Isabella Falk – Die Gräfin der Wölfe

Wer sich ein bisschen mit Bram Stokers „Dracula“ – dem literarischen Urvampir schlechthin – befasst, stößt schnell auf historische Figuren, die gern als Vorbilder für den Grafen herangezogen werden: Da ist zum einen natürlich Vlad Tepes, der transsilvanische Fürst, der nachhaltige Bekanntheit dadurch erlangte, dass der seine Feinde gern in großer Zahl pfählen ließ. Und da ist die sogenannte Blutgräfin Elisabeth Báthory, die im Blut von Jungfrauen gebadet haben soll und schließlich in ein Zimmer auf ihrer Burg eingemauert wurde.

Diesen historisch verbürgten Schauergeschichten fügt Isabella Falk in ihrem Debutroman „Die Gräfin der Wölfe“ nun eine weitere hinzu. Wobei, eigentlich gebühren die Lorbeeren wohl dem österreichischen Medienwissenschaftler Rainer Köppl, der in einer 2008 veröffentlichten Dokumentation („Die Vampirprinzessin“) nachzuweisen versucht, dass die Fürstin Eleonore zu Schwarzenberg (1682-1741) zu ihren Lebzeiten für eine Vampirin gehalten wurde. Er geht davon aus, dass aus diesem Grund an ihrer Leiche eine Obduktion durchgeführt und sie nicht im Grab ihrer Familie beigesetzt wurde. In ihrer ungewöhnlichen Lebensgeschichte sieht er eine Inspiration für Stokers „Dracula“.

Ob nun die Fürstin Schwarzenberg eine Inspirationsquelle für Stoker war, bleibt dahingestellt. Tatsache ist (und das gibt Falk in ihrem ausführlichen Nachwort zu), dass Köppls ziemlich spekulative Thesen Falks Inspirationsquelle waren. Köppls Ideen und Annahmen hat sie fiktionalisiert und in einen größtenteils gelungenen historischen Roman gepackt, der allerdings wie die ihm vorangegangene Dokumentation teilweise einige Glaubenssprünge und wildes Spekulieren vom Leser verlangt.

Bei Isabella Falk heißt die Fürstin nun Amalia von Falkenstein. Wie wir im Laufe der Handlung erfahren, ist ihr Leben von Beginn an mit einem Makel behaftet – denn schon als Kind wurde an ihr ein Exorzismus durchgeführt. Allein deshalb muss sie schließlich unter ihrem Stand heiraten. Ihr Glück ist jedoch, dass sie mit ihrem Mann, Graf Wenzel von Falkenstein, bald eine innige Liebesbeziehung verbindet. Doch ein Kind bleibt ihnen lange verwehrt. Amalia erleidet einige Fehlgeburten und greift schließlich zu verzweifelten Mitteln: Ein aus der Antike überlieferter Aberglaube hat es ihr angetan; denn die Milch von Wölfen zu trinken, soll empfängnisfördernd sein. Fortan hält sie einige Wölfinnen auf ihrem Schloss – zum Grauen der Dorfbewohner, die am Fuß von Schloss Falkenstein leben. Die Gräfin war ihnen nie ganz geheuer, kann sie doch rechnen, Baupläne zeichnen und ihrem Mann ins Wort fallen. Kurz: Amalia ist zu modern für ihre Zeit. Sie ist zu gebildet, aber leider gleichzeitig auch zu naiv, um die Gefahr dieser Tatsache zu erkennen. Denn ihre Umgebung ist bevölkert von gottesfürchtigen und abergläubischen Menschen, denen eine Frau, die Selbstbestimmung einfordert, zwangsläufig suspekt sein muss. Und als dann das Wunder eintritt und Amalia mit über 40 noch Mutter wird, sind die Dorfbewohner restlos überzeugt, dass es sich um Hexenwerk handeln muss.

Auch einem Mann der Wissenschaft geht es da nicht anders. Eramus von Spießen ist Wenzels und später Amalias Leibarzt. Er ist ein durch und durch unsympathischer, lebensverneinender und frauenhassender Emporkömmling, der ein recht schiefes Weltbild von sich hat: Im Verlauf der Handlung schafft er es, sich und Amalia davon zu überzeugen, dass sie von der Vampirkrankheit befallen ist. Mit seinen Mitteln und Behandlungen verhilft er ihr zunächst zu einer Morphiumabhängigkeit und schließlich ins Grab – alles in der Überzeugung, nur ihr Bestes zu wollen. In ihm illustriert Isabella Falk ein Zitat aus der Dokumentation über die „Vampirprinzessin“, nämlich dass ein Arzt immer nur die Krankheit diagnostizieren wird, an die er denkt. Und von Spießen denkt ausschließlich an die Vampirkrankheit, die sein Steckenpferd ist und mit der er seinen Namen unsterblich machen will.

Und so ist „Die Gräfin der Wölfe“ eigentlich ein Roman über einen Mann, dessen Einbildung, Hysterie und Angst vor starken Frauen eine alles zerstörende Kraft annimmt. Von Spießen ist der Eindrücklichste von Falks Charakteren. Auch Amalia selbst, immerhin die Titelheldin, kann da nicht mithalten. Und viele andere Charaktere, ihr Mann Wenzel eingeschlossen, bleiben ohnehin nur Strichzeichnungen.

Isabella Falk zeichnet das Leben von Eleonore von Schwarzenberg alias Amalia von Falkenstein nach: Die junge Heirat, der verzweifelte Versuch, einen Erben zu gebären, die späte Schwangerschaft, der Tod ihres Mannes und schlussendlich ihre Krebserkrankung und ihr Tod in Wien. All diese Eckpunkte ihrer Biographie werden so uminterpretiert, dass sie zu einer “Vampirin” passen könnten. Dadurch wirkt der Roman manchmal reichlich konstruiert und wenig plausibel – andererseits ist genau diese Fähigkeit, Fakten zu einer Krankheit zu konstruieren, von Spießens Methode, um zu einer Diagnose zu gelangen.

„Die Gräfin der Wölfe“ ist kein Fantasyroman. Davon abgesehen, dass Amalia ein besonderes Einfühlungsvermögen für Hunde besitzt (etwas, das immer nur am Rande thematisiert wird), gibt es keine Fantasyelemente. Stattdessen ist der Roman ein Versuch, die Gemengelage an Aberglauben, Unwissenheit und Pseudowissenschaft auszuloten, die im frühen 18. Jahrhundert zu der Hysterie der europäischen Vampirplage führen konnte. Denn wer von Spießens Abhandlungen und wissenschaftliche Forschungen absurd findet, der sei eines Besseren belehrt: Zu Amalias Zeiten waren es nicht die Horrorschriftsteller, die sich mit Vampiren befassten. Es waren die Mediziner, die Wissenschaftler, die angesehenen Zeitungen, ja gar die Kaiserin höchstselbst. Der Vampirismus wurde als reale Bedrohung empfunden.

Isabella Falk ist ein solides Debut gelungen. Sie vermischt gekonnt historische Fakten (sie lässt sogar Michael Ranft auftreten, dessen „Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gäbern“ heute ein gundlegender Text ist) mit Vermutungen, Spekulationen – eben mit Fiktion. Als Leser muss man allerdings Leidensfähigkeit mitbringen, denn Falk wiederholt das Prinzip des Romans immer und immer wieder: Dass die kluge, gebildete, reiche Amalia von Aberglauben und Unwissenheit in die Knie gezwungen wird. Wohin sie auch blickt, ist sie von Dummheit umgeben. Das ist auch für den Leser unter Umständen schwer zu ertragen. Darauf sollte man gefasst sein, wenn man sich der Lektüre widmet.

Taschenbuch: 464 Seiten
ISBN 13: 978-9963-724-33-8
www.bookshouse.de

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