Turner, Megan Whalen – Dieb, Der (Die Legenden von Attolia 1)

_|Die Legenden von Attolia|:_

Band 1: [„Der Dieb“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7530
Band 2: [„Die Königin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7531
Band 3: [„Der Gebieter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7532
Band 4: „A Conspiracy of Kings“ (noch ohne dt. Titel)

_Gen hat einfach_ nicht gelernt, den Mund zu halten. Nun sitzt er im Gefängnis und denkt über seinen Übermut nach. Da wird er überraschend aus seiner Zelle und zum Magus des Königs geschleppt. Der bietet ihm die Freiheit an, wenn Gen ein kostbares, mythisches Artefakt für ihn stiehlt …

_Man kann_ von diesem Buch nicht unbedingt behaupten, dass es sich durch Komplexität auszeichnete. Die Geschichte ist in der Ich-Form aus Gens Sicht erzählt und Gen beschränkt sich dabei auf das Offensichtliche. Zwar beobachtet er die Mitglieder seiner Reisegesellschaft, aber seine Schlussfolgerungen behält er für sich.

Das führt dazu, dass die Charakterzeichnung eher dürftig geraten ist. Der Magus, ein Gelehrter und königlicher Berater, wirft zwar zu Beginn noch mit Drohungen um sich, stellt sich mit der Zeit aber als gar nicht so unfreundlich heraus. Sophos ist ein Lehrling des Magus, schüchtern, freundlich und sehr intelligent, dafür aber ein schlechter Reiter und Fechter. Ambiades, der andere Lehrling, ist eingebildet und unzufrieden und nutzt deshalb jede Gelegenheit, Sophos dessen „Mängel“ unter die Nase zu reiben. Pol dagegen gibt den schweigsamen, kompetenten Kämpfer.

Auch Gen selbst bleibt eher blass, denn alle seine Gedanken, die über die Beurteilung der aktuellen Situation hinausgehen, sind so vage, dass sie so gut wie nichts über ihn aussagen. So zeichnet er sich den größten Teil der Zeit durch seine große Klappe und sein ständiges Gemaule aus.

Da Gen seine Geschichte selbst erzählt, besteht die Handlung auch nur aus einem einzigen Handlungsstrang. Und die Hälfte dieses Strangs handelt von der Reise zum Ort des Diebstahls. Außer einiger mehr oder weniger heftiger Geplänkel zwischen Gen und Ambiades sind nur die Legenden erwähnenswert, die sowohl als Abendunterhaltung als auch als Unterricht für die Lehrlinge dienen und nebenbei die Welt etwas auszubauen, in der die Geschichte spielt.

Leider hat die Autorin sich da zu einem ganz erheblichen Teil von der altgriechischen Geschichte inspirieren lassen. Das Götterpantheon bis hin zu den Namen der Götter, aber auch andere Figuren wie Asklepios und Archimedes sind dort entliehen und teilweise – wenn überhaupt – nur geringfügig modifiziert. Das Nachwort der Autorin legt nahe, dass all dies für den durchschnittlichen Amerikaner durchaus neu und interessant sein könnte, dem durchschnittlichen Europäer dagegen dürfte fast alles davon bekannt vorkommen.

Immerhin zieht ab der Mitte des Buches die Spannung ein wenig an. Das Versteck der Geheimtür war zwar ziemlich offensichtlich, trotzdem war es nicht einfach für Gen, das Artefakt zu finden und zu bergen, und der Rückweg verläuft auch nicht mehr so glatt wie der Hinweg.

Mit den Komplikationen nehmen allerdings auch logische Haken zu. Der Magus hat ein solches Geheimnis um das Artefakt gemacht und trägt es nun offen über der Kleidung um den Hals? Und wie passen Pols Maßnahmen an der Klippe zu seinem eigentlichen Auftrag, nämlich zuerst und vor allem Sophos zu beschützen? Und wieso wurde Gen bei seiner Gefangennahme sein Werkzeug nicht abgenommen, obwohl seine Identität offenbar bekannt war? Den gravierendsten Punkt kann ich an dieser Stelle allerdings nicht erwähnen, ohne den Clou des gesamten Buches zu verraten.

Anderes, wie zum Beispiel die Art und Weise, in der es Gen gelingen konnte, schwer verletzt und gleichzeitig unbemerkt aus einem Gästezimmer in einen schwerbewachten Kerker zu gelangen, hat die Autorin erst gar nicht beschrieben.

Sehr gelungen fand ich dagegen den Schluss des Buches. Da Gen stets so knauserig mit gehaltvollen Gedankengängen war, kommt die Auflösung der Handlung wirklich überraschend. Und so manche Äußerung, die mir während des Lesens nicht besonders auffiel oder mit der ich zunächst nicht wirklich etwas anfangen konnte, ergab in diesem Zusammenhang plötzlich einen neuen oder überhaupt erst einen Sinn.

_Insgesamt gesehen_ fand ich diesen ersten Band des |Attolia|-Zyklus nicht übermäßig gehaltvoll. Die lineare, einfach gestrickte Handlung und die starke Anlehnung an Teile der griechischen Mythologie sowie die oberflächliche Charakterzeichnung verhinderten, dass der Text die Art von Sog entwickelte, die ein gutes Buch auszeichnet. Auch die Spannung entwickelte sich nicht stark genug, um mich wirklich zu fesseln, dafür verlief vieles einfach zu glatt, Höhepunkte gab es keine. Allein das überraschende Ende bot einen echten Lichtblick, was zumindest diesen ersten Band des Zyklus bestenfalls zu einem leichten Happen für Zwischendurch macht.

Der zweite Band weitet den Handlungsrahmen auf den schwelenden Konflikt zwischen den drei Kleinstaaten und die Bedrohung durch den mächtigen Nachbarn jenseits des Meeres aus. Vielleicht gelingt es der Autorin, aus dieser Konstellation etwas mehr Spannung zu erzeugen, als sie bei der Queste des ersten Bandes zustande gebracht hat.

_Megan Whalen Turner_ stammt aus den USA, studierte Anglistik und arbeitete zunächst als Buchhändlerin, ehe sie sich dem Schreiben zuwandte. Zunächst veröffentlichte sie Kurzgeschichtensammlungen, „Der Dieb“ ist ihr erster Roman. Zwei der Folgebände, „Die Königin“ und „Der Gebieter“, sind ebenfalls bereits auf Deutsch erhältlich, der vierte Band erschien im März des vergangenen Jahres auf Englisch unter dem Titel „A Conspiracy of Kings“.

|Taschenbuch 297 Seiten
Originaltitel: Attolia 1: The Thief
Deutsch von Maike Claußnitzer
ISBN-13: 978-3-442-26843-6|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet/
[meganwhalenturner.org ]http://meganwhalenturner.org/index.html

Schreibe einen Kommentar