Clou, Dimitri – Im Zeichen des Ypsilon

Jugendbücher dürfen auch von Erwachsenen gelesen werden! Warum auch nicht, schließlich hat die ältere Generation ebenfalls einen Anspruch darauf, spannende Abenteuergeschichten goutieren zu dürfen, auch nach Verstreichen der eigenen Jugendzeit. Umso mehr, wenn es sich um ein Buch wie „Im Zeichen des Ypsilon“ handelt, in dem Dimitri Clou in einer wirklich bewegenden, wenngleich auch zunächst seltsam anmutenden Story verschiedene Einzelschicksale schildert, in die man sich auch als erwachsener Leser sehr gut hineinversetzen kann. Dabei verfolgt Clou bisweilen auch recht philosophische Ansätze und eröffnet unzählige Möglichkeiten, und das so lange, bis man sich schließlich selbst in der Gedankenwelt des Schriftstellers verloren hat und sich schließlich bei der so elementaren Frage nach dem Sinn des Lebens wiederfindet – und das auf eine Art und Weise, die wirklich jede Generation bewegt. Und damit habe ich einen Teil der Schlusszeilen bereits vorweggenommen …

_Der Autor:_

Dimitri Clou, 1959 in Aldenhoven geboren, studierte Philosophie, Germanistik und politische Wissenschaften und arbeitete nebenbei als Taxiunternehmer. Nach Abschluss seines Studiums führte er ein Globetrotterdasein in einem Rallyesport-Team, das den Weltmeistertitel erringen konnte. Seiner Familie zuliebe gab er sein Nomadenleben auf und gründete in Köln eine Kinderzeitschrift. 1992 wechselte er in die Fernsehbranche und arbeitete viele Jahre als Redakteur und Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Seit einigen Jahren ist er mit seiner eigenen Produktionsfirma selbstständig und wohnt mit seiner Familie in der Nähe von Köln. Zu seinen bisherigen Romanen gehört unter anderem „Das Quiz des Teufels“.

_Die Geschichte:_

Seit der Sache mit Coco hat sich der junge Finn Hasselblatt auf die Dächer und Dachböden der Stadt zurückgezogen, wo er seine Geheimnisse von der übrigen Welt am leichtesten fern halten kann. Damals gehörte er unter seinem Spitznamen „Silber“ einer Graffiti-Sprayer-Bande an und genoss unter den Freunden der Nacht einen fast schon legendären Ruf. Doch dann ist sein bester Freund auf tragische Weise ums Leben gekommen, woraufhin Finn sich vollkommen aus dem realen Leben entfernt hat und nun ein einsames aber auch sicheres Leben führt.

Eines Tages macht Finn jedoch eine seltsame Begegnung. Ein junges Mädchen wirft ihm eine versiegelte Flasche zu, erzählt ihm kurz von ihrem Schicksal und verschwindet alsbald wieder von der Bildfläche. Das Mädchen wurde von den geheimen Doktoren verfolgt, und als diese Wind davon bekommen, wo ihre Flasche hingekommen ist, ist Finn sie auch schon wieder los. Das Teil gerät schließlich in die Hände von Konstantin York, dem Leiter der nebulösen Kummerschule. Unerwartet geschehen weitere seltsame Dinge. Ein halb erfrorener Junge, der seinen Namen nicht mehr kennt, taucht aus dem Nichts auf, das Mädchem, das Finn auf dem Dach kennen gelernt hat, lässt sich mit York ein, und Finn besinnt sich irgendwann wieder seiner Vergangenheit und wird erneut unter dem Namen „Silber“ aktiv. Und über all dem thront ein rätselhaftes Amulett in der Form eines Ypsilon …

_Bewertung:_

Es dauert eine ganze Weile, bis man sich mit der Art und Weise, wie Clou die Charaktere vorstellt, vertraut gemacht hat. Mehr als die Hälfte der Zeit verwendet der Autor darauf, Rätsel aufzugeben, verschiedene Stränge miteinander zu verweben und noch mehr Rätsel aufzuwerfen. Damit einher geht allerdings auch die Gefahr, dass man irgendwann all die Details nicht mehr überblickt und anschließend beim Zusammensetzen des Puzzles so seine Probleme bekommt. Hinzu kommt der hohe philosophische Anteil, der hier die Basis für die eigentliche Handlung ist. In „Im Zeichen des Ypsilon“ geht es daher zum größten Teil darum, (lebens)wichtige Entscheidungen zu treffen, diese zu akzeptieren, ihre Folgen in Kauf zu nehmen und zugleich gar nicht weiter über eventuelle Alternativen nachzudenken. Dieses Leimotiv zieht sich quasi durch den gesamten Roman und ist eingepackt in eine abenteuerliche, spannende und teils sehr dramatische Geschichte, deren Charaktere keine echten Helden sondern sinnbildlich Menschen wie du und ich sind.

Schade ist eigentlich nur, dass es Clou zu Beginn ein wenig an Struktur fehlt, so stiftet er auf den ersten hundert Seiten einiges an Verwirrung. Welche Rolle spielt die Vergangenheit jetzt tatsächlich, wo es doch darum geht, zukunftsträchtige Entscheidungen zu treffen? Warum verfolgt Clou so manchen Ansatz nicht bis zum Ende, führt immer mehr Möglichkeiten kurz an, lässt sie aber im Endeffekt als sinnlos erscheinen? Und wieso verliert sich der Autor besonders am Ende in plakativen Metaphern und stellt so viele Dinge in Frage? Im Grunde genommen: Warum lässt er die Handlung nicht für sich sprechen und den philosophischen Teil in einem gesunden Maße daran teilhaben?

Das ist genau der Punkt, warum „Im Zeichen des Ypsilon“ ein wahrlich lesenswertes, aber in letzter Konsequenz nicht fabelhaftes Buch geworden ist. Clou stiftet manchmal einfach zu viel Chaos und misst gewissen Theorien und Metaphern zu viel Bedeutung bei – gerade für die junge Leserschaft. Dabei hat er doch wirklich sehr ausführlich die einzelnen Charaktere wunderbar eingeführt und der Geschichte Möglichkeiten gegeben, die man über mindestens die doppelte Seitenzahl sich hätte entwickeln lassen können. Hier verliert Dimitri Clou sich indes aber leider in seiner literarischen Genialität und behält am Ende nicht mehr den Blick fürs Wesentliche.

Der Autor beschreibt die verschiedenen Möglichkeiten seiner Charaktere und wirft immer wieder die Frage nach Entscheidungen auf – nur selber kommt er nicht immer auf den Punkt, drückt sich also quasi selbst um eine Entscheidung und widerlegt, wenn man so will, seine eigene These.

Dennoch, „Im Zeichen des Ypsilon“ ist ein verdammt interessantes und trotz der genannten Mängel richtig tolles Buch mit Tiefgang, dessen inhaltliche Ansätze Jung und Alt begeistern sollten. Bedingung dafür ist jedoch ein gewisses philosophisches Interesse, denn ohne dieses wird man schnell am erhöhten unterschwelligen Anspruch des Buches scheitern. Aber wenn man weiß, was man will, dann ist man hier definitiv an der richtigen Adresse!