Joanne K. Rowling – Harry Potter und der Orden des Phönix (Harry Potter 5)

2003 war’s, als die „Potter-Mania“ einen ihrer Höhepunkte erreichte und geradezu legendär ist die Vermarktungsmasche, den neuesten Band stets schon um Mitternacht des Veröffentlichungstages anzubieten. Campende – oft mit jeder Menge Merchandise aufgetakelte – Fans vor Buchhandlungen waren weltweit ein Phänomen des Hypes. Inzwischen ist der Zyklus mit Band 7 zu Ende gegangen, doch der Auftakt zum großen Finale nahm mit Band 5 seinen Anfang. „Der Orden des Phönix“ läutete das Ende der Kinderbuch Ära ein und katapultierte Harry Potter – passend zu seinem literarischen Alter – nun sehr deutlich in Richtung des Erwachsenseins. Und das ist bekanntlich zuweilen recht ernst und allzu oft auch düster – wie auch der inzwischen wohl berühmteste Zauberlehrling schmerzlich feststellen muss.

Zur Story

Das fünfte Jahr auf Hogwarts nähert sich. Diesmal sind die Sommerferien schlimmer als sonst, immerhin hat Harry während des letzten Schuljahres nicht nur unerwartet gegen den wiederauferstandenen Oberfiesling Lord Voldemort antreten müssen, dieser hat auch noch einen Mitschüler vor Harrys Augen kalt lächelnd umgebracht (siehe: „Goblet of Fire“). Die Geschehnisse suchen Harry in seinen Träumen immer wieder heim. Doch niemand von seinen Freunden aus der Zaubererwelt scheint sich um ihn zu kümmern. Ron und Hermine lassen anfangs nur durch knappe Nachrichten von sich hören, jetzt herrscht eisige Funkstille. Harrys einzige Verbindung in die Welt der Magier ist die Zauberer-Tageszeitung „Daily Prophet“, diese überfliegt Harry jedoch nur, um Neuigkeiten über das Wirken von Lord Voldemort zu erfahren, doch nichts dergleichen ist dort zu finden. Er weiß noch nicht, dass das Ministerium für Magie die Zeitung manipuliert.

Das drohende Unheil der Zaubererwelt soll Harry aber auch in der englischen Kleinstadt Surrey ereilen und nicht erst in Hogwarts: Auf einem abendlichen Spaziergang trifft er seinen Cousin Dudley. Wie immer gibt es Gezänk, sogar so starkes, dass Harry sich verleiten lässt, seinen Zauberstab zur Drohung zu zücken. Aus dem Nichts tauchen zwei der gefürchteten Dementoren auf. Geistesgegenwärtig reagiert Harry und schlägt die Unholde in die Flucht. Dudley aber ist hernach stark mitgenommen. Natürlich lasten Onkel Vernon und Tante Petunia ihm die Schuld an, bezichtigen Harry gar Dudley magisch angegriffen zu haben. Die Reaktion des Ministeriums für Magie per Eulen-Brief lässt auch nicht lange auf sich warten, Harry wird von der Schule verwiesen und sein Zauberstab soll entzweigebrochen werden. Erst Dementoren und nun soll er für seine Selbstverteidigung auch noch mit Schimpf und Schande aus der Zaubererwelt verstoßen werden.

Die Rettung naht in Gestalt von einer konspirativen Gruppe vom „Orden des Phönix“, Zauberer und Hexen, welche sich dem Kampf gegen Lord Voldemort und seinen Schergen (den so genannten „Tod-Essern“) verschrieben haben, sie locken die Dursleys unter einem Vorwand aus dem Haus und geleiten Harry in den geheimen Unterschlupf des Ordens und gleichzeitig Heim seines (Zauberer-)Patenonkels Sirius Black (bekannt als „Der Gefangene von Azkaban“ – siehe dort). Hier trifft der stinksaure Harry nicht nur auf Ron und Hermine, sondern die komplette Weasley Familie und weitere vertraute Gestalten. Er erfährt, dass neben diesen (und auch ehedem seine ermordeten Eltern) jede Menge bekannte Gesichter dieser verschworenen Gesellschaft angehören. Auch solche, von denen man es sicherlich nicht gedacht hätte.

Meine Eindrücke

Drei Jahre hatte JKR gebraucht, um ihre Fortsetzung fertigzustellen und es wurde seinerzeit viel spekuliert. Herausgekommen ist ein Buch mit vielen, alten Bekannten der vergangenen Werke und selbstredend darf Erzfeind Tom Marvolo Riddle – Voldemort – auch wieder aktiv mitmischen, allerdings in persona nur beim Showdown. Der selbst ernannte dunkle Lord macht sich wieder einmal sehr rar und schickt zunächst lieber List und Tücke bzw. seine Death Eater ins Rennen. Bei Licht besehen ist das Muster der Handlung nicht neu, dafür aber erprobt und lässt sich mit wenigen Worten etwa so beschreiben: Dursleys – > Ärger -> drohender Ausschluss von Hogwarts -> Dumbledore interveniert -> restliches Schuljahr -> Showdown. Rawling bleibt sich in diesem Punkt treu – Leider muss man da fast sagen. Besonders innovativ ist die Story also wirklich nicht.

Zudem gerät der Plot zur Mitte hin recht langatmig. Dort erleben wir Harry teenagertypisch im Prüfungsstress zum Erreichen der OWLs (Ordinary Wizarding Levels – Prüfungen und Vorstufe zu den späteren Examen). Das ganze Brimborium um seine Selbstzweifel und Pubertätsproblemen ist realistisch geschildert doch insgesamt etwas überzogen lang geraten. Selbstredend gibt es wieder massig Probleme mit Snape, Malfoy und der neuen Lehrerin für das Fach „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ – Der Running Gag der gesamten Reihe. Rawling stellt aber, neben längst etablierten Figuren, durchaus interessante Neue vor und beschert dem Leser auch ein Wiedersehen mit vielen liebgewonnenen Charakteren, u. a: Alastor „Mad Eye“ Moody, Lupin und Sirius Black.

Der Titel als solches verspricht mehr, als er halten kann, denn so sehr geht’s eigentlich nicht um den namensgebenden Orden des Phönix, sondern eher um Intrigen und Ränkeschmiederei in und um Hogwarts herum. Gewürzt ist die Geschichte mit regelrechter Inquisition, Rufmord, dunkler Machenschaften des Ministeriums und eben einem stark pubertierenden Harry, der in dem Stress während all dieser Querelen auch noch die stattfindenden Examen möglichst gut hinter sich bringen will, da er beruflich ein so genannter „Auror“ werden möchte (eine Zauberer-Task-Force gegen die dunklen Mächte). Lord Voldemort ist natürlich auch nicht untätig und seine mysteriöse Verbindung mit Harry belastet diesen zusätzlich, denn irgendetwas Gemeines plant Der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf selbstverständlich.

Er will er Harry ja schließlich nicht zum ersten Mal um die Ecke bringen. Die Hänger in der Story sind nicht allzu schlimm, denn sie dienen dazu die Charaktere noch weiter auszuleuchten, doch etwas mehr Pep und eine straffere Gangart hätte der Geschichte sicher gutgestanden. JKR strapaziert hier die Geduld des Lesers zuweilen über Gebühr und kocht lieber alte Elemente wieder auf. Es entsteht der Eindruck, dass ihr trotz einiger guter und witziger Einfälle doch langsam ein wenig die Ideen ausgingen. Oder ob’s doch ein Entgegenkommen an Neuleser war? Wohl kaum. Ohne recht fundiertes Vorwissen kann man mit dem Band nämlich nichts anfangen und verpasst so ziemlich alle augenzwinkernden und witzigen Anspielungen auf vorhergegangene Begebenheiten. Der Showdown kann sich aber wieder sehen lassen und entschädigt für so manches weites Ausholen im Mittelteil.

Gelegentlich meint man den Zwang herauszulesen nun auf Teufel komm raus seine Vorgänger in den Schatten stellen zu wollen. Das gelingt ihr nicht ganz. Zwar erhalten die Personen, allein durch die schiere Länge von fast 800 (Originalfassung) respektive 1024 Seiten (lokalisierte Fassung), eine exzellente Tiefe, darunter muss dann aber im Gegenzug die Pace oft naturgegeben leiden. Der Vorgängerband hatte das Kunststück noch fertig gebracht, beides zu kombinieren. Damit wären wir auch schon beim Schreibstil angelangt, welcher sich hingegen zu den ersten Bänden sehr wohl geändert hat, denn als Kinderbuch geht „Order of the Phoenix“ nicht mehr durch, die verwendeten Begriffe und die teils komplexe (sowie düstere) Handlung mit ihren gesellschaftlichen Seitenhieben ist wohl eher etwas für Jugendliche ab etwa 13 bis 14 Jahren.

Unterm Strich

Solide Story, aber auch viel erklärendes Beiwerk. Richtig langweilig ist das Drumherum nicht, kann sich aber hin und wieder ganz schön ziehen, bis es mal wieder etwas mehr vorangeht. Alles in allem jedoch ein gutes, unterhaltsames Buch, dass ein bisschen hinter den (vielleicht zu diesem Zeitpunkt doch zu hohen) Erwartungen, die sein Vorgänger schürte, herhinkte, aber durchaus lesenswert ist und streckenweise sogar die alte Klasse durchscheinen lässt. Dass es aber durchaus noch düsterer, philosophischer und psychologischer (und nicht zuletzt besser) geht, bewiesen dann die Nachfolger – doch das, liebe Kinder, ist eine andere Geschichte.

Hardcover: 1024 Seiten
Originaltitel: Harry Potter and the Order of the Phoenix (Band 5)
Ersterscheinung: 06/2003, Bloomsbury
Deutsche Fassung: 11/2003, Carlsen
ISBN 978-3551555557

http://www.carlsen.de

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