O’Connor, Ed – Leda

Literarische Serientäter gibt es mittlerweile in allen möglichen Formen und Farben. Der englische Schriftsteller Ed O’Connor fügt dem Thema in seinem Krimi „Leda“ eine neue Nuance hinzu: Schwäne und einen guten Schuss Kunst.

Detective Inspector Lucy Maguire steht vor einem Rätsel. Innerhalb kurzer Zeit werden in London zwei weibliche Leichen gefunden. In beiden Fällen fand eine Vergewaltigung statt und die Opfer wurden merkwürdig drapiert. Zu ihren Füßen finden sich zertretene Eierschalen, in ihren Hälsen stecken die Schnäbel von Schwänen. Es scheint, als habe man es hier nicht mit einem normalen Killer zu tun. Ob ein Ritualmörder sein Unwesen treibt?

Zur gleichen Zeit wird der betagte Kunsthistoriker Siegfried Gratz von einer jungen Frau kontaktiert, die behauptet, die Tochter seiner großen, aber unerwiderten Liebe Elizabeth Weir zu sein. Sie überreicht ihm einen Briefumschlag mit seltsamen Dokumenten, darunter die Fotografie eines Michelangelo-Gemäldes. Es scheint, als habe sie ihm vor ihrem Tod ein Rätsel aufgeben wollen, in dessen Mittelpunkt das verschwundene Gemälde der „Leda“ steht. Ob Elizabeth eine Spur hatte, wo sich das Kunstwerk befindet? Helen Aurel und Siegfried Gratz machen sich auf die Suche danach, und schon bald kreuzen sich ihre Wege unvorhergesehen mit denen der Londoner Ermittler …

Die Handlungsstränge mit Gratz und Maguire sind allerdings nicht die einzigen. Begleitend beschreibt Ed O’Connor den Werdegang des Gemäldes „Leda“. Er streut immer wieder voneinander unabhängige historische Rückblicke ein, die nicht in die eigentliche Geschichte passen wollen. Sie gewinnen erst gegen Ende an Bedeutung. Vorher sind sie eher ein Ärgernis, das man gerne überblättert. Die Geschichte zerklüftet dadurch sehr stark, und die kurzen Abschnitte, die im sechzehnten Jahrhundert beginnen, passen nicht in den Kontext. Die Sprünge zwischen den einzelnen Handlungssträngen machen es für den Leser schwierig, der Geschichte zu folgen. Hinzu kommt, dass der Autor die einzelnen Abschnitte häufig sehr kurz hält. Dadurch verschenkt er einiges an Potenzial – auch hinsichtlich der Spannung des Thrillers.

Durch die vielen, nebeneinander stehenden Perspektiven gibt es nur wenig Raum zur Entfaltung der Charaktere. Siegfried Gratz wird zum Glück recht ausführlich behandelt, denn er ist ein interessanter Mensch mit einer spannenden Vergangenheit. Außerdem macht es Spaß, seinem Wissen über die Kunst zu folgen. Anders sieht das bei Aiden Duffy, dem Londoner Forensikspezialisten, aus. Er kommt eindeutig zu kurz. Seine Figur besitzt sehr viel Tiefgang, der sich aber aufgrund der Kürze seiner Auftritte nicht völlig entfalten kann. Zudem fällt besonders an dieser Stelle auf, dass der Autor zu viel Drumherum in sein Buch packen wollte. Neben der Geschichte des Gemäldes, den Morden in London und Gratz‘ Suche nach dem Gemälde behandelt er außerdem Duffys Vergangenheit, seine Beziehung zu DI Maguire sowie Vergangenheit und Gegenwart des Mörders.

Es ist löblich, dass Ed O’Connor das Geschehen aus so vielen Blickwinkeln wie möglich beleuchten möchte, doch in diesem Fall wäre weniger mehr gewesen. O’Connors unaufgeregter, flüssiger Schreibstil und das Handlungsgerüst an und für sich hätten einen ordentlichen Thriller gegeben, doch das ausschweifende Beiwerk schadet „Leda“ mehr, als es nützt. Schade.

|Originaltitel: Leda
Aus dem Englischen von Marion Sohns
ISBN-13: 978-3-404-16263-5
412 Seiten, Taschenbuch|
http://www.bastei-luebbe.de

_Ed O’Connor bei |Buchwurm.info|:_
[„Mit eiskalter Klinge“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3653

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