Theurillat, Michael – Sechseläuten

Irgendwann muss auch mal genug sein mit Frost und Schnee: In der Schweiz treibt man Mitte April mit einem Brauch namens Sechseläuten den Winter aus und verbrennt dabei traditionell einen künstlichen Schneemann, den Böögg. Dieses doch eher beschauliche Festchen nutzt der Schweizer Autor Michael Theurillat, um in seinem gleichnamigen Kriminalroman einen eher unschönen Fleck in der Geschichte des Alpenstaats literarisch aufzuarbeiten.

Auch in Theurillats drittem Krimi spielt der Züricher Kommissar Eschenbach die Hauptrolle. Er befindet sich gerade auf der Sechseläutenwiese, als in seiner unmittelbaren Nähe eine Frau zusammenbricht. Trotz seiner Erste-Hilfe-Versuche stirbt sie, und niemand scheint zu merken, dass ihr kleiner Sohn alles hat mit ansehen müssen. Er redet aufgeregt in einer Sprache, die Eschenbach nicht versteht, aber er hat den Eindruck, dass der Tod der Frau kein Herzanfall war, wie die Obduktion ergibt.

Er nimmt sich des Jungen an und beginnt zu ermitteln, doch alsbald wird er von dem Fall abgezogen. Schlimmer noch: Er wird mit einer schalen Begründung suspendiert. Mithilfe seiner Sekretärin Rosa und seines Kollegen Claudio Jagmetti setzt er alles daran, Charlotte Bischoffs Tod trotzdem aufzuklären, denn niemand scheint sich wirklich für die zweifelhaften Umstände zu interessieren. Als sich Eschenbach mit Charlottes Schwester anfreundet, erhält er erste Hinweise darauf, dass etwas in ihrem Leben nicht stimmt. Doch dann gibt es einen Anschlag auf Charlottes Schwester und ihr Sohn wird entführt …

Michael Theurillats „Sechseläuten“ ist ein sauber aufgebauter Krimi, der aber vor allem in der Mitte nicht besonders spannend ist. Es fehlen überraschende Wendungen und brenzlige Situationen, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Außerdem tritt Claudio Jagmetti, mit dem sich Eschenbach in den Büchern zuvor gerne einen Schlagabtausch geliefert hat, nur sehr selten auf. Die Sekretärin Rosa, eine Italienerin mit Leib und Seele, sorgt zwar für einige Höhepunkte, doch trotzdem kommt das Buch erst gegen Ende richtig in Fahrt. Hier fügt sich alles und Eschenbach begreift die Hintergründe der Tat, es kommt zu einem spannenden Finale.

Obwohl der Autor sich darauf versteht, die Personen sehr detailliert und farbig zu gestalten, ist Eschenbach schwer greifbar. Es fällt nicht leicht, ihn sich vorzustellen, vielleicht auch dadurch, dass er zwar ein etwas sonderbarer Kommissar ist, aber noch lange nicht so schrullig wie einige andere Vertreter der exekutiven Staatsgewalt. Gleichzeitig wirkt er aber auch nicht wie der durchschnittliche Normalbürger. Er ist irgendwo in der Mitte anzusiedeln, doch er kann in diesem Roman nicht genau zugeordnet werden. Das gelingt bei Lara Bischoff, Charlottes Schwester, wesentlich besser, und auch bei einigen anderen Figuren im Buch. Mit von der Partie sind sogar einige Originale, die dem Buch einen ganz eigenen Charme verleihen.

Was die Geschichte trotz einiger Schwächen letztendlich zusammenhält, ist Theurillats ausgefeilter Schreibstil. Er setzt seine Worte sicher, schöpft aus einem breit angelegten Vokabular und versteht sich darauf, Spannung und Atmosphäre mit seinen Sätzen zu kreieren.

Der Schreibstil ist es schließlich, der „Sechseläuten“ zum Prädikat eines überdurchschnittlichen Kriminalromans verhilft. Hinzu kommt eine außergewöhnliche Thematik, die aber in der Handlung nicht immer spannend umgesetzt wurde.

|ISBN-13: 978-3-550-08750-9
327 Seiten, Hardcover|
http://www.ullstein.de

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[„Im Sommer sterben“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3471
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