Sittenfeld, Curtis – Eine Klasse für sich

Mit reichlich Vorschusslorbeeren geht derzeit der Debütroman von Curtis Sittenfeld in Deutschland an den Start. Die |New York Times| kürte „Eine Klasse für sich“ als einen der fünf besten Romane des Jahres 2005. Dass Curtis Sittenfeld bei der |New York Times| aber einen Sympathiebonus haben dürfte, sollte man im gleichen Atemzug vielleicht auch erwähnen, denn Sittenfeld schreibt schon seit ihrem 16. Lebensjahr für diverse Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eben auch für die |New York Times|. Was bleibt also übrig von Curtis Sittenfelds Debüt, wenn man die rosarote Brille der |New York Times| einmal beiseite legt? Ist all der Rummel um die 29-jährige Autorin nur Hype oder steckt mehr dahinter?

Doch worum geht es bei „Eine Klasse für sich“ überhaupt? Der Roman erzählt die Geschichte der harten Highschool-Jahre der vierzehnjährigen Lee Fiora. Lee Fiora, durchschnittliche, amerikanische Mittelschicht, ist in ihrer Kleinstadt in Indiana eines der herausragenden Mädchen ihrer Klasse. Um so härter fällt ihre Ernüchterung aus, als sie mittels Stipendium an ein Ostküsten-Internat wechselt. Eine Welt wie in einer Hochglanzbroschüre: ehrwürdige Backsteingebäude, akkurat geschnittener Rasen, ordentliche, gut gekleidete Schüler, allesamt intelligent, privilegiert und größtenteils gut aussehend – alle außer Lee, wie es scheint.

Schon bald muss Lee begreifen, dass in Ault, dem Ziel ihrer Träume, die Uhren etwas anders ticken. Lee wird schnell zur Außenseiterin, die das Geschehen am Campus beobachtet, ohne sich als Teil davon fühlen zu können. Sie wird sich dessen bewusst, dass ihre Mitschüler so anders sind als sie, dass sie sich schwer tut, sich mit ihrer neuen Umgebung zu arrangieren. Sie schließt nur wenige Freundschaften, und jene, die sich mit Lee anfreunden, sind selbst Außenseiter. Lees Verhältnis zu Mitschülern wie zu Lehrern bleibt kompliziert und auch als Lee eine heimliche Affäre mit dem Schulschwarm Cross Sugarman beginnt, kommt Lee nicht aus ihrem schattenhaften Dasein heraus. Das geschieht erst, als sie einen folgenschweren Fehler begeht …

Sittenfeld beschreibt das bunte Treiben an der Highschool plastisch und lebhaft. Im Fokus all dieser Betrachtungen steht Lee mitsamt ihrem äußerst komplizierten Verhältnis zu ihren Mitschülern und letztlich auch zu sich selbst. Lee war als Vierzehnjährige von der Hochglanzbroschüre beeindruckt, die sie sich vor ihrer Bewerbung in Ault hat zuschicken lassen, und wollte Teil dieser schicken Hochglanzwelt werden.

Dass man seine Wurzeln nicht so einfach abstreifen kann, muss Lee schon bald begreifen. Aus dieser Erkenntnis zwischen versuchtem Anpassen und bewusstem Untertauchen in der Masse entwickelt Lee schon bald eine Strategie der absoluten Unauffälligkeit. Wie gut getarnt sie über den Campus schleicht, ist für den Leser in gewisser Weise schon erheiternd.

Dabei schmunzelt man eben nicht nur über Lees Verhalten, sondern besonders auch über die Beobachtungen, die sie in ihrer selbstgewählten Isolation macht. Lee hat das Treiben auf dem Campus stets genau im Blick. Sie studiert die ungeschriebenen Gesetze der zwischenmenschlichen Dynamik der Privatschule und sucht nebenbei nach ihrem eigenen Platz in dieser Welt – und letztlich auch im Leben.

„Eine Klasse für sich“ ist letztendlich eben auch ein Roman über das Erwachsenwerden. Sittenfeld beschreibt die Tücken der Pubertät und der ersten Liebe, beschreibt den schwierigen Weg vom Jugendlichen zum Erwachsenen und trifft dabei genau den passenden Ton. Der Roman wirkt auf gewisse Weise authentisch und glaubwürdig.

Lee wirkt als Figur außerordentlich plastisch und der Leser fühlt sich nah am Geschehen. Sie ist dabei ungleich sympathischer und wirkt wesentlich unverfälschter als Tom Wolfes Charlotte Simmons in dessen Roman [„Ich bin Charlotte Simmons“. 1883 Sittenfeld versetzt sich so gut in die Highschool-Jahre von Lee hinein, dass man schon fast automatisch nach biographischen Parallelen suchen mag. Wie Sittenfeld die Gedankenwelt ihrer Figuren beschreibt, das fühlt sich eben echt und ungekünstelt an, und genau das macht die Qualität des Romans aus.

Insgesamt betrachtet ist „Eine Klasse für sich“ wirklich unterhaltsame Lektüre. Sie beschreibt das Auf und Ab im Leben, wie es jeder kennt, sie ist mal erheiternd und mal nachdenklich oder gar traurig stimmend und so, wie die Geschichte und die Figuren sich entwickeln, ist es spannend, den weiteren Prozess zu verfolgen. Geschrieben ist der Roman auf eine herzerfrischende und lockere Art. Er lässt sich schnell runterlesen und ist dabei durchgängig unterhaltsam.

Bleibt unterm Strich die Erinnerung an ein Buch, das sich als durchaus lesenswerte Kost entpuppt. Sittenfeld beschreibt mit Herz und einem Augenzwinkern den Entwicklungsprozess ihrer Hauptfigur und weiß damit über die gesamte Romanlänge zu unterhalten. Sie zeigt auf plastische Art, wie es sich anfühlt, langsam erwachsen zu werden, und demonstriert dies anhand einer interessanten, lebensechten Hauptfigur.

Es ist also letztlich nicht alles Hype, was einem so an Lob über dieses Buch zu Ohren kommt, sondern entspricht in gewisser Weise durchaus den Tatsachen, und man kann „Eine Klasse für sich“ dem potenziell interessierten Leser durchaus ans Herz legen. „Eine Klasse für sich“ ist in der aktuellen Literatur zur Thematik dabei eine wesentlich bessere Wahl als Tom Wolfes vergleichbarer Roman „Ich bin Charlotte Simmons“, bei dem gerade auch die Hauptfigur eine gewisse Authentizität vermissen lässt.

http://www.aufbau-verlag.de

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