Scott, Michael – unsterbliche Alchemyst, Der (Die Geheimnisse des Nicholas Flamel 1) (Lesung)

Spätestens seit [„Harry Potter und der Stein der Weisen“ 139 dürfte der Franzose Nicholas Flamel (ca. 1330? – 1418?) vielen ein Begriff sein. Der Ire Michael Scott baut nun eine ganze Buchreihe um den berühmten Alchemisten auf. Ab diesem Frühjahr bis zum Frühjahr 2013 sollen voraussichtlich sechs Bände um „Die Geheimnisse des Nicholas Flamel“ veröffentlicht werden. Scott hat sich also einiges vorgenommen. Den Auftakt zur Reihe bildet „Der unsterbliche Alchemyst“, als Hörbuch gelesen von keinem Geringeren als Andreas Fröhlich – schon allein diese Tatsache ist Grund genug, einen genaueren Blick auf das Werk zu werfen …

Es ist der Sommer 2007 in San Francisco. Josh Newman und seine Zwillingsschwester Sophie wollen sich in den Sommerferien ihr Taschengeld aufbessern. Also arbeitet Josh im Buchladen von Nick Fleming, während Sophie im Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite aushilft. Es verspricht ein recht unspektakulärer Sommer zu werden, bis Sophie eines Tages vom Café aus die Ankunft höchst eigenartigen Besuches beobachtet, der kurz darauf die Buchhandlung betritt.

Als Sophie daraufhin in die Buchhandlung eilt, um herauszufinden, was es mit dem mysteriösen Besucher auf sich hat, wird sie zusammen mit ihrem Bruder Josh Zeugin eines magischen Kampfes, der um ein uraltes Buch entbrannt zu sein scheint. Im Getümmel hat Josh sogar versehentlich zwei Seiten aus dem geheimnisvollen Buch herausgerissen.

Wie sich bald herausstellt, ist der mysteriöse Besucher Dr. John Dee, seinerzeit Lehrling des größten Alchemisten aller Zeiten, Nicholas Flamel – der sich hinter der Identität des unscheinbaren Buchhändlers Nick Fleming verbirgt und inzwischen schon fast 700 Jahre alt ist.

Sophie und Josh werden in eine Geschichte hineingezogen, die ihnen verständlicherweise absolut unfassbar erscheint. Sie kämpfen zusammen mit dem berühmten Nicholas Flamel gegen den großen [Dr. John Dee,]http://de.wikipedia.org/wiki/John__Dee der zum einen gerne die beiden fehlenden Seiten des „Codex“ ergänzen würde (schließlich enthält dieses wertvolle Buch die genauen Anweisungen zur Herstellung eines Elixiers, das ewiges Leben verheißt). Zum anderen hält Dee, quasi als Pfand für die beiden fehlenden Seiten, Nicholas‘ geliebte Frau Perenelle gefangen. Für die Zwillinge beginnt ein Abenteuer, dessen Ausmaß sie sich noch vorzustellen vermögen …

Was Michael Scott mit seinem Roman „Der unsterbliche Alchemyst“ abgeliefert hat, ist durchaus solide Fantasykost, an der vor allem die jüngere Generation ihre Freude haben dürfte. Mit Sophie und Josh setzt Scott auf zwei Protagonisten, mit denen sich viele jugendlichen Leser/Hörer sicherlich identifizieren können. Während Sophie gerne mit ihre Freundin am Telefon plauscht, gilt das Interesse von Josh vor allem seinem Notebook und seinem |iPod|.

Das klingt ein wenig nach abgedroschenen Rollenklischees, aber da beide Figuren ganz sympathisch und, soweit die Tiefe des Romans überhaupt eine solche Einschätzung zulässt, durchaus natürlich wirken, lebt es sich ganz gut damit. Sophie und Josh haben zumindest im vorliegenden ersten Teil der Geschichte eben noch nicht sonderlich viel Raum, um einen tieferen Eindruck beim Leser/Hörer zu hinterlassen. Dafür fährt Scott auch zu viele weitere Figuren und Gestalten auf.

Und so bleiben Sophie und Josh eben ziemlich blass. Einen Teil der Handlung verlegt Scott in das Schattenreich, knüpft aber in vielen Punkten auch immer wieder an das Hier und Jetzt an. Die Zwillinge schlittern etwas unbedarft in die ganze Geschichte hinein und wirken dadurch gerade zu Anfang noch ziemlich naiv. Doch ihre Rolle dürfte schon im nächsten Teil der Geschichte weiter ausgebaut werden, denn für die Handlung entpuppen die beiden sich als elementares Kernstück. Für den Fortgang der Geschichte kommt Scott damit sicherlich nicht umhin, ihnen etwas mehr Tiefe zu verleihen.

„Der unsterbliche Alchemyst“ ist ein Sammelsurium verschiedenster mythologischer Gestalten, die Scott geschickt zu einem stimmigen Plot zusammenfügt. Grundlegender Konflikt, der auch im Kampf zwischen John Dee und Nicholas Flamel einen wichtigen Faktor darstellt, ist die Rolle des „Älteren Geschlechts“. Dee kämpft auf der Seite der Älteren, welche die Erde wieder in Besitz nehmen und die Menschheit vernichten wollen, während Nicholas Flamel genau dies verhindern will. Doch ohne den „Codex“, den John Dee aus der Buchhandlung gestohlen hat, sieht Nicholas Flamel nicht nur sprichwörtlich alt aus. Flamel braucht den „Codex“ und das darin enthaltene Geheimnis des ewigen Lebens, um nicht innerhalb eines einzigen Mondzyklus rapide zu altern und schließlich zu sterben.

Jeder der beiden Kontrahenten hat mächtige Kampfgefährten an seiner Seite. Nicholas Flamel wird zum Beispiel unterstützt durch Scathach, die „Dämonenschlächterin“ oder „Königsmacherin“, die in den letzten ca. 2000 Jahren so ziemlich jeden legendären Krieger ausgebildet haben dürfte. Hier tritt die Scathach als die siebzehnjährige Scatty in Erscheinung, die mit den Zwillingen schnell Freundschaft schließt.

Auf der Seite von Dee stehen unter anderem die Katzengöttin Bastet und die Krähengöttin Morrigan. Scotts Roman offenbart sich als Streifzug durch die Mythologie, der den Leser/Hörer mit so vielen interessanten Geschöpfen von Golems bis zu Werebern bekanntmacht, dass man auf der Website zum Buch noch mal alle Namen und Kreaturen in einem Lexikon nachschlagen kann.

Was Scott ganz gut gelingt, ist, neben der farbenprächtigen Ausschmückung seines Plots, der Verlauf des Spannungsbogens. Er zieht gleich mit dem ersten Kampf in der Buchhandlung die Spannungsschraube kräftig an. Er würzt den Plot mit reichlich Magie und legt den unterschiedlichen Handlungssträngen von Perenelles Gefangenschaft und den Erlebnissen der Zwillinge mit Nicholas Flamel einen stetig spannender werdenden Verlauf zugrunde.

Was darum auch stört, ist, dass die Geschichte ganz offen endet. „Der unsterbliche Alchemyst“ ist nichts weiter als die Ausgangsbasis für den weiteren Verlauf der Reihe um Nicholas Flamel, und dementsprechend wird kaum ein Handlungsstrang wirklich abgeschlossen. Das ist vor allem deswegen etwas unbefriedigend, weil man nun bis Frühjahr 2009 warten muss, um zu erfahren, wie es weitergeht. In Anbetracht der Tatsache, dass die Handlung am Ende des ersten Teils wirklich mehr oder weniger mittendrin abbricht, stellt sich die Frage ob die Vorgehensweise, jeweils zwölf Monate bis zum Erscheinen des nächsten Bandes verstreichen zu lassen, vom Verlag so klug gewählt ist.

Ein wenig erinnert ein Teil der Geschichte (die Rolle des „Älteren Geschlechts“, die Bedeutung der Kinder für den Fortgang der Geschichte, etc.) an die Reihe „Die fünf Tore“ von Anthony Horowitz. Im direkten Vergleich hat Horowitz schon aufgrund der ausgefeilteren Figurenzeichnung die Nase vorn. „Die fünf Tore“ ist eben auch für Erwachsene sehr unterhaltsam und durchweg spannend. „Der unsterbliche Alchemyst“ ist dagegen stärker auf eine jüngere Zielgruppe zugeschnitten.

Dennoch macht „Der unsterbliche Alchemyst“ als Hörbuch durchaus auch Erwachsenen Freude. Ein gewichtiger Grund dafür dürfte die wie üblich hervorragende Arbeit von Andreas Fröhlich sein. Wer [„Eragon“ 3228 als Hörbuch kennt, der weiß, zu welch unglaublichen Leistungen dieser Mann fähig ist. Fröhlich haucht einer Fantasy-Geschichte mehr Leben ein, als man von einem einzelnen Sprecher überhaupt erwarten kann, und so glänzt eben auch „Der unsterbliche Alchemyst“ besonders durch die herausragende Vielseitigkeit, mit der Andreas Fröhlich die verschiedenen Figuren der Geschichte vor dem Auge des Hörers agieren lässt.

Das, was die Geschichte hier und da an charakterlicher Tiefe vermissen lässt, vermag Andreas Fröhlich durch seine brillante Vortragsweise zu einem nicht unwesentlichen Teil zu kompensieren. Da verzeiht man so manche Schwäche der Geschichte – einfach, weil man zu sehr damit beschäftigt ist, das Hörbuch zu genießen.

Bleibt unterm Strich also mit Blick auf die Geschichte ein solider Eindruck zurück. Man darf gespannt sein, was Scott aus den „Geheimnissen des Nicholas Flamel“ noch alles herauszukitzeln vermag. Da die Geschichte immerhin für sechs Bände ausgelegt ist, gibt es vor allem auch in Anbetracht der vielen Inspirationen aus Legenden und Mythen noch unzählige Möglichkeiten. Und so bleibt auch zu hoffen, dass die bis dato noch sehr schwache Charakterskizzierung von Josh und Sophie Newman an Tiefe gewinnt.

Als Hörbuch ist „Der unsterbliche Alchemyst“ schon aufgrund der Tatsache, dass Andreas Fröhlich die Geschichte liest (wobei der Begriff „Lesen“ hier gar nicht weit genug greift), eine Empfehlung wert.

Das lohnenswerte Verlagsspezial zur Buchreihe:
[www.nicholas-flamel.de]http://www.nicholas-flamel.de

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