Die frühen Hochkulturen der Erde, ihre (Wieder-) Entdeckung und die Geschichte/n jener Wissenschaftler, die sich um die Erforschung der Vergangenheit bemühten, stellt Autor Ceram in einer Mischung aus Faktenschilderung und Roman vor. Kurz nach dem II. Weltkrieg entstanden, bewahrt dieses überaus lebendig geschriebene Buch trotz nachträglicher (aber oberflächlicher) Aktualisierung seines Inhalts vor allem in seiner Sprache den Geist der Entstehungszeit, was weder ohne Folgen noch Probleme bleibt: eine ebenso interessante wie zwiespältige Neuveröffentlichung.
Inhalt:
C. M. Ceram versucht die Verknüpfung der Geschichte früher menschlicher Hochkulturen mit der Geschichte ihrer Erforschung durch die Archäologie und anderer Wissenschaften. Er beginnt mit dem „Buch der Statuen“ und beschreibt die Anfänge der „Spatenforschung“ in den Ruinen versunkener Stätten wie Pompeji und Herculaneum. Sie wurde betrieben von Männern, denen jene Mischung aus Abenteuerlust, Wissensdurst und Goldgier zu Eigen war, von der die moderne Unterhaltungskultur zwischen Indiana Jones bis Lara Croft weiterhin zehrt.
Es geht weiter mit den „großen Dilettanten“ wie Heinrich Schliemann, dem Entdecker Trojas, deren Ausgrabungs-Methoden den Nachfahren zwar Schauder über den Rücken jagen, deren Findig- und Fähigkeiten allerdings außer Frage steht.
Über die römische und griechische Antike geht die Reise weiter nach Ägypten, dessen überreiche archäologische Historie Ceram im „Buch der Pyramiden“ darstellt. Hier läuft er offensichtlich zur Höchstform auf; „Howard Carter entdeckt Tut-ench-Amun“ ist ein Kapitel, das mehr als einen Träumer bewogen hat, sich selbst dem Studium der Archäologie zu widmen – mit den zu erwartenden grausamen Konsequenzen, obwohl auch Ceram die weniger angenehmen Seiten eines zumeist nicht nur aufgrund des ägyptischen Klimas trockenen Forscherlebens keineswegs verschweigt.
„Das Buch der Türme“ beschäftigt sich mit der Geschichte Mesopotamiens, des alten Zweistromlands, dessen archäologische Fundstätten so klangvolle Namen wie „Ninive“ oder „Babylon“ tragen.
„Das Buch der Treppen“ zeichnet schließlich das wechselvolle Schicksal der mittel- und südamerikanischen Azteken- und Maya-Reiche (plus Tolteken, Olmeken, Zapoteken …) nach, die erst durch zwielichtige Eroberer wie Cortez ihr Ende fanden; dies allerdings so gründlich, dass wir über Menschen, die vor kaum fünf Jahrhunderten gelebt haben, weniger wissen als über die Ägypter vor 5000 Jahren.
Aus alt wird nicht zwangsläufig neu
„Götter, Gräber und Gelehrte“ (ab hier wie heuer üblich als „GGG“ abgekürzt) ist ein Phänomen: Bereits 1949 geschrieben, erreichte dieses Buch bis heute eine Welt-Gesamtauflage von ca. 5 Millionen Exemplaren. Es wurde in mehr als 25 Sprachen übersetzt und gehört damit zu den erfolgreichsten Büchern der westdeutschen Nachkriegszeit. Noch heute wird es neu veröffentlicht – eine gute Gelegenheit für einen kritischen Blick auf diesen Klassiker. Heute lässt sich „GGG“ hauptsächlich als nostalgischer Rückblick auf gleich zwei versunkene Welt goutieren: auf die Frühzeit der Archäologie und den (Neu-) Anfang des deutschen Sachbuchs nach dem II. Weltkrieg. „GGG“ hat durch seinen Erfolg in gewisser Hinsicht die Geltung dieses Genres mitbegründet – und das wirft einige Probleme auf.
Viele Jahrzehnte nach seiner Entstehung hinkt „GGG“ dem Forschungsstand mehr als ein gutes Stück hinterher. Besonders der unerhörte Aufschwung der die Archäologie flankierenden Naturwissenschaften hat vieles, das um 1950 noch Wissensstand war, ergänzt, relativiert oder widerlegt. Ein gutes Beispiel ist hier die Veränderung, die das Bild Heinrich Schiemanns inzwischen erfahren hat – und natürlich die erfreuliche Erkenntnis, dass der Schatz von Troja beileibe nicht 1945 im Flakbunker des Berliner Zoos verglüht ist, sondern von sowjetischen Truppen ‚geborgen‘ werden konnte. Zwar hat Ceram seinen Bestseller über lange Jahre dem Fortschritt der Forschung angepasst; praktisch in jeder der neuen Auflagen – und es gab derer viele! – wurden Lücken geschlossen, Fehler ausgemerzt und die Literaturliste ergänzt. Der eigentliche Text blieb davon jedoch unberührt und ist völlig überholt.
Daran ändert die Anpreisung als „Ceram für das 21. Jahrhundert“ nichts Grundsätzliches. Es handele sich um eine „aktualisierte Neuausgabe, komplett durchgesehen, wissenschaftlich auf dem neuesten Stand, mit zahlreichen neuen Abbildungen“ – eine großartige Ankündigung für Änderungen, die meist entweder kosmetischer Natur blieben oder sich auf die simple Streichung veralteter Illustrationen und – dazu weiter unten mehr – ‚verdächtig‘ gewordener Inhalte beschränken.
Ein umgedrehter Autor
„GGG“ erschien ursprünglich nicht als wissenschaftliches Fachbuch oder populärwissenschaftliches Sachbuch, sondern wurde als „Roman der Antike“ apostrophiert – ein geschickter Schachzug, der den Autor von beinahe jeder Verantwortung für den Umgang mit dem gewählten Thema freispricht und Cerams Hausverlag Rowohlt (wo das Buch 1949 zum ersten Mal erschienen ist) eine (lukrative) Wiederveröffentlichung noch im 21. Jahrhundert gestattet.
„GGG“ liest sich heute recht merkwürdig: eine Mischung aus Karl May und Sportreportage mit mehr als einem Spritzer Kriegsberichtserstattung. Das kommt nicht von ungefähr, denn „GGG“ ist ein Spiegelbild seiner Entstehungszeit. C. W. Ceram alias Kurt W. Marek (1915-1972) begann seine Laufbahn als Reporter für diverse Berliner Zeitungen und tat sich während des Krieges als Fallschirmjäger, Wehrmachtsjournalist und Kriegsschriftsteller hervor. Letzteres war wohl – neben Mareks zeitlebens sehr ausgeprägten Sinn für Publicity und Eigenwerbung – mit der Grund, der den späteren Lektor beim Rowohlt-Verlag in Hamburg dazu veranlasste, seinen Namen umzudrehen, galt es doch, die Erinnerung an zweifelhafte, eindeutig den Geist der NS-Zeit atmenden Jugendwerke wie den Durchhalteroman „Wir hielten Narvik“ (1941) zu verwischen. (Marek selbst gab lieber an, er habe als bekannter Literatur-, Theater- und Filmkritiker nicht als wissenschaftlicher Laie erkannt werden wollen.)
Die nationalsozialistische ‚Lehrzeit‘ hat ihre Spuren hinterlassen und wirkt in „GGG“ deutlich nach. Markige Männer trotzen einsam und eisern der Gefahr und entreißen dem Staub der Jahrhunderte entschlossen die Schätze einer glorreichen Geschichte. Bitter und mühsam ist das Ringen um den Erfolg, der nur dem Tüchtigen winkt und stets verdächtig einem Triumph des Willens gleicht. Kriege, Unterdrückung und Willkür sind nach Marek den Herrschern anzulasten, während das Volk geduldig oder hilflos, auf jeden Fall aber unschuldig den Launen der Mächtigen ausgeliefert ist. Selbst im ‚unverdächtigen‘, weil tief in der Vergangenheit spielenden „Roman der Antike“ leben Gedankengut und pathetischer Stil des „1000-jährigen Reiches” also weiter. Allerdings ist das kaum verwunderlich, denn dass dieses 1945 wie ein böser Spuk nach der Geisterstunde spurlos verschwand, bildeten sich höchstens diejenigen Zeitgenossen ein, die sich dem Gedanken an Schuld und Sühne ungern bzw. gar nicht stellten.
Frische Erdung in neuer Zeit
So traf Kurt Marek mit „GGG“ durchaus auf das geneigte Ohr eines Publikums, das sich vor dem grauen Alltag der ersten Nachkriegsjahre gern in die Zauberwelt der Vergangenheit entführen ließ. Dazu kam eine ausgeprägte Sehnsucht nach der Ferne, der das NS-Regime zwölf lange Jahre einen Riegel vorgeschoben hatte. Nun war der Nachholbedarf groß, und wie zu allen Zeiten wollte er primär auf möglichst unterhaltsame, bunte, triviale Weise befriedigt werden: durch Filme, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel und eben ‚leichte‘ Sachbücher wie „GGG“. Marek selbst ließ seinem Bestseller noch eine ganze Reihe weiterer einschlägiger Werke folgen, konnte aber den Erfolg des Erstlings nie wiederholen. 1949 war er zur rechten Zeit mit dem richtigen Thema der Pionier gewesen, doch die Zeiten änderten sich.
Marek musste es noch erleben, dass „GGG“ seinen legendären Ruf verlor und die Verkaufszahlen zurückgingen, als im Zuge der 68er-Revolution das Erbe der NS-Zeit zur Diskussion gestellt wurde. Vom Markt verschwand das Buch jedoch nie, was wiederum tief blicken lässt. Der eigenartigen Anziehungskraft vom Mareks Sturm-und-Drang-Prosa kann man offensichtlich noch heute erliegen – besonders dann, wenn man eine der älteren, womöglich noch fest gebunden Ausgaben aus den 1950er Jahren in Händen hält; es sind Monumente einer halb vergessenen Druckkunst, als ein Buch noch ein Kunstwerk sein konnte und nicht nur ein Verbrauchsartikel.
Im Zeitalter der Dummbartisierung und im Zuge seichter, primär unterhaltsamer ‚Wissenschaftssendungen‘ des Fernsehens („Terra X“, „Galileo“ und ihre unzähligen Klone) kommt auch der Urvater dieses Genres zu neuem Glanz. „GGG“ wird heute als „Klassiker“ vermarktet, die formale wie inhaltliche Rückständigkeit nicht geleugnet, sondern nostalgisch im „Indiana-Jones“-Stil verklärt. „GGG“ sollte man heute so lesen, wie man Filme à la „Die Mumie“ genießt: als abenteuerliches Garn, das nur bedingt Berührungspunkte zur Realität aufweist.
Taschenbuch: 462 Seiten
http://www.rowohlt.de
Der Autor vergibt: