Tony Hillerman – Sacred Clowns (Navajo Tribal Police 11)

Heilige Clowns und dunkle Machenschaften

Während einer heiligen Kachina-Zeremonie im Tano-Pueblo erfüllen die Kapriolen der tanzenden heiligen Clowns, der koshare, die Zuschauer mit Spannung. Nur wenige Minuten später wird einer dieser Clowns erschlagen aufgefunden. Es ist die gleiche Todesart wie bei einem Lehrer in der Navajo-Reservation ein paar Tage zuvor. Könnte der weggelaufene Junge Delmar Kanitewa, dessen Onkel der Clown war, die Verbindung sein? Doch Kanitewa ist unauffindbar.
Die Polizeibeamten Jim Chee und Lieutenant Joe Leaphorn glauben, dass die Antwort auf die Rätsel der Verbrechen in der letzten verschlüsselten Botschaft des heiligen Clowns an das Tano-Volk liegt. Aber um die Botschaft zu entschlüsseln, müssen die zwei Navajo-Polizisten sich mit den streng gehüteten Geheimnissen des Stammes befassen…

Der Roman erschien bei uns unter dem irreführenden Titel „Geistertänzer“.

Der Autor

Tony Hillerman (27.5.1925 bis 26.10.2008) war ein vielfach ausgezeichneter amerikanischer Kriminalschriftsteller und Autor von Sachbüchern über das Indianerland im Südwesten. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Krimis um die Stammespolizei der Navajos. Sie wurden regelmäßig verfilmt.

Die Leaphorn und Chee Reihe:

Kriminalromane bei den Diné

The Blessing Way, 1970 (Wolf ohne Fährte, 1972) – ISBN 3-499-43022-3 (1993) – ISBN 3-499-23041-0 (2001)
Dance Hall of the Dead, 1973 (Schüsse aus der Steinzeit, 1976) – ISBN 3-499-42810-5 – ISBN 3-442-0599-09 (2001)
Listening Woman, 1978 (Das Labyrinth der Geister, 1989) – ISBN 3-499-42857-1 – ISBN 3-499-23898-5 (2005)
People of Darkness, 1980 (Tod der Maulwürfe, 1982) – ISBN 3-499-42853-9 – ISBN 3-499-43269-2 (1997)
The Dark Wind, 1982 (Karo Drei, 1984, unter dem Titel Der Wind des Bösen, 1989) – ISBN 3-499-42849-0
The Ghostway, 1984 (Das Tabu der Totengeister, 1987) – ISBN 3-499-42807-5 – ISBN 3-499-43371-0 (2000)
Skinwalkers, 1986 (Die Nacht der Skinwalkers, 1988) – ISBN 3-499-42846-6 – ISBN 3-499-43270-6 (2002)
A Thief of Time, 1988 (Wer die Vergangenheit stiehlt, 1990) – ISBN 3-499-23048-8
Talking God, 1989 (Die sprechende Maske, 1990) – ISBN 3-453-05649-3 – ISBN 3-499-22869-6 (2001)
Coyote Waits, 1990 (Der Koyote wartet, 2000) – ISBN 3-499-43377-X
Sacred Clowns, 1993 (Geistertänzer, 1995) – ISBN 3-442-43036-4
The Fallen Man, 1996 (Tod am heiligen Berg, 1998) – ISBN 3-499-23111-5
The First Eagle, 1998 (Die Spur des Adlers, 2000) – ISBN 3-499-43364-8
Hunting Badger, 1999 (Dachsjagd, 2001) – ISBN 3-499-23332-0
The Wailing Wind, 2002 (Das goldene Kalb, 2003) – ISBN 3-499-23355-X
The Sinister Pig, 2003 (Dunkle Kanäle, 2004) – ISBN 3-499-23688-5
Skeleton Man, 2004 (Der Skelett-Mann, 2006) – ISBN 3-499-24118-8
The Shape Shifter, 2006 – ISBN 978-0060563479

Fortsetzung der Leaphorn/Chee Serie

Im Jahre 2013 veröffentlichte Tony Hillermans Tochter Anne mit Spider Woman’s Daughter (ISBN 0062270486) eine Fortsetzung der Kriminalromanserie mit Bernadette Manuelito als Protagonistin. im Jahre 2015 folgt mit „Rock with Wings: A Leaphorn, Chee & Manuelito Novel“ (ISBN 978-0062270511) eine weitere Fortsetzung der Kriminalromanserie aus der Feder von Anne Hillerman.

Verfilmungen

– The Dark Wind, 1991, Regie: Errol Morris, Hauptrolle: Lou Diamond Phillips (Jim Chee); deutsch unter dem Titel Canyon Cop, 1995

Für den US-amerikanischen Sender PBS:

Executive Producer: Robert Redford
Hauptrollen: Wes Studi (Joe Leaphorn) und Adam Beach (Jim Chee)

– Skinwalkers, 2002
– Coyote Waits, 2003
– A Thief of Time, 2004

Handlung

Jim Chee, ein Beamter der Navajo-Stammespolizei im größten Indianer-Reservat der USA, hat von seinem Vorgesetzten einen scheinbar banalen Auftrag erhalten: Er soll einen weggelaufenen Schüler finden. Er macht diesen Job eigentlich nur, um dafür den Streifen eines Sergeants belohnt zu werden. Es ist zugleich eine Bewährungsprobe: Lt. Joe Leaphorn, sein neuer Boss, will mal sehen, ob der junge Jim in der Lage ist, einen solchen kleinen Auftrag erfolgreich auszuführen. Doch es kommt anders.

Tod eines Clowns

Delmar Kanitewa ist der Sohn eines Navajo-Vaters und einer Tano Frau, zugleich aber der Enkel einer wichtigen Ratsfrau des Navajo-Stammes. Da Francis Sayesva, ein heiliger Clown des Tano-Stammes, ein Onkel des Jungen mütterlicherseits ist, hält Jim Chee bei derjenigen Kachina-Zeremonie nach Delmar Ausschau, bei der dieser Onkel auftreten soll. Drei weitere Bekannte begeben sich mit Jim aufs Dach des Pueblo-Gebäudes, darunter die von ihm angehimmelte Indianer-Anwältin Janet Pete.

Die Kapriolen der Clowns fesseln die Aufmerksamkeit der Zuschauer und bringen sie zum Lachen. Der Koshare, auf den Jim achten will, vollführt ebenfalls Kapriolen und Streiche – bis das Gelächter auf einmal verstummt: Die Clowns haben eine Pantomime aufgeführt, die nicht gut ankommt. Jim entgeht die Bedeutung leider. Auch von Kanitewa erhascht Jim einen Blick, doch dann ist der Junge, der offenbar gleich selber auftreten soll, verschwunden. Wenige Minuten später ertönen Schreie aus einer Gasse hinter dem Zeremonienplatz: Francis Sayesva, der heilige Clown, ist erschlagen aufgefunden worden.

Tod eines Lehrers

Anders als von Jim erwartet macht ihn Lt. Joe Leaphorn keineswegs zur Schnecke. Vielmehr scheint der alte Hase darüber nachzudenken, ob es vielleicht eine Verbindung zu dem Mord an einem beliebten Lehrer Eric Dorsey an einer Schule gibt, einer anderen als der, die Delmar Kanitewa besuchte. Die Todesart ist allerdings die gleiche: ein harter Schlag auf den Hinterkopf. Man hat bereits Eugene Akeah, den Betreiber des Ladens dieser Missionsschule verhaftet.

Die zwei Morde involvieren die Polizisten der Weißen, teils die Bundespolizei FBI, teils das Büro für Indianerangelegenheiten BIA. Während Leaphorn mit seinem alten FBI-Kollegen Dilly Streib zu Akeah fährt, düst Chee mit dem BIA-Agenten Harold Blizzard zu Delmars Mutter, die natürlich den Erschlagenen kannte: Francis Sayesva war ihr Bruder. Entgegen ihrer ersten Aussage erzählt sie dem Indianerpolizisten Chee ganz neue Aspekte des Falls: Delmar wollte seinen Onkel, den heiligen Clown, besuchen, um ihm ein Päckchen zu übergeben. Aber da es wohl religiöser Natur war, fragte sie ihn respektvoll nicht nach dessen Inhalt. Es könnte eine längliche Figur gewesen sein. Aber selbst jetzt kann sie nicht sagen, wo sich ihr Sohn befindet.

Leaphorn kommt auch nicht weiter: Eugene Akeah streitet vehement ab, seinen Freund Eric Dorsey getötet zu haben. Aber was haben dann all die Silberbarren und Schmuckstücke zu bedeuten, die die Polizisten – nach einem anonymen Tipp – unter Eugenes Wohnwagen gefunden haben? Woher stammt dieses Diebesgut? Etwa aus seinem Laden? Eugene kann sich den Fund nicht erklären. Jedenfalls sitzt er tief in der Tinte.

Im Versteck

Das vorläufige Fazit ist enttäuschend: Weder Chee noch Leaphorn können etwas vorweisen, das sie dem Staatsanwalt übergeben könnten. Lediglich Hinweise, Parallelen, Verbindungen – aber keine Beweise. Erst als Delmar wieder von Blizzard gefunden wird, ergeben sich neue Informationen. Als Chee den BIA-Agenten trifft, wird er enttäuscht: Delmar hat den Moment des Anrufs genutzt, um gleich wieder abzuhauen. Da fällt Jim ein, den Schulbusfahrer zu befragen, und so kommen sie zu Delmars bestem Freund Felix Bluehorse. Dieser erklärt ihnen, dass Delmar auf der Flucht vor dem Mörder von Eric Dorsey sei. Er habe den Mann, einen Weißen, gesehen und sei sicher, er sei in Gefahr. Kein Wunder, dass sich Delmar versteckt hält.

Erst unvorhergesehene Ereignisse führen die beiden Ermittler zu einem sehr komplizierten Bild, in dem sich langsam eine perfide Verschwörung abzeichnet…

Mein Eindruck

Tony Hillermans elfter Indianer-Krimi ist erstaunlich vielschichtig und komplex. Deshalb bringt eine noch weiter gehende Handlungsskizze auch nicht besonders viel Erkenntnisgewinn. Es geht um Korruption, den Ausverkauf der indianischen Religion und Kultur und um Umweltfragen. Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz, aber sie hat es angesichts der beiden vielbeschäftigten Polizisten verdammt schwer, die Oberhand zu behalten.

Auch in dem riesigen Navajo-Reservat, das größer als so manches europäisches Land ist, sind Pläne wie etwa für eine Giftmülldeponie nicht gerade unumstritten. Abstimmen dürfen die Mitglieder des Navajo-Stammesrates und die „Gouverneure“, der verschiedenen Pueblos wie etwa der Tano. Der Umweltaktivist Roger Applebee hat diese Leute aufs Korn genommen, um dem Widerstand seiner Bewegung „Nature First“ zum Erfolg zu verhelfen.

Er will die Deponie mit unerlaubten Tricks verhindern und zeiht das Ratsmitglied Jimmy Chester der Korruption. Er kann ja viel behaupten, meint Jim Chee, aber könne er auch Beweise beibringen? Schwupps landet eine Kassette in Jims Post, die ein illegal abgehörtes Telefongespräch zwischen Chester und einem anderen Rancher enthält. Dabei wird eine bestimmte Summe genannt. Geht es um Bestechung? Der Verdacht liegt nahe.

Die Aufnahme wirbelt im Reservat viel Staub auf, als sie auf dunklen Wegen zum Radio gelangt und dort gesendet wird. Hui! Joe Leaphorn weiß nicht, wie ihm geschieht, als er auf einmal zu seinem Chef und dessen Besucher Jimmy Chester zitiert wird: Er wird stante pede vom Dienst suspendiert. Er ahnt noch nicht, dass dies eigentlich auf Jimmy Chees Konto geht…

Das Problem des Heilers

Jim Chee wandelt auf Freiersfüßen und betet Janet Pete an, die Pflichtverteidigerin der Reservatsverwaltung. Dabei taucht für ihn unversehens ein Problem, das eigentlich nur er haben kann (sagt Leaphorn ausgerechnet zu Janet Pete): Chee ist Traditionalist und will ein Heiler werden. Daher hat er beste Kontakte zu anderen Heilern und diese wiederum stellen die mündliche Überlieferung der gesamten Stammesgeschichte dar.

Weil er so auf Tradition bedacht ist, vermeidet er jedes Tabu. Aber wenn nun Janet seine Schwester wäre, beginge er Inzest. Deshalb muss er herausfinden, von welchem Clan Janets Vater abstammt: Es ist der Hunger-Clan. Dessen Geschichte führt weit in die Jahre der Verfolgung durch US-Armee und Ute-Indianer im 19. Jahrhundert zurück. Der Hunger-Clan bestand aus Flüchtlingen, die sich erfolgreich verstecken konnten und so dem Todesmarsch ins KZ Bosco Redondo (man lese dazu „Shapeshifter“) entging. Diese Auskunft klingt gut, findet Jim. Aber nicht gut genug, finden die alten Männer. Die alte Frau pfeift ihnen was: entscheidend sei der Clan der Frau. Na, und der kommt aus Schottland, wie Janet erzählt…

Gerechtigkeit oder Heilung

Ein weiteres Problem, das Jim in seiner Beziehung lösen muss, ist die unterschiedliche Auffassung von Justiz. Für Janet besteht Gerechtigkeit in der Ausübung von Strafen. Davon hält der Navajo gar nichts, und das kann er ihr anhand eines gesuchten Mannes, der unwissentlich Fahrerflucht beging, beweisen. Er zieht die Heilung dieser Situation jede Bestrafung vor, denn nur so wird etwa für die betroffenen Menschen erreicht.

Verschiedene Welten

Dass zwei Menschen nicht immer das Gleiche verstehen, wenn sie das Gleiche betrachten, wird vielfach belegt, und das führt zu einer besonderen Art der Ironie. Die Eingangsszene mit den heiligen Clowns gehört dazu: Dass der Koshare Sayesva einen indianischen Gegenstand der Ehre in einen Karren mit an Weiße verkauften Dingen legt, bedeutet eine Anklage der Korruption – Jim Chee versteht diesen Hinweis nicht, da er nicht weiß, was es mit diesem Objekt auf sich hat.

Umgekehrt weiß er genau, warum der John-Ford-Western „Cheyenne Autumn“ für Navajos so witzig ist, für einen Cheyenne wie Harold Blizzard aber nicht. Der Witz bei dieser Geschichte ist der, dass die von Ford verwendeten Indianerdarsteller allesamt Navajo waren und natürlich ihre eigene – unverständliche – Sprache benutzten, um über Ford und alle Weiße im Film unanständige und anzügliche Bemerkungen zu machen – vor laufender Kamera, wohlgemerkt. Auch auf diese Weise kann also ein Filmjuwel und Kultfilm entstehen.

Unterm Strich

Man muss schon bei der Sache bleiben und gut Englisch verstehen können, um diesen bislang unübersetzten Indianerkrimi verstehen und genießen zu können. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält der Leser Zugang zu einem komplexen Fall, der nicht zuletzt Kultur und Religion der Navajo verständlich macht. Dabei bleibt die Spannung durchaus nicht auf der Strecke.


Humor

Witzig ist nicht nur der oben genannte „Culture Clash“, sondern auch die anfangs seltsam anmutende Teilung der Zuständigkeiten. Alles was mit Navajo und dem Reservat zu tun hat, fällt in Leaphorns Zuständigkeit. Jim Chee soll eigentlich nur den Fahrer suchen, der Fahrerflucht begangen hat, sowie den Jungen, der sich versteckt hat. Aber weil der Junge die Verbindung zwischen dem Mord an Eric Dorsey und Francis Sayesva darstellt, verwischen sich sofort die Grenzen der Zuständigkeit.

Leaphorn redet mit dem FBI, Chee mit der BIA und der Anwältin Akeahs. Auf einmal geht alles kreuz und quer, und erst als Leaphorn und Chee – da ist Leaphorn bereits suspendiert – gehabt haben, erhält der Fall etwas Konturen. Durch den Mund seiner Figuren erhebt der Autor die Forderung nach einer indianischen Polizeibehörde, die übergreifende Kompetenzen hat. Davon will das FBI im Buch natürlich nichts wissen. So bleibt es wohl bei dem Kompetenzwirrwarr.

Frauenfiguren

Besonders gefiel mir die intelligente, erwachsene Darstellung der Frauenfiguren in Hillermans Roman (nicht nur in diesem). Janet Pete ist ebenso intelligent, smart und gefühlvoll wie Leaphorns Freundin Louisa Bourbonette, eine Professorin. Die Stationssekretärin Victoria ist die Seele des ganzen Ladens, und wehe, ein Kerl kommt der Großmutter von Delmar Sayesva blöd! Bei den Navajo haben die Frauen wesentlich mehr zu sagen und erfahren mehr Achtung als die Frauen bei den „bilagaana“, den Weißen.

Action gibt es recht wenig, und wer so etwas sucht, wird nur am Schluss des Romans fündig werden. In dieser Hinsicht gibt „Shapeshifter“ mehr her – siehe meinen Bericht.

Taschenbuch: 384 Seiten
Info: Sacred Clowns, 1993 (HC)
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0061808364

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)