Sassenberg, Volker – Abseits der Wege. Kapitel 1: Unweit

Hörspiele liegen voll im Trend. Ob entspannt im Wohnzimmer, als Alternative zur Nachtlektüre im Bett oder nebenbei während der Autofahrt, ihr Einsatzgebiet ist äußerst variabel und mittlerweile zu einer Alternative des Buchs oder Fernsehprogramms geworden. Während der Bedarf des Mystery- und Krimigenres durch zahlreiche, qualitativ hochwertige Hörspielserien weitgehend gedeckt ist, sieht es auf dem Fantasy-Sektor noch eher mager aus. Doch hier stehen bereits zwei Produkte in den Startlöchern. Während die Umsetzung Robert A. Salvatores [Saga vom Dunkelelf 2978 schon eine die breite Leserschar hinter sich weiß und speziell die |Dungeons & Dragons|-Fans anspricht, muss „Abseits der Wege“ aufgrund fehlender literarischer Vorlage ohne eine solche Basis anfangen. Bewusst spärlich sind die Vorabinformationen gesät, geheimnisvoll die wenigen Sätze, die die Handlung der Pilotfolge „Kapitel 1 – Unweit“ auf der CD-Rückseite umschreiben. Ein Blick auf den Regisseur klärt jedoch schnell auf, denn der zuständige Volker Sassenberg ist mit der Horrorreihe „Gabriel Burns“, die auch bei null anfangen musste, schon ein großer Erfolg gelungen, nicht zu vergessen „Point Whitmark“. Wird ihm dies mit „Abseits der Wege“ auch gelingen?

_Inhalt_

Die knapp 80 Minuten lange erste Folge beginnt betont düster und unheimlich. Erst ertönt eine hauchende, liebliche Frauenstimme und kündet mit verschwörenden Worten von drohenden Zeiten, dann unterhalten sich zwei anfänglich noch unbekannte Männer über ein nahendes Grauen, das sich an den Grenzen des Landes zusammenzieht. Das Weltenwerk breitet sich aus. Der Hörer bleibt im Unklaren, vieles ist beim ersten Durchgang verwirrend und kaum nachzuvollziehen. Doch die Grundstimmung, und damit das wesentliche Element dieser Pilotfolge, kommt klar und deutlich rüber: Etwas Großes wird geschehen und die Welt für immer verändern.

Nach dem Intro, von einer orchestralen Filmmusik unterlegt, geschieht ein Bruch und die Perspektive wird auf die Hauptperson Gaston Glück gelegt, gesprochen von Timmo Niesner (u. a. deutsche Synchronstimme von Frodo/Elijah Wood). Gaston ist der Sohn des Wirtes Tebald, der im Dörfchen Tiefensee ein gut besuchtes Gasthaus führt. Tiefensse ist mitten in den Vorbereitungen zu einem großen Fest und das ganze Dorf dementsprechend in Aufruhr. Von den Geschehnissen draußen in der Welt und den großen Städten des Landes bekommen die Dörfler kaum etwas mit, denn ihr Zuhause liegt weit abseits der Handelsrouten im Wald versteckt. So haben sich die Bewohner ihre kleine, naiv anmutende Welt erhalten und kümmern sich nicht um das, was ihnen von einsameren Wanderern ab und an über den König und seine Taten an die Ohren dringt.

Gaston ist in bester Laune. Er will an dem großen Rennen, dem Höhepunkt des Festes, teilnehmen und hat sich daher seine Freunde Dunring (Stefan Krause, Synchronstimme von Pippin/Billy Boyd) und Halmir (Hannes Maurer) geschnappt, um mit ihnen auf Gnomjagd zu gehen. Diese Geschöpfe sind zwar schwer zu fangen, aber mit einem flinken und gewitzten Gnom hätte Gaston gute Chancen, bei dem Rennen zu gewinnen. Tatsächlich finden die drei Jungen schließlich einen Knorpelgnom (gesprochen von Volker Sassenberg persönlich), ein hässlich aussehendes Wesen, und bringen ihn in einem Sack versteckt zum Dorf zurück. Doch Gaston kommt nicht dazu, sich über seinen Fund zu freuen, denn die Ereignisse überschlagen sich plötzlich. Ein Purpurner Prüfer ist nach Tiefensee gekommen und verlangt einen Führer, der ihn ins nahe gelegene Dorf Katenbrunnen bringt. Gaston kann sich nicht erinnern, jemals einer solchen Gestalt begegnet zu sein. Von Geschichten am Kamin weiß er lediglich, dass solche Prüfer vom König geschickt werden, um nach Spuren des Weltenwerks zu suchen. Nur warum sollte so einer, denkt sich Gaston, ausgerechnet nach Tiefensee gekommen sein, wo es noch nie merkwürdige Vorkommnisse gab? Gaston bleibt nichts anderes übrig, als den Purpurnen Prüfer auf Wunsch seines Vaters nach Kaltenbrunnen zu führen, während sich seine Freunde um die Vorbereitungen für das Fest kümmern. Wenn er schnell genug zurück ist, verspricht ihm sein Vater, wird er die Feierlichkeiten noch von Anfang an mitbekommen.

Der Purpurne Prüfer gibt sich bedeckt ob seines Auftrags, und so kann ihm Gaston auf seinem Weg zum Nachbardorf keine Geheimnisse entlocken. In Kaltenbrunnen angekommen, ändert sich jedoch die Situation. Das Dorf ist verlassen, überall liegt kniehohes Laub verstreut. Können das die Faiyen gewesen sein, Gestalten von kreideweißer Haut und silbernen Augen, die hier in der Nähe hausen sollen? Noch bevor Gaston Rückschlüsse ziehen kann, findet der Prüfer unter dem Laub einen abgetrennten Arm – den eines Unlichs, der wie ein abgestorbener Baum verrottet und sich in Laub verwandelt. Der Prüfer hat das Unheil, das Weltenwerk gefunden. Während dieser die Spuren begutachtet, stolpert Gaston über den entlaufenen Knorpelgnom. Hat er etwas mit dem Weltenwerk zu tun? Bevor Gaston aus dem Dorf Hilfe holen kann, wird er überrumpelt und in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen, die sein Schicksal besiegeln. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich den Gefahren zu stellen und sich dem Weltenwerk entgegenzustellen.

_Umsetzung_

„Abseits der Wege“ ist technisch brillant umgesetzt worden. Wie man es von |Universal| gewöhnt ist, gehen hier die guten Leistungen der Synchronsprecher mit überzeugenden Soundeffekten und einer passenden musikalischen Untermalung einher. Volker Sassenberg hat für sein Fantasyprojekt eine Vielzahl bekannter und weniger bekannter Sprecher versammelt, die die Welt zum Leben erwecken. Von dieser Seite hat man alles richtig gemacht.

Obwohl es sich um ein Hörspiel handelt, wird dem Erzähler eine große Rolle eingeräumt. Die meisten gesprochenen Passagen übernehmen natürlich die Sprecher der einzelnen Figuren. Für die deskriptiven Elemente sowie zahlreiche Zwischenpassagen zeichnet sich allerdings der Erzähler aus, der durchaus eine eigene Figur innerhalb der Geschichte darstellt und als eine Art Chronist angesehen werden kann. Mehrmals greift er Ereignisse vor und hält dramaturgisch geschickt die Spannung aufrecht. Ein sinnvolles Mittel, denn die Geschichte selbst ist trotz einiger Actionszenen recht langsam aufgebaut. Dies ist nicht im negativen Sinne, sondern eher als Betonung darauf zu verstehen, dass sich „Abseits der Wege“ mehr an einen kontinuierlich aufgebauten Buchplot denn als einen schnell geschnittenen Film anlehnt.

Die Welt ist, auch wenn nach der ersten Folge nur ein kurzer Blick auf sie erfolgt, von Menschen besiedelt, die die Geschicke des Landes leiten. Dennoch beheimatet sie eine Vielzahl unterschiedlichster Geschöpfe, die von albinoartigen Faiyen bis hin zu den gefährlichen Unlichen reichen. Insgesamt vermittelt die Welt einen realistisch-düsteren Ton. Von abgelutschten Fantasy-Klischees wie herumzaubernden Magiern und mürrischen Zwergen ist in „Abseits der Wege“ glücklicherweise nichts zu spüren. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn die Anleihen an die Vorlage [„Der Herr der Ringe“ 1330 sind nicht zu übersehen. Dies beginnt bereits bei den Stimmen von Gaston und Dunring, die im Kinofilm die Hobbits Frodo und Pippin synchronisieren. Der Aufbau des Handlungsortes, ein abgelegenes Dorf, welches plötzlich von den Geschehnissen überrollt wird, führt zwangsläufig zu einem Vergleich mit dem Auenland. Und dass gerade ein Dorffest stattfindet, ebenso pompös wie Bilbos 111. Geburtstag, setzt dem Ganzen die Krone auf. Es bleibt für die späteren Folgen zu hoffen, dass die Serie hier einen eigenen Weg findet.

_Fazit_

„Abseits der Wege. Kapitel 1 – Unweit“ ist ein gelungener Hörspielauftakt geworden, der Lust auf mehr macht und seinem Anliegen gerecht wird, indem er zahlreiche Fragen aufwirft, die es für die kommenden Folgen zu beantworten gilt. Trotz des etwas dreisten Ideenklaus bei Tolkien versprüht die Pilotfolge bereits ihren eigenen Charme und sollte, sofern sich die Handlung der kommenden Teile noch steigert, eine große Fanbasis finden. Für Hörspiel-Anhänger definitiv zu empfehlen. Fantasyleser, die bisher aus Mangel an guten Hörspielen einen Bogen um dieses Genre gemacht haben, sollten ebenfalls einen Blick, pardon Hörgang wagen.

Erzähler: Heinz Ostermann
Gaston Glück: Timmo Niesner
Dungring: Stefan Krause
Halmir: Hannes Maurer
Myrell: Diana S. Borgwardt
Purpurner Prüfer: Karl Schulz
Tebald Glück: Jürgen Kluckert
Orton Wasserpforte: Reiner Schöne
Motzblatter: Martina Treger
Knorpelgnom Po: Volker Sassenberg
Hauptmann Heldentod: Heinz-Werner Krähkamp
Calypso: Tim Moeseritz
Chronist: Raimund Krone
Lyssandrer: Valentina Singott
Novize: Christian Gaul
Träumende: Maria Sumner

ISBN 3-8291-1863-7
ASIN B000J0SUQC

http://www.abseitsderwege.info
http://www.abseits-der-wege.net
http://www.dg-literatur.de
http://www.karussell.de

[„Kapitel 2: Stromabwärts“ 4207

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