbung aus dem Geschäft zu drängen versuchen.

In der Person einer jungen Frau aus dem übel beleumdeten Gängeviertel findet Liliane zufällig eine Spur in dem Mordfall, der ihr Leben so einschneidend verändert hat. Doch ehe sie mit Recherchen loslegen kann, warnt ihr Nachbar, der Arzt Christian Buchner, sie vor einer neuen Gefahr: Die Cholera hat Einzug in Hamburg gehalten und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Die Behandlung ist unzureichend, da man sich nicht einmal über die Art der Ansteckung einig ist. Angst vor Ketzereiverdacht lässt die Bewohner der Handelsstadt zögern, das neu erbaute Krematorium in Betrieb zu nehmen, was der Seuche als Einziges Einhalt gebieten könnte. Und in all dem Elend und dem Sterben vergisst Liliane ganz, dass ihr vielleicht auch von anderer Seite tödliche Gefahr droht.

_Kritik_

Mit der Familie des Bestatters Winterberg hat Maiken Nielsen einen interessanten Mikrokosmos geschaffen. Durch das abergläubische Unbehagen, das ihr Gewerbe bei ihren Mitmenschen auslöst, rücken die Familienmitglieder eng zusammen, und wie Lilis kleine Geschwister mit der Abneigung umgehen, ist rührend dargestellt. Auch der Arzt, der in der Kaufmannsstadt weniger gilt, als man annehmen möchte, muss auf eigene Art damit umgehen. Ob dem wirklich so war, ob diesen beiden Berufsgruppen tatsächlich auf diese Weise begegnet wurde, weiß ich nicht. Die Charaktere sind jedoch ordentlich herausgearbeitet und glaubwürdig.

Der Kriminalfall ist besonders verwickelt. Kaum eine Spur lässt sich finden, und man weiß meist nicht einmal im Ansatz, wie er einzuordnen ist: Handelt es sich um die Mordserie eines Wahnsinnigen? Geht es um politische Prinzipien, oder ist das Ganze doch privater Natur?

Bis zum Finale werden die Windungen enger, die Hinweise verwirrender. Es ist schwer, sie richtig einzuordnen, und wer das vor der Auflösung schafft, muss über jede Menge Scharfsinn verfügen.

_Fazit_

Maiken Nielsen besitzt einen sicheren, flüssigen Stil, der die Lektüre von „Das siebte Werk“ zu einem Vergnügen macht. Zwar ist dieser Roman keine große Literatur, aber er ist rundherum angenehme Unterhaltung.

|Taschenbuch: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3499249433|

Home


http://www.rowohlt.de

Schreibe einen Kommentar