Willingham, Bill / Buckingham, Mark – Fables 1 – Legenden im Exil

|Um »Fables« wurde im Vorfeld eine Menge Wind gemacht. Das Erscheinen der deutschen Erstausgabe führte in der Fangemeinde zu erleichtertem Aufatmen. Endlich! Es gibt wieder Vertigo/DC-Produkte. Seit die deutschen Lizenzen von Speed zu Panini gewechselt waren, rumorte es in Chats, Fanzines und Foren. Jetzt ist klar: Nicht nur die alten Serien werden wiederbelebt, sondern auch neue gestartet. Panini macht ernst.|

Das Interesse an |Vertigo| ist verständlicherweise groß. Das |DC|-Label richtet sich mit seinem Programm an erwachsene Leser und sucht neue Themen fernab des abgegriffenen Superhelden-Kosmos zu etablieren. Anspruchsvoll, aber nicht langweilig, könnte das Motto der |Vertigo|-Serien lauten. Da geben sich Thriller wie »100 Bullets«, Horror-Western wie »Preacher« oder Science-Fiction-Szenarios wie »Planetary« ein munteres Stelldichein. Mit »Fables« öffnet sich nun ein neues Türchen ins |Vertigo|-Universum.

Die Geschichte spielt in New York. Aufgeregt und außer Atem reißt Jack die Tür zum Büro von Bigby Wolf auf. Etwas Schreckliches ist geschehen. Rose Red wurde ermordet … Na ja, jedenfalls sieht es ganz so aus. Ihre Wohnung ist voller Blut, die Leiche verschwunden. Wolf lehnt sich zurück und zieht an einer Zigarette, während Jack vor seinem Schreibtisch fast zusammenbricht. Sieht ganz so aus, als würde ein neuer Fall auf ihn warten.

Sheriff Bigby Wolf ist eine der Hauptfiguren des ersten |Fables|-Bandes. Schnell gesellt sich eine zweite an seine Seite, Snow White, die Assistentin des Bürgermeisters. Sie ist eine entschlossene Karrierefrau, er ein unrasierter Underdog. In Teamarbeit versuchen die beiden gegensätzlichen Charaktere, das Verschwinden von Rose Red aufzuklären.

»Fables 1 – Legenden im Exil« ist eine solide Detektivgeschichte. Es geht um Macht und Geld, ein bisschen vielleicht auch um Liebe und Gewalt. Wer jetzt allerdings einen Thriller oder ein explosives Actionszenario erwartet, liegt falsch. Die Geschichte spielt vor einem phantastisch-urbanen Hintergrund. »Fables« ist Urban Fantasy, ein bunter Mix aus Märchen, Mythen und Fabelwesen, angesiedelt in einer Großstadt. Neben dem Bösen Wolf, Schneewitchen und Rosenrot sind noch der Froschkönig, die böse Hexe und viele andere Märchenfiguren mit von der Partie. Sie wurden aus ihrer europäischen Heimat vertrieben und leben nun unerkannt im New Yorker Exil, genannt Fabletown.

Die Idee ist nicht neu. Die Verschmelzung von phantastischen Elementen mit städtischem Alltag ist aufregend und populär. Serien wie »Sandman«, »Die Bücher der Magie« oder »Courtney Crumrin« zeugen bereits davon. »Fables« könnte also ein großer Wurf sein, schließlich hat die Serie einen Haufen |Eisner Awards| abgeräumt.

Leider ist der erste Band ein wenig enttäuschend. Autor Bill Willingham entwickelt auf der einen Seite eine saubere Kriminalhandlung, auf der anderen Seite einen sauberen Fantasy-Hintergrund. Die beiden Elemente finden jedoch nicht zueinander. Oder mit anderen Worten: Die Suche nach Rose Red würde auch prima ohne Fabelwesen und Märchen funktionieren. Sie ist irdisch und unphantastisch. Die auf dem Cover groß angekündigte Stadt der Märchen- und Sagenfiguren entpuppt sich als schnödes Bühnenbild für einen durchschnittlichen Kriminalplot.

Die Bildwelten von Lan Medina passen zum Inhalt. Im krassen Gegensatz zu den wundervollen Covern ist die Zeichenart im Inneren konservativ und glatt. Ruhige Puppengesichter und ruhige Panels bestimmen das Gesamtbild. Nur hin und wieder, in Rückblenden, hat sich Medina zu einer etwas gewagteren Seitenführung hinreißen lassen mit Splashpages und verschnörkelten Rahmen.

Trotz der Fantasy-Geschichte, die eigentlich gar keine ist, und trotz der langweiligen Bildwelten fällt ein wichtiges Detail positiv auf, nämlich die Charaktere. Sicher, irgendwie sind es für den Mainstream geeignete Stereotypen. Sie wirken jedoch ausgesprochen lebendig und grenzen sich klar voneinander ab. So tragen die Figuren den Leser über die solide Handlung und das märchenhafte Bühnenbild hinweg.

Zum Schluss gelingt es Bigby Wolf und Snow White herauszufinden, was mit Rose Red geschehen ist. Die Gemeinde von Fabletown kann aufatmen, der Fall ist gelöst. Der erste Band von »Fables« geht zu Ende, weitere werden folgen. Und das ist gut so. Denn Bill Willingham beherrscht das Grundspiel der Szenarios. Gut gearbeitet ist »Fables 1« ohne Zweifel. Aber zum Fliegen reicht es noch nicht. Denn ein wenig träumen möchte man schließlich, wozu sind Märchen sonst da? Vielleicht hat Willingham sich ja gerade erst warm gemacht.

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