Theurillat, Michael – Im Sommer sterben

Im Sommer geht man ins Schwimmbad oder isst Eis und liegt faul in der Sonne. Nach Meinung des Schweizers Michael Theurillat ist das aber noch nicht alles. Er plädiert für „Im Sommer sterben“.

Der beliebte Philip Bettlach, der im Bankgeschäft seines Bruders tätig war und dort mit Erfolg Kunden anwarb, wird eines Tages beim Golfspielen auf einem Züricher Golfplatz aus großer Distanz erschossen. Aber warum? Bettlach scheint keine Feinde gehabt zu haben, sein fünfundsechzigjähriger Lebenslauf war erstaunlich sauber. Zu sauber, wie Kommissar Eschenbach und sein junger Kollege Jagmetti finden.

Sie graben etwas tiefer und schon bald stellt sich heraus, dass Bettlachs Freundin, die zweiundzwanzigjährige Doris Hottiger, nicht nur einen guten Grund, sondern auch die entsprechende Schützenausbildung gehabt hätte, um Bettlach zu erschießen. Doch weder Eschenbach noch Jagmetti, der ein kurzes Intermezzo mit der blonden Dame hat, können glauben, dass sie die Täterin ist. Sie stochern weiter in der Lebensgeschichte der Familie Bettlach herum und bringen einiges zu Tage …

Theurillat baut in sein Debüt eine Familientragödie ein, die man sicherlich schon des Öfteren gelesen hat, aber sie wurde sicherlich nicht immer so grundsolide und spannend abgehandelt. Der Krimi tut sich dabei nicht durch Action und Blut hervor, sondern durch spannende Ermittlerarbeit.

Spannend, obwohl das Buch ohne Action auskommt? Jawohl. Theurillat setzt eher auf die kleinen Überraschungsmomente und falschen Verdächtigungen, die seinen Krimi sehr niveauvoll erscheinen lassen.

Zudem fällt auf, dass ein Großteil der Handlung bzw. der Aufklärung des Mordfalls über Dialoge stattfindet. Zeugen erzählen über das Leben Bettlachs oder Eschenbach bekommt seine Informationen auf mündlichem Wege, was die Geschichte sehr lebendig werden lässt und gut gelungen ist. Der Autor schafft es dabei, das Gleichgewicht zwischen banalem Alltagsgeschwätz und relevanter Information zu halten. Dadurch wirkt der Roman nicht trocken, sondern im Gegenteil unglaublich lebendig, weil hauptsächlich Menschen und nicht Indizien und Tatsachen involviert sind.

Für gute Dialoge braucht man natürlich gute Charaktere, und die liefert Theurillat gleich mit. Eschenbach überzeugt vor allem, weil er weder dem amerikanischen Superermittler noch dem skandinavischen Depri-Ermittler ähnelt. Er ist ein durch und durch bodenständiger Mann mit Frau und Tochter und einem Hang zur Bärbeißigkeit, von dem er aber weiß und an dem er arbeitet.

Sein Helfer, der Praktikant Jagmetti, dagegen ist ein kleiner Jungspund, der noch viel lernen muss und in dem Eschenbach sich selbst gerne wiederfindet. Er versucht dem angehenden Beamten ein guter Chef zu sein, auch wenn die beiden dabei manchmal aneinandergeraten.

Auch andere Charaktere in dem Buch sind gelungen. Richtige Exzentriker findet man zwar selten, aber dafür sehr authentische Menschen mit Eigenarten und überzeugenden Charakterzügen, die die dialogschwangere Geschichte abrunden.

Zumeist wird aus Eschenbachs Perspektive erzählt, aber ab und an wechselt Theurillat die Perspektive und lässt unbedeutende Nebencharaktere zu Wort kommen. Das ist sehr ritterlich von ihm, aber da diese Personen meist nur ein, zwei Auftritte haben, hinterlassen sie eher einen störenden Eindruck. Zumeist ist ihr Auftritt auch nicht wirklich von Relevanz, sondern soll nur Tatsachen näher beleuchten, so dass die Geschichte dadurch unnötig gebrochen wird.

Alle bisher aufgezählten Elemente von „Im Sommer sterben“ werden von dem sauberen Schreibstil des Autors zusammengehalten. Simpel, trocken, manchmal mit einem sehr interessanten, unterschwelligen Humor gewürzt, der zumeist aus dem Munde Eschenbachs kommt, weiß Theurillat seinen Kriminalroman sehr gut herüberzubringen. Er leistet sich dabei keine Schnitzer und sein Hang zu Dialogen zeichnet sich einmal mehr aus.

„Im Sommer sterben“ ist sauber aufgebaut, sauber ausgebaut und sauber geschrieben. Man kann kein schlechtes Haar an Michael Theurillat lassen. Der Debütroman ist zwar kein herausragendes Literaturwerk, aber ein sehr angenehm zu lesender und beinahe makelloser Krimi.

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