_Story_
Während die amerikanischen Truppen ständig Missionen in Übersee starten, verkommt das eigene Land langsam aber sicher zum Schlachtfeld. In New York herrschen katastrophale Zustände; ein Bürgerkrieg erschüttert die Stadt und trennt das Herz, Manhattan, von den umliegenden Gebieten. Doch nach Monaten verheerender Gefechte scheint der Waffenstillstand nur noch eine Frage der Zeit, was die Journalisten erstmals ermutigt, die Krisengebiete aufzusuchen und ein Bild des dortigen Grauens zu zeichnen.
Matthew Roth traut weder Augen noch Ohren, als er kurzfristig die Gelegenheit bekommt, mit dem berühmten Reporter Ferguson nach Manhattan zu fliegen, um einen Bericht über die Zustände der demilitarisierten Zone für die lokalen Nachrichten zu drehen. Doch die Landung mit dem Helikopter wird zum Fiasko; alle Insassen sterben durch Heckenschützen, und nur der völlig hilflose Roth überlebt das Scharmützel. Verzweifelt sucht er nach einem Ausweg und nimmt mithilfe seiner zurückgebliebenen Ausrüstung Kontakt zum Militär auf.
Doch auch sein Rettungsversuch endet blutig, führt ihm aber erstmals vor Augen, wie erniedrigend die Menschen in Manhattan mittlerweile leben und was ein Menschenleben hier überhaupt noch wert ist. Hin- und hergerissen zwischen den Gedanken, sichere Zuflucht zu finden oder eine überwältigende Story zu schreiben und somit auf der Karriereleiter steil emporzusteigen, kämpft er in den Ruinen der einst so prächtigen Stadt ums nackte Überleben und macht sich alsbald einen Namen. In einer Zeit nämlich, in der alle Hoffnung begraben scheint, sind Menschen wie er ein echter Lichtblick.
_Persönlicher Eindruck_
Eine sehr mutige Story ist es, die Brian Wood mit „DMZ“ entworfen hat; gleichzeitig ein apokalyptisches Endzeitszenario und eine äußerst gesellschaftskritische Sichtweise der Entwicklungen innerhalb der Vereinigten Staaten, bei der die Arroganz und Brutalität des Militärs insgeheim an den Pranger gestellt werden. Davon abgesehen sind auch die Charakterzeichnungen, die Wood im ersten Band entworfen hat, wahrlich fantastisch. Dies beginnt mit dem hochnäsigen Reporter Ferguson, der sich für unfehlbar hält und in seiner Überheblichkeit gar nicht zu begreifen vermag, was es heißt, im Bürgerkrieg zu leben. Die Medienberichte schienen für ihn nur Bilder einer fremden Welt zu sein, doch ereignen sich die schlimmsten Szenarien in diesem Fall vor der eigenen Haustür, was er in seinem naiven Leichtsinn nicht wahrhaben will.
Auf der anderen Seite steht mit Matthew Roth ein absolutes Greenhorn, das allzu leichtfertig als Kanonenfutter den Gehilfen spielen soll, nicht wissend, worauf er sich da überhaupt einlässt. Seine Berufung kommt völlig überraschend, und da er überhaupt keine Informationen über seinen Einsatz hat, ist er gänzlich verloren, als er das Attentat der Miliz überlebt. Doch in einer derartigen Extremsituation übermannt ihn sein Überlebensinstinkt; die erste Flucht gelingt und nach und nach gestatten ihm neue Gefährten, einen genaueren Blick in das schäbige Leben in Manhattan zu werfen.
Als dann aber eine Rettungsmission zur Befreiung des Praktikanten ziellos auf Zivilisten schießt, verliert Matt seine Glaubwürdigkeit und muss sich fortan alleine durch das Zentrum der Zerstörung kämpfen. Und erst dabei wird er der erschütternden Wahrheit gewahr; schwer verletzte Kinder, hungernde Familien, brutale Plünderer, Prostitution als Lebensgrundlage, ein völlig außer Gefecht gesetztes Gesundheitssystem, all das macht Manhattan in diesen Zeiten aus. Bilder, die Matt nur aus dem Fernsehen kannte und ihm beweisen, dass nichts schlimmer ist als die Realität, wenn sie einen derart bedrängt. Und ausgerechnet jetzt soll er sich als Nobody durchschlagen, ohne zu wissen, wo er von nun an hingehört und wem er vertrauen kann – und ohne zu begreifen, was eigentlich wirklich los ist.
Erschreckend und fesselnd sind sie, die postapokalyptischen Szenarien, die Wood hier entworfen hat; New York in Trümmern ist ein Bild, das seit dem 11. September kein Unbekanntes mehr ist. Doch wie eine Stelle in „DMZ“ treffend beschreibt, so herrscht in diesem Comic jeder Tag der 11. September. Zu sehen, wie bedeutende Protagonisten ihre Menschlichkeit gegen Waffen getauscht haben, zu sehen, wie das Militär skrupellos auf Landsleute schießt und die Schreckenstaten sowie den Mord von unbeteiligten Zivilisten, darunter auch Kinder, vertuschen möchte, aber auch zu sehen, wie sich der Hauptakteur inmitten einer solch aussichtslosen Situation, getrieben vom Willen zum Überleben, zurechtfinden muss, ist ein absolutes Novum, weil die komplette Story so realistisch und nahbar wirkt. Der Schauplatz der Gefechte ist real, und nicht erst seit den Flugzeugattentaten auf New York im Jahre 2001 scheinen Bilder, wie man sie hier zu sehen bekommt, nicht mehr unwahrscheinlich.
Doch noch erschreckender ist, dass man erst wachgerüttelt wird, als man sich vergegenwärtigt, dass die Handlung in den Vereinigten Staaten spielt. Weltweit sind derartige Niederträchtigkeiten Alltag; man toleriert sie schon fast, weil man selber nicht beteiligt oder betroffen ist und nimmt sie als gegeben hin. Doch jetzt ist es New York, eine so sicher geglaubte Stadt, vielleicht sogar die bekannteste Stadt der Welt, und schon verfinstern sich die Eindrücke im Verlauf der Story. An dieser Stelle soll jetzt keine Moralpredigt folgen, aber ist es nicht traurig, dass es eines Werkes wie „DMZ“ bedarf, um den Leuten die Bedeutung von Bürgerkrieg so authentisch wie möglich zu vermitteln? Meiner Meinung auf jeden Fall. Aber es spricht zweifelsohne für den Autor und seinen Kollegen Richard Burchielli, dass einem solche Gedanken überhaupt erst kommen. „DMZ“ regt zum Nachdenken an, offenbart eine schonungslose Realität und bietet darüber hinaus auch noch einen eiskalten, teils sehr actionreichen Plot, der einen von der ersten bis zur letzten Seite vor Begeisterung und Erschütterung gleichsam lähmt. Oder mit anderen Worten: ein Meisterwerk, das hier seinen Anfang nimmt und dessen Fortsetzung mit großer Spannung erwartet wird.
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