Andreas Eschbach – SUBmarin (Saha-Trilogie 2)

Flüchtlingsdrama: Der Kampf der Mittlerin

Die Fortsetzung von „Aquamarin“. – Noch immer kann es Saha kaum glauben: Sie ist ein Submarine, halb Mensch, halb Meermädchen. Gemeinsam mit ihrem Schwarm erkundet sie den Ozean. Als Saha auf den mysteriösen Prinzen des Graureiter-Schwarms trifft und mit ihm auf seinem Wal reitet, ist sie wie verzaubert. Sie ist entschlossen, von nun an selbst über ihr Schicksal zu bestimmen. Doch der König der Graureiter hegt finstere Pläne für die Submarines, in denen ausgerechnet Saha als Mittlerin zwischen den Welten eine wichtige Rolle spielt. Saha gerät in große Gefahr und muss eine folgenschwere Entscheidung treffen … (Verlagsinfo)

Der Autor

Andreas Eschbach wurde 1959 in Ulm geboren und schreibt seit seinem 12. Lebensjahr. Nach dem Abitur studierte er in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete zunächst als Softwareentwickler, bevor er sich ausschließlich dem Schreiben widmete. Bekannt wurde er durch den Thriller „Das Jesus Video“, der monatelang auf den Bestsellerlisten stand und erfolgreich verfilmt wurde. Im Sommer 1994 erhielt Andreas Eschbach ein Stipendium der Arno-Schmidt-Stiftung „für schriftstellerisch hochbegabten Nachwuchs“. Im Frühjahr 1995 erschien der erste Erwachsenen-Roman, der auf Anhieb den Literaturpreis des Science Fiction Clubs Deutschland gewann. Alle weiteren Romane wurden ebenfalls mit mindestens einem Preis ausgezeichnet! Seit Mitte 1996 ist Andreas Eschbach als freier Schriftsteller tätig und lebt heute in der Bretagne.

Die Saha-Trilogie:

1) Aquamarin (2015)
2) Submarin (2017)
3) Ultramarin (2019)

Handlung

Das 21. Jahrhundert, Australien, Zone der Neotraditionalisten. Das 16-jährige Mädchen Saha Leeds ist ein Mischwesen aus Luftatmer und Wasseratmer, das heißt sie kann wie ein Fisch unter Wasser atmen. Die Mischung ist das Ergebnis eines inzwischen für illegal erklärten Experiments. Ihre menschliche Mutter hat Saha inzwischen verloren, doch nun sucht sie nach ihrem Vater. Er entstammt dem neuen Volk der Submarines. Als Elternlose möchte Saha wissen, wo ihr Platz in der Welt ist und worin ihre Aufgabe besteht.

Als ein Submarine in ihrem Heimatort gefangen wird, befreit sie ihn und reist mit ihm, nach ein paar Vorbereitungen und Abschieden, in die Tiefen des Ozeans. Er heißt nicht umsonst Schwimmt-schnell – er schwimmt mit seinen Schwimmhäuten doppelt so schnell wie sie, die keine hat. Was bislang ganz gut war, denn bei den Neotraditionalisten sind Schimären wie sie grundsätzlich verboten. Schwimmt-schnell bringt Saha zuerst zu seinem Schwarm. Sie wird liebevoll aufgenommen, und als erstes lernt sie seine schwangere Frau lacht-immer kennen.

Hier hört wieder die von ihm erwähnte Prophezeiung, dass sie, Saha, die vorhergesagte Mittlerin zwischen den Völkern sei. Damit kann sie nun gar nichts anfangen, und sie würde sich am liebsten unsichtbar machen. Aber als sie sich in den Schwarm eingelebt hat, erlebt sie tolle Abenteuer. Der Ritt auf dem East Australian Current gehört dazu. (Man denke an eine entsprechende Szene in „Findet Nemo“.) Überall werden Kundschafter anderer Schwärme nach Sahas Vater befragt, und eines Tages, 750 km entfernt, kommt eine positive Rückmeldung: Die sogenannten Graureiter haben Schwimmt-hinauf, ihren Vater, zuletzt gesehen.

Ihr Mentor Schwimmt-schnell ist gar nicht gut auf die Graureiter zu sprechen, denn die sind rechthaberisch, streng hierarchisch organisiert und haben sogar einen König. „Graureiter“ heißen sie, weil sie die Kunst gemeistert haben, einen Pottwal zu reiten. Der Ritt auf einem solchen Omnibus-großen Koloss ist für Saha eines der größten Abenteuer überhaupt – und sie sitzt dabei hinter dem Kronprinzen.

In die tote Zone

Der Vater des Prinzen ist auch kein übler Zeitgenosse. Er hat nur den Fehler, dass er sehr auf seine Autorität und die Treue seiner Untertanen bedacht ist. Als er Saha erzählt, ihr Vater sei zuletzt ein Gefangener auf einer Station der Luftmenschen gewesen, stellt er sie damit auf die Probe. Wird sie sich seinem Verbot widersetzen, die Station, die in einer toten Zone liegt, besuchen? Allerdings tut sie das, und weil der Prinz sich in sie verliebt hat – was sie gerne erwidert -, nehmen sie den nächsten Pottwal, um die Station zu inspizieren.

Doch was sie dort findet, entspricht keineswegs der Beschreibung, die der König ihr gab. Es handelt sich um eine ehemalige Methanmine. Das Methan wurde vor langer Zeit abgebaut, um daraus Energie zu gewinnen. Doch jetzt leben nur noch drei Menschen auf einer Art Beobachtungsstation, die für den Weltmeeresrat die Regeneration der toten Zone registrieren. Von Sahas Vaters findet sich keine Spur.

Als Saha unversehrt zurückkehrt und diese Neuigkeiten überbringt, lässt der König sie wegen Verrats vor Gericht stellen. Dabei wollte sie doch so gerne eine Graureiterin werden!

Mein Eindruck

Das erste Drittel des Buches schildert, wie Saha in die Gemeinschaft der Submarinen aufgenommen wird. Diese sind ihr gegenüber sehr aufgeschlossen, denn es gibt eine Prophezeiung, dass eine Mittlerin kommen wird. Na, es ist sonnenklar, dass sie das sein muss, denn sie kommuniziert weiterhin zwischen der Welt über und unter Wasser. Wer nun eine Romanze zwischen Saha und Schwimmt-schnell, der sie abholt, erwartet, ist schief gewickelt: Schwimmt-schnell hat schon eine Frau – und die ist hochschwanger: Lacht-immer. Man sieht, dass diese Namen Charakterzüge bezeichnen und sich daher durchaus ändern können. Diese Sitte ist bei Naturvölkern verbreitet.

Sobald Saha unter vielen bewegenden Momenten endlich in die Gemeinschaft aufgenommen worden, will sie sich an die Verwirklichung ihres eigentlichen Zieles machen: Sie sucht ihren Vater, einen Submarinen. Sie und ihre neue Sippe machen sich auf Wanderschaft und reiten den East Australia Strom – mit Höchstgeschwindigkeit, was für staunenswerte Szenen sorgt. Da Sahas Vater zuletzt bei den Graureitern gesichtet wurde, macht sie Bekanntschaft mit deren König und seinem Sohn, dem recht merkwürdigen Prinzen Sechs-Finger (nomen est omen). Der Junge verbirgt irgendein Geheimnis vor Saha, und möglicherweise hat es mit den Kriegsplänen seinen Vaters zu tun, in die Saha nun verwickelt wird.

Krieg unter Wasser

Der König tritt einen Krieg los, den er nicht gewinnen kann. Doch die Oberwelt, angestachelt von den Interessen der Industrie, Meeresbodenschätze auszubeuten, bombt das Meer zu, um die Submarinen zu vernichten. Die Submarinen werden zu Flüchtlingen, die dringend ein sicheres Versteck brauchen. Wer jetzt an gegenwärtige Verhältnisse im Mittelmeer denkt, liegt völlig richtig. Einem Rat folgend versteckt sich die Sippe ausgerechnet direkt unter der Nase des Feindes: im Hafen von Sydney.

Im großen Aquarium nebenan findet gerade eine internationale Konferenz zum Seerecht statt, in der die Argumente von Umweltschützern und Industrievertretern aufeinanderprallen. Als es Saha gelingt, sich Zutritt zum Kongresshotel zu verschaffen, das an das Aquarium grenzt, gerät sie vor die Kameralinsen der Weltöffentlichkeit. Kann sie ihre Stimme erheben, um den Submarinen zum Recht zu verhelfen?

Friedenskämpferin

Endlich tritt der eigentliche Konflikt in den Vordergrund, nämlich der zwischen Luft- und Wasseratmern. Letztere stellen eine neue, künstlich geschaffene Spezies dar, die wie alle Mutanten um ihre Rechte kämpfen muss. Da der Mensch das größte lebende Raubtier ist und außerdem allgegenwärtig, muss sich auch die neue Konkurrenz in Acht nehmen: Allzu leicht könnten sie ausgerottet werden. Die Industrie hat der Weltöffentlichkeit weisgemacht, so etwas wie Submarine gebe es gar nicht. Doch Saha ist der lebende Gegenbeweis. Kein Wunder, dass sie gejagt wird. Erst als sie in Rampenlicht der Medien tritt, wird die Propaganda der Industrie als Lügengespinst entlarvt.

Saha ist die Greta Thunberg ihrer Zeit und Generation, doch das hat sie gar nicht gewollt. Sie lebt am Rande der neotraditionalistischen Gesellschaft in Nordaustralien und verständigt sich mit ihrer tauben Ziehmutter, Tante Mildred, durch Gebärdensprache. Diese einzigartige Fähigkeit macht sie zur Vermittlerin zwischen den beiden Spezies: Da sich die Submarinen in erster Linie durch Gebärden verständigen (weil Schall unter Wasser sehr weit trägt), kann erst Saha ihnen eine menschliche Stimme verleihen. Nun muss sie sich nur noch Gehör verschaffen. Leichter gesagt als getan.

Rätsel

Ihr Vater Schwimmt-hinauf ist spurlos verschwunden, und das gibt ein großes Rätsel auf. Warum hat er sich nie bei seiner Tochter gemeldet? Ist er vor dem König der Graureiter geflohen? Warum macht sich sein Einfluss nirgendwo bemerkbar? Alle diese Fragen muss der Folgeband „Ultramarin“ beantworten.

Unterm Strich

Das Jugendbuch die Submarinen ist fern aller Nixen-Fantasy erzählt, aber dennoch spannend. Es schildert Sahas neue Heimat realistisch in den Umweltbedingungen, aber warmherzig, wenn es um die einzelnen Figuren geht. Für Saha sind die Submarinen zwar Fremde, aber Teil ihrer Herkunft und DNA. Zudem kann sie sofort auf eine Grundlage gemeinsamer Verständigung zugreifen: die Gebärdensprache. Sie wird quasi von Schwimmt-schnells Familie und Sippe adoptiert, die viel Ähnlichkeit mit dem Stamm eines Naturvolks hat.

Das Zusammenleben und gemeinsame Erleben mit den Submarinen führt Saha – und somit die Leserin – zu zahlreichen emotionalen Szenen und Momenten. Deren Höhepunkt ist sicherlich die dramatische und gefährdete Geburt von Lacht-immers Baby. Wird es unter Wasser atmen können oder nicht? Wie dies ausgeht, darf hier nicht verraten werden. Auf jeden Fall sollte man gefühlvoller, einfühlsamer Leser ein Taschentuch bereitliegen haben.

Neben Culture-Clash, Krieg und Friedenskampf findet die junge Leserin um die 14 bis 16 Jahre also vieles, mit dem sie sich aus ihrem eigenen Leben identifizieren kann. Auch Saha hat ein Tablet, mit dem sie sich, sofern ein Netz vorhanden ist, ins Internet einklinken kann, um mit ihrem hilfreichen Freund Pigrit zu verständigen. Genau diese Kommunikationsfähigkeiten Sahas machen sie zur idealen Vermittlerin zwischen den beiden Welten. Und das erzeugt Hoffnung sowohl unter ihren Freunden als auch in der Leserin.

Meine Lektüre

Die Geschichte der Saha Leeds ist sehr folgerichtig und linear erzählt. Kein Vorwissen wird vorausgesetzt, und man muss den ersten Band der Trilogie nicht unbedingt gelesen haben (obwohl es sicherlich hilfreich wäre). Alle Phänomene werden vernünftig erklärt und sind plausibel, selbst wenn sie sehr dramatisch wirken. Das heißt, dass man dem Autor hundertprozentig vertrauen kann, wenn er Saha ihre Geschichte erzählen lässt.

Obwohl dies eine sehr begrüßenswerte Methodik des Erzählens ist, sorgt sie doch für eine gewisse Vorhersehbarkeit der Ereignisse. So ist schon meilenweit im Voraus abzusehen, dass Saha zum Veranstaltungsort der Seerechtskonferenz in Sydney gelangen wird, obwohl sie dafür über 1000 Kilometer zurücklegen muss. Zwei Andeutungen reichen dem gewieften Leser, um eins und eins zusammenzuzählen und auf „Finale!“ zu kommen. Die negative Seite: Diese Vorhersehbarkeit und das weitgehende Fehlen von direkten Auseinandersetzungen bzw. Gewalt hielten mich als Leser nicht immer bei der Stange. Zwischendurch griff ich mal zu actionreicherer Kost. Möglicherweise ändert sich dies im dritten Band, was zu hoffen wäre.

Hardcover: 451 Seiten
ISBN-13: 9783401600239

www.arena-verlag.de

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