Der Roman ist im Grund eine echte Räuberpistole, nur dass sie sich um eine neue Computergeneration dreht.
|Der Autor|
Ian Watson gehört zu den besten britischen Autoren in der Science-Fiction und Fantasy, sicherlich aber ist er einer der intelligentesten. Er beherrscht es routiniert, eine verzwickte, aber spannende Handlung auf einigen gewagten wissenschaftlichen Theorien aufzubauen. In „Quantennetze“ ist die Anwendung der Quantenphysik auf die Computertechnik eine solche Theorie.
_Handlung_
Clare Conway, britische Wissenschaftlerin in Cambridge, wollte auf der Konferenz „Harte Fragen“ in Tucson, Arizona, eigentlich nur von ihrer Auffassung erzählen, dass das menschliche Gehirn auch als eine Art Lichtwellen-Computer betrachtet werden könne. Doch sie wollte dann doch nicht auf Jacks Begleitschutz verzichten, als ihr Foto, das sie splitternackt am Rivierastrand zeigt, in der Regenbogenpresse auftaucht – sehr zum Verduss ihrer Uni-Leitung. Jack, der, wiewohl verheiratet, in Clare verknallt ist, findet das Foto toll, insgeheim.
Im Wilden Westen Anfang des 21. Jahrhunderts angekommen, hat sie auch bald allen Grund dazu, für Jacks Anwesenheit dankbar zu sein: Zwei Leichen liegen in ihrem Hotelzimmer. Sie wird von einer verrückten, technikfeindlichen Sekte entführt. Deren Anführer, Gabriel Soul, hat von gefangen genommenen russischen Agenten erfahren, dass Clare eigentlich die Computerfirma QX im Silicon Valley besuchen soll, die den supergeheimen, superschnellen Quantencomputer Q hergestellt hat. Diesen Computer will der verrückte Gabriel mit Clares Hilfe vernichten – oder zumindest für seine eigenen Zwecke missbrauchen.
Doch als Gabe es wider alle Erwartungen und Hindernisse geschafft hat, sich den Q-Computer zu krallen, geschehen einige unerwartete Dinge mit der Realität. Q operiert in mehreren Paralleluniversen gleichzeitig und ist daher um mehrere Faktoren schneller als alle anderen Computer. Seine Dekodierungsgeschwindigkeit würde alle Geheimnisse von Wirtschaft und Regierung offen legen und manipulierbar machen.
Als der Computer erstmals von einem Unbefugten eingeschaltet wird, gehorcht er prompt. Der Befehl lautet: „Rette mich!“ Q ändert die Realität. Und nur Clare und Jack merken, dass die nun folgenden Realitätswechsel zu einer Katastrophe führen müssen. Jack überlebt – um einen hohen Preis.
_Mein Eindruck_
Der Roman ist im Grund eine rechte Räuberpistole, in der Gabriel Soul und mafiose Gestalten die Hauptrolle spielen. Clare und Jack, die beiden Unschuldsengel aus dem Elfenbeinturm der reinen Wissenschaft, sind lediglich unter die Räuber und Teufel gefallen, die in der modernen Wirtschaft den Ton anzugeben scheinen – und wenn man Bill Gates‘ Gebaren vor dem Gericht anschaut, dann könnte das auch hinkommen. Watson nutzt zahlreiche Gelegenheiten, ironische Seitenhiebe auszuteilen: Auf Konferenzen, Polizisten, Sektenführer, FBI, Computergenies und viele andere. Dennoch vermittelt er zudem einen |sense of wonder|: Nachdem Q eingeschaltet wurde, ist nichts mehr wie zuvor, und die Achterbahnfahrt beginnt.
Watson verrät mit vielen Details, dass er die Orte, die er beschreibt, selbst gesehen hat: San Francisco, Tucson, das Silicon Valley, und Cambridge sowieso. Er vermittelt das Gefühl, dass man seinen Angaben, da sie so glaubwürdig scheinen, bedingungslos vertrauen kann. Die „freiwillige Aufgabe der Ungläubigkeit“, wie Coleridge formulierte, wird umso leichter.
|Noch was:| Der Klappentext erzählt mal wieder Stuss: Clare hat den Computer Q nicht „vollendet“. Sie hat nur davon gehört.
|Originaltitel: Hard questions, 1996
Aus dem US-Englischen übertragen von Bernhard Kempen|