_Der lange Fluch: das Gold von Butch Cassidy_
In New Mexico versieht Jim Chee bei der Stammespolizei der Navajo-Indianer seinen Dienst. Über Funk hört er mit, wie sein Freund und Kollege Delbert Nez einem anderen Autofahrer hinterherfährt und lacht. Doch Delbert trifft nie am Treffpunkt ein. Als sich Jim Chee auf die Suche macht, findet er Delbert sterbend in einem brennenden Auto vor – und einen alten Indianer mit einer rauchenden Pistole nicht weit entfernt. Für das FBI ist der Fall sonnenklar: Der Mörder ist der alte Schamane. Doch für Chee ergeben sich immer mehr Fragen, je näher er sich mit dem Rätsel dieses Mordes befasst …
_Der Autor_
Tony Hillerman (27.5.1925 bis 26.10.2008) war ein vielfach ausgezeichneter amerikanischer Kriminalschriftsteller und Autor von Sachbüchern über das Indianerland im Südwesten. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Krimis um die Stammespolizei der Navajos. Sie wurden regelmäßig verfilmt.
|Die Leaphorn und Chee Reihe:|
1) The Blessing Way (1970) ISBN 0-06-011896-2
2) Dance Hall of the Dead (1973) ISBN 0-06-011898-9
3) Listening Woman (1978) ISBN 0-06-011901-2
4) [People of Darkness (1980)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8119 ISBN 0-06-011907-1
5) The Dark Wind (1982) ISBN 0-06-014936-1
6) The Ghostway (1984) ISBN 0-06-015396-2
7) Skinwalkers (1986) ISBN 0-06-015695-3
8) A Thief of Time (1988) ISBN 0-06-015938-3
9) Talking God (1989) ISBN 0-06-016118-3
10) Coyote Waits (1990) ISBN 0-06-016370-4
11) Sacred Clowns (1993) ISBN 0-06-016767-X
12) The Fallen Man (1996) ISBN 0-06-017773-X
13) The First Eagle (1998) ISBN 0-06-017581-8
14) Hunting Badger (1999) ISBN 0-06-019289-5
15) The Wailing Wind (2002) ISBN 0-06-019444-8
16) The Sinister Pig (2003) ISBN 0-06-019443-X
17) Skeleton Man (2004) ISBN 0-06-056344-3
18) The Shape Shifter (2006) ISBN 978-0-06-056345-5
|Filmographie:|
1) The Dark Wind (1991)
2) Skinwalkers (2002)
3) Coyote Waits (2003)
4) A Thief of Time (2004)
5) Skinning the Night: American Mystery (DVD)
Die Übersetzungen der Krimis erscheinen bei Rowohlt.
_Handlung_
Stammespolizist Jim Chee hat einen langen Arbeitstag hinter sich und freut sich auf eine gemütliche Tasse Kaffee mit seinem befreundeten Kollegen Delbert Nez. Doch dazu soll es nicht kommen. Irritiert hört Jim über den immer wieder unterbrochenen Funk mit, wie Delbert beginnt, einen Wagen zu verfolgen. Es soll sich um den Verrückten handeln, der angefangen, eine bestimmte Bergkette weiß anzustreichen. Jim hört Delbert belustigt auflachen, bevor der Funkkontakt vollends abbricht.
Im vereinbarten Café taucht Delbert nicht auf. Nervös fährt Jim los, um ihn zu suchen. Er muss irgendwo an der Route 33 stehen. Kurz bevor er einen Lichtschein bemerkt, sieht er, wie der Jeep eines vietnamesischen Schullehrers aus der Nähe abbiegt, aber nicht auf Jim reagiert. Der Lichtschein rührt nicht von einem Lagerfeuer her, sondern von Delbert Nez’s Einsatzfahrzeug, das in hellen Flammen steht. Sein Kollege sitzt noch darin, mit zwei Löchern in der Brust.
Jim Chees anschließender Einsatz macht Schlagzeilen. Wie er sich die linke Hand verbrannte, als er die Fahrertür des Wagens aufzog, um den Insassen mit der Rechten herauszuziehen. Doch Nez ist noch angeschnallt. Die ganze Aktion führt dazu, dass Chee für mehrere Wochen im Krankenhaus landet. Doch sein Einsatz ist noch nicht beendet. Er nimmt einen alten Navajo fest, der mit einer Whiskeyflasche und einer Pistole im Hosenbund die Landstraße entlangschlendert. Ashie Pinto leistet bei seiner Festnahme keinen Widerstand. Er sagt nur immer wieder. „I am ashamed – ich schäme mich.“
Aber mehr leider auch nicht. Die Pistole in seinem Gürtel erweist sich als die Tatwaffe. Für die zuständige Bundespolizei – jedes Reservat liegt auf Bundesbesitz – ist der Fall sonnenklar: Es kommt nur Ashie Pinto als Täter infrage. Aber Jim Chee fragt sich, wieso ein so angesehener Schamane – ein Kristallseher – wie der über 80 Jahre alte Ashie Pinto ohne fahrbaren Untersatz die rund 320 Kilometer zwischen seinem Wohn- und seinem „Fundort“ bewältigt hat. Es muss noch jemand anderen geben, der als Zeuge oder gar als Mittäter vor Ort gewesen sein muss. Neugierig macht sich Jim auf die Suche …
Lt. Joe Leaphorn von der Stammespolizei der Navajo erhält Besuch von zwei Frauen. Der Witwer, der seine geliebte Frau Emma durch eine langwierige Krankheit verlor, starrt neugierig auf die Visitenkarte der einen Frau: Prof. Louisa Bourebonette von der Uni Flagstaff in Arizona. Die Professorin drückt sich sehr deutlich und entschlossen aus. Im Unterschied zu der anderen Frau. Mrs. Keeyaneeh ist mit Ashie Pinto verwandt, eine Navajo. Beide weigern sich zu glauben, dass der alte Schamane etwas mit dem Mord an Officer Nez zu tun haben könne. In der Tat weisen sie auf einige Ungereimtheiten hin.
Zu seinem größten Bedauern sieht Lieutenant Joe Leaphorn keine Möglichkeit, diesen Fall, für den ja nur das FBI zuständig ist, an jemand anderen abzugeben. Jim Chee, der tapfere Held, liegt ja noch bandagiert im Krankenhaus. Und das FBI hat so schlampig ermittelt, dass in der Akte nicht einmal der Jeep vermerkt ist, den Chee gesehen hat. Und so macht sich Leaphorn an die Arbeit, um einen Fall zu untersuchen, mit dem er offiziell nichts zu tun hat und an dem bereits Jim Chee arbeitet.
Von unterschiedlichen Seiten arbeiten sich die beiden Polizisten an die unglaubliche Wahrheit heran, die zu diesem rätselhaften Verbrechen an einem Cop geführt hat …
_Mein Eindruck_
In dieser Folge der Chee & Leaphorn-Serie geht es um die Leute, die an der Navajo-Kultur und am Indianerland interessiert sind. Dieses Interesse kann sich positiv auswirken oder schlimme Folgen haben. Da sind zunächst die Akademiker wie Prof. Bourebonette, aber es gibt auch Leute wie Dr. Tagert, ein Historiker und sein Assistent Redd Odell.
|Alte Zeiten|
Immer wieder ackert beispielsweise Jim Chee die Erzählungen Ashie Pintos durch, die dieser Dr. Tagert auf Band aufnehmen ließ. Zunächst scheint die Transkription, die Odell anfertigte, ganz in Ordnung zu sein, doch als Chee sie mit dem O-Ton vergleicht, stößt er auf eine bemerkenswerte Lücke. Diese betrifft den Tatort, an dem Delbert Nez ums Leben kam.
Pinto erzählt dem seit Wochen verschwundenen Tagert von einer Zeit vor mindestens 80 bis 100 Jahren, als die Navajo und Pueblo noch gegen die Ute-Indianer selbständig vorgehen durften, um sich gegen Viehdiebstahl zu wehren. Angeführt von einem Navajo, holten Pueblo-Männer ihr gestohlenes Vieh zurück. Doch dann kam es in dem Malpais-Land, auf dem Delbert Nez starb, zu einer Begegnung mit Weißen.
Diesen Weißen galt das Interesse von Dr. Tagert und Redd Odell. Es sollte sich um Butch Cassidy und seinen letzten Kumpel handeln. Und Butch Cassidy sollte die Beute von seinem letzten, gescheiterten Beutezug dabei gehabt haben. Die Weißen nutzten das Indianerland als Versteck. Leider suchten sie sich ausgerechnet jene Felsformation aus, die als Wohnstätte von Coyote gilt.
|Coyotes Land|
Coyote, einer der heiligen Leute der mythischen Vorzeit der Navajo, ist bei vielen Stämmen des Südwestens als Trickster bekannt. Er ist der Außenseiter unter den Mächten. Seinem Rat ist nicht zu trauen, denn er sagt das eine und tut das andere. Wie Pinto, der Schamane, es Chee im Knast haarklein erklärt, sind alle Anhänger von Coyote „skinwalker“: Sie sehen außen wie Menschen aus, doch inwendig sind sie etwas anderes. Landläufig bezeichnen die Navajo sie auch als Hexer. Nach jedem Kontakt mit ihnen muss eine Reinigungszeremonie an jedem praktiziert werden, der mit ihnen zu tun hatte.
In seiner Chronik erwähnt Pinto, dass alle Navajo und Pueblo, die mit den beiden Weißen der Gegend zu tun hatten, gereinigt wurden, doch ihr Anführer unterzog sich auch einer Geisterreinigung. Pinto beschrieb den Ort ganz genau, wo die Weißen sich versteckten. Tagert und Odell kapieren sofort: Hier wartet ein Schatz darauf, gehoben zu werden. Und Coyote freute sich schon auf neue Opfer. Nur dass es für Weiße keine Reinigungszeremonie geben kann. Das Unheil nahm seinen Lauf. Aber war auch Delbert Nez verflucht?
|Vernunft|
Auch wenn Chee als angehender Schamane an die Mythologie glaubt, Lt. Leaphorn tut es nicht. Er ist ein Rationalist. Er glaubt keinen Moment an uralte Flüche, die sich an allen, die an diesen Ort rühren, bewahrheiten. Er glaubt daran, dass man die Wahrheit erkennen kann, wenn man nur seinen Blickwinkel ändert, indem man den Standort ändert. Als er dies tut, entdeckt er, wer der verrückte Felsenmaler ist. Und dieser stellt sich als der wichtigste Zeuge heraus, den die Stammespolizei bislang aufgetrieben hat.
|Das FBI|
Obwohl dies ja gar nicht der Fall der Stammespolizisten ist. Es ist der Fall des FBI. Der Autor lässt kein gutes Haar am FBI. Jeder Mann, der einen originellen Gedanken hat, liberal ist oder für schlechte Publicity sorgt, wird beim FBI automatisch geschasst. Und natürlich mischt man sich nicht in die Arbeit der anderen Dienste ein. Wie etwa der CIA. Und die CIA scheint ihre Hand über jenen vietnamesischen Schullehrer zu halten, den Chee in der Nähe des Tatorts gesehen hat. Doch der Lehrer war in seiner Heimat ein Oberst der südvietnamesischen Streitkräfte, der eng mit der CIA zusammenarbeitete. Folglich war für das FBI tabu. Was ihm aber nicht hilft: Eines Tages findet man ihn tot in seinem Haus. Mit seinem eigenen Blut hat er zwei Botschaften an die Wand geschrieben, eine davon für Chee …
|Flüchtlinge|
Die Parallele ist unübersehbar. Auch der Oberst ist ein Flüchtling, der im spärlich besiedelten Indianerland ein Versteck suchte, genau wie Butch Cassidy und sein letzter Helfer. Es hat beiden nichts genützt. Sie hatten niemanden, der sie schützte. Denn dies ist auch das Land, das von Klapperschlangen beschützt wird. Vor 80 Jahren wollte kein Navajo auf Kriegszug gehen, weil die Schlangen noch auf der Jagd waren. Keiner wollte riskieren, von einer gebissen zu werden.
Und auch heute noch erfahren Jim Chee und seine Freundin janet Pete hautnah, wie nah die Schlangen sind. Aber Jim Chee ist erfahren genug, sich mit einer Schlange zu verbünden und so Coyote zu überlisten. Denn der gierige Weiße, der sich als Leichenfledderer und Schatzsucher betätigt, hat keinen Respekt vor Schlangen, besonders dann nicht, wenn sie ihn von seiner Beute abhalten wollen. Und so zahlt er eben den Preis. Wie sagt doch Jim Chee an einer Stelle? „Coyote wartet – und er ist immer hungrig.“
|Wahrheit|
Wer hat nun aber Office Delbert Nez erschossen und verbrannt? Obwohl er ständig mit bandagierter linker Hand herumläuft, ist es Jim Chee gelungen, eine ganz Reihe Verdächtiger zu ermitteln. Da ist der verrückte Felsenmaler, da ist der vietnamesische Lehrer, schließlich der verschwundene Dr. Tagert und sein Helfer Odell, schließlich noch Ashie Pinto. Nur mit Leaphorns Hilfe gelingt es ihm, alle Aussagen zusammenzufügen und noch einen Showdown zu überleben. Schließlich eilt Chee zum Gerichtssaal, um einen alten Mann vor dem Knast zu bewahren. Doch dort erlebt er eine Überraschung. Denn Coyote bekommt immer, was und wen er haben will. Und er kann warten.
_Unterm Strich_
Diesmal habe ich drei Tage für diesen Krimi gebraucht. Nach einem furiosen Auftakt, der darin gipfelt, dass Jim Chee seinen Freund Nez vor dem vollständigen Verbranntwerden bewahrt und Ashie Pinto verhaftet, plätschert die Handlung vor sich hin. Zunehmend hegen die beiden unabhängig ermittelnden Polizisten Chee und Leaphorn Zweifel, dass Pinto den Mord begangen haben kann. Selbst wenn er doch mit einer fast vollständig geleerten Flasche besten Whiskeys aufgegriffen wurde. Aber es muss Zeugen gegeben haben. Diese finden sich in der Tat, und zwar mehr als genug, um zwei weitere Morde aufklären zu können.
|Schatzsucher|
Der Fan, der sich für das Indianerland im Südwesten der USA interessiert, wird aufhorchen, wenn er auch vom Ende eines der berühmtesten Banditen aller Zeiten liest: Butch Cassidy und sein Kumpel Sundance Kid lieferten die Vorlage für einen der erfolgreichsten Western überhaupt. Paul Newman spielte den Cassidy und Robert Redford den Kid. Ihre Hole in the Wall Bande raubt so manchen Zug aus, bis die Pinkerton-Detektei, aus der das FBI hervorging (so schließt sich der Kreis im Roman), sie nach Bolivien vertrieb.
Dort soll die Miliz sie erschossen haben. Im Roman finden tagert & Co. beweise für eine Rückkehr der beiden – und zumindest Cassidy soll im Navajo-Reservat mit einem Schatz sein Ende gefunden haben. Diesen Schatz zu heben, treibt die stets gierigen Weißen an. Und natürlich können sie sich nicht einigen, wie sie die Beute ihrer Leichenfledderei aufteilen sollen. Was verhängnisvolle Folgen hat.
Diese Vorgeschichte herauszufinden, dauert seine zeit, und Jim Chee steht, als Invalider, unter keinerlei Zeitdruck. Wochen vergehen. Auch Leaphorn, der Rationalist, sieht sich keineswegs gedrängt, dem FBI in die Quere zu kommen, ganz im Gegenteil: Er wird davor ausdrücklich gewarnt. Aber keiner der beiden Cops kann es mit seinem Gewissen vereinbaren, einen Stammesangehörigen, der möglicherweise unschuldig ist, einfach so verurteilen zu lassen. Und so kommt das eine zum anderen.
Zum Vergnügen des Lesers arbeiten die zwei Cops nicht zusammen, wie es weiße Cops täten. Vielmehr sind sie einander keineswegs grün. Leaphorn betrachtet Chee als ruhelosen Grünschnabel, der das Unmögliche versucht: Schamane und Cop zugleich zu sein. Chee sieht sch von Leaphorn bevormundet und sogar verdächtigt. Offensichtlich habe die beiden eine Runde Gesprächstherapie nötig. Die uns zum Glück erspart bleibt.
Wie gesagt, herrscht zwischen dem furiosen Auftakt und dem feinen Showdown in Coyotes Felsformation recht wenig Action, sondern viel Rätselraten und Ermittlungsarbeit. Wer dafür zu ungeduldig ist, sollte sich temporeicheres Lesefutter suchen. Wer indianische Geduld mitbringt, wird mit einem feinen Indianerkrimi belohnt.
|Taschenbuch: 352 Seiten
ISBN-13: 978-0061099328|
http://harpercollins.com
_Tony Hillerman bei |Buchwurm.info|:_
[„Das Labyrinth der Geister“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1302
[„Das goldene Kalb“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1429
[„Dunkle Kanäle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1478
[„Die Nacht der Skinwalkers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1624
[„Der Skelett-Mann“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=2631