David Lagercrantz – Verschwörung (Millennium 4)

Die Handlung:

Die Hackerin Lisbeth Salander und der Journalist Mikael Blomkvist müssen sich erneut zusammentun, um einer neuen Gefahr entgegenzutreten. Spät nachts erhält Blomkvist einen Anruf von einem Informanten, der vorgibt, wichtige Informationen für die USA zu haben. Der Informant gibt weiter an, in Kontakt mit einer begabten Hackerin zu stehen, die Blomkvist nur allzu genau an jemanden erinnert. Er braucht dringend eine neue Story für MILLENNIUM und wendet sich an Lisbeth. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Da ist sie nun, die Fortsetzung, die eigentlich keine ist oder sein soll, dennoch aber eine Nummer am Ende trägt. Bei der Titelgebung ignoriert der Verlag wie gewohnt das Original und bleibt seiner Linie von „Ein-Wort-Titeln, die mit ‚V‘ beginnen“ treu.

Nur beim Cover hat sich etwas verändert … das allerdings hat mich wirklich gewundert, hätte doch gerade hier die Laufkundschaft im Buchladen, die noch die alten Taschenbücher kennt, sofort die Verbindung zur MILLENNIUM-Trilogie von Stieg Larsson herstellen können. Wer also nicht im Vorfeld weiß, dass diese Geschichte die gleichen Protagonisten beschäftigt, der läuft womöglich an diesem Titel vorbei, obwohl er das gar nicht gewollt hätte. Ob es hilft, dass im Vorfeld die MILLENNIUM-Romane noch mal in genau diesem neuen Design wiederveröffentlicht wurden, damit das neue Cover doch in die Reihe passt, das werden die Verkaufszahlen zeigen.

Die werden aber sicher wieder ordentlich in die Höhe schießen, nicht zuletzt aufgrund des gehörigen Werberummels, der im Vorfeld in aller Welt veranstaltet wurde. Der Roman erscheint zeitgleich bei über zwei Dutzend Verlagen in aller Welt und angeblich war die Entstehung des Plots so geheim, dass die Story an einem Computer ohne Internetzugang geschrieben wurde. Und wenn der Autor mal ins Netz musste, tat er das nach eigener Aussage einer schwedischen Zeitung gegenüber an einem anderen Computer. Paranoid much?

Was passiert also in der Story, von der der schwedische Verlag sagt, dass die unvollendeten Hinterlassenschaften von Stieg Larsson keinen Eingang gefunden hätten, der Autor aber betont, er würde sich schon einiger der Handlungsfäden annehmen?

Eine Menge. Lisbeth … die erst mal eine ganze Weile durch Abwesenheit glänzt … ist nämlich nicht die einzige Hackerin und schnell wird klar, woher der Autor seine Inspiration für den Roman bekommen hat: Eine Hälfte „Snowden und die NSA-Dokumente“ und eine Hälfte von der immer wieder gern genommenen, aber schon viel zu ausgenudelten gleichen Schiene, der inselbegabten, authistischen Kinder. Noch ein paar wirtschaftliche Interessen dazu und ein paar bezahlte Killer … und schon haben wir einen Mix aus vielem, das wir schon kennen.

Wir erinnern uns … wahrscheinlich nicht mehr … dass Lisbeth Salander am Ende von Stieg Larssons Trilogie, die ja jetzt nun keine mehr ist, sich mit einer Menge Geld aus dem Staub gemacht hat. Wir erinnern uns nicht, dass sie eine Zwillingsschwester hat, die sie nicht ausstehen kann und töten möchte … die Schwester sie, nicht andersrum. Daran erinnern wir uns nicht, weils neu ist. Nicht in der Welt des Krimis, denn auch so was gabs schon zu oft, aber bei MILLENNIUM ists neu.

Fehlt noch was? Ach ja … der andere Hacker … das ist der Vater des Jungen, der den „NSA-Skandal“ entdeckt und folgerichtig schnell eliminiert wird. Der Junge hats gesehen, aber bevor die Bösen in dieser Story auch ihn umbringen können, springt Lara Lisbeth Croft aus der Versenkung und beschützt ihn. Und darum gehts dann auch hauptsächlich in diesem Roman.

Und was macht eigentlich Mikael „Kalle Fucking“ Blomqvist so? Was er vorher auch schon gemacht hat und zusätzlich hat er damit zu kämpfen, dass er Twitter und Facebook ignoriert, genau wie die Onlinekonkurrenz, die ihn aus dem Business schubst. Im Grunde also spielt er eher am Rande mit, auch wenn er uns zum Vater des Jungen und somit in die Story selbst einführt. Während die eh bei den Lesern wesentlich beliebtere, weil interessantere, Lisbeth ihre von Stieg Larsson gezeichneten Charakterzüge auslebt. Sie ist der knallharte Racheengel, den jeder lieber als Freund haben möchte und dem er voll vertraut … auch wenn sie natürlich ziemlich durchgeknallt ist … was bei ihrer Vorgeschichte nicht verwundert. Kein Wunder also, dass Lisbeth das mishandelte, super intelligente Kind beschützen möchte … erinnert er sie doch sehr an ihre eigene Vergangenheit.

Dennoch ist die Story bei aller Action weniger blutrünstig und besser strukturiert als bei Larsson, dessen erstes Buch mir super und die beiden weiteren nur noch mäßig oder gar nicht mehr gefallen hatten.

Das Hörerlebnis:

Dietmar Bärs Stärken liegen eindeutig bei den Dialogen. Bei beschreibenden Szenen lässt er oft beim Hörer das Gefühl eines Sprechers entstehen, der in seiner abgedunkelten Sprecherkabine steht und das Skript vorliest. Ambitioniert, keine Frage, aber es klang mir hier zu oft abgelesen und nicht wie selbst erlebt und nacherzählt. Auch baut er immer wieder zu lange Sprechpausen ein, wenn im Satz ein Komma steht … was den Hörspaß bremst und dramaturgisch auch nicht notwendig gewesen wäre.

Bei den Dialogen verstellt er nicht großartig die Stimme, um die agierenden Charaktere unterscheidbar ins Ohr des Hörers zu bringen. Das führt auch mal dazu, dass der unaufmerksame Hörer nicht mehr weiß, wer da jetzt eigentlich das Wort hat, weil alle Beteiligten in der Szene zu ähnlich klingen.

Dennoch schafft er es oft durch mehr Nachdruck oder der Situation angepasste Weichheit die Gefühlslage der jeweiligen Figur glaubhaft zu vermitteln.

Der Autor und der Sprecher:

David Lagercrantz, 1962 geboren, debütierte als Autor mit dem internationalen Bestseller »Allein auf dem Everest«. Seitdem hat er zahlreiche Romane und Sachbücher veröffentlicht, zuletzt die virtuos geschriebene Lebensgeschichte Zlatan Ibrahimovics. Lagercrantz ist verheiratet und lebt in Stockholm.

Dietmar Bär ist mit dem Genre „Krimi“ eng verbunden. Für seine Rolle als „Tatort“-Ermittler Freddy Schenk erhielt er den Deutschen Fernsehpreis. Als Hörbuchsprecher hat er sich mit seinen Lesungen der Romane Stieg Larssons und Håkan Nessers einen Namen gemacht. (Verlagsinfos)

Die MP3s, das Booklet und die nicht benötigte Datei:

Auf jeder der beiden CDs befindet sich die Datei THUMBS.DB … eine Datenbankdatei, die Windows anlegt, damit das System bei Vorschaubildern schneller ist. Tja … nur gibts auf den CDs keine Bilder zum Anzeigen und somit sind die beiden Dateien hier überflüssig und wurden offenbar nicht gelöscht, nachdem das Cover in die ID3-Tags der MP3-Dateien eingefügt worden ist.

Auch die ID3-Tags selbst enthalten zusätzlich lediglich den Nachnamen des Autors, den Titel des Romans und das Erscheinungsjahr. Beim Sprecher hat man offenbar eine Ausnahme gemacht, der taucht mit vollem Namen auf. Auf Umlaute wurde verzichtet … vielleicht mit Rücksicht auf die internationale Kundschaft, die keine angezeigt bekommen kann oder möchte? Seltsam auf jeden Fall … technisch ists auf jeden Fall seit WINDOWS 3.0 nicht mehr nötig … meine ich zumindest.

Die MP3s selbst sind mit 192 Kbps und 44.1 kHz in Joint Stereo konvertiert worden, was absolut ausreichend und ok ist für eine Lesung.

Das Booklet ist fest im Digipak verklebt und enthält ein Vorwort zur generellen und speziellen Fortsetzung der MILLENNIUM-Serie von Verena Hoenig. Wer das ist, kann man nachgoogeln, im Booklet stehts leider nicht. Außerdem gibts noch Infos zu Stieg Larsson, David Lagercrantz, Dietmar Bär und Verlagswerbung zu sehen.

Gefallen hat mir, dass das Drachentatoo auf dem Cover gestanzt ist, das macht das Ganze wertiger.

Die MILLENNIUM-Reihe:

Verblendung
Verdammnis
Vergebung
Verschwörung

Mein Fazit:

Die Erweiterung der MILLENNIUM-Trilogie ist gelungen. Lagercrantz nimmt sich der Hauptcharaktere mit viel Respekt und Einfühlungsvermögen an, schreibt aber schon seinen eigenen Roman. Der fühlt sich nicht so an, als wollte man den schnellen Euro machen, auch wenn sich hier und da ein wenig Übertreibung breitmacht. Auch hatte ich immer mal wieder das Gefühl, dies oder das in anderen Romanen, Filmen oder TV-Serien schon zu oft gesehen zu haben.

Ob die Serie tatsächlich einmal die zehn Bände haben wird, die Larsson sich mal vorgenommen hatte … ich weiß es nicht. Wenn es aber in dem Stil weitergeht, dann bleibe ich weiterhin dabei … allein schon, weil zwischen Lisbeth und Kalle noch nicht alles gesagt ist und jeder der beiden seinen persönlichen Feldzug noch lange nicht beendet hat. Das nächste Mal darfs aber gern von der Handlung her etwas innovativer und weniger „angelehnt“ sein.

Auch beim Sprecher ist noch Luft nach oben in Sachen Hörspaß vorhanden. Dietmar Bär klang mir hier bei den Beschreibungen oft abgelesen und vermittelte nur bei den Dialogen mehr Lebendigkeit. Zwar variiert er die Sprechgeschwindigkeit, doch die Vielfalt an im Ohr gut unterscheidbaren Charakteren fand ich recht begrenzt, da bei den Dialogen hin und wieder alle Figuren recht ähnlich klingen.

Wer das gern verzeihen kann, der kann hier durchaus spannend unterhalten werden, zumal die Story selbst ja schon einiges hergibt. Ich hätte mir allerdings mehr vom Gefühl des selbst Erlebten gewünscht, das den Hörer richtig in die Story hineinzieht und ihn an den Lautsprecher fesselt. Aber die Stimmfarbe von Bär, die passt nach wie vor prima zur Reihe.

Gekürzte Lesung auf einer MP3-CD
Spieldauer: 10:19 Std.
Gelesen von Dietmar Bär
Originaltitel: Det som inte dödar oss
Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein
ISBN-13: ISBN 978-3-8371-3135-2

www.randomhouse.de/heyne

Auch ungekürzt als Download erhältlich mit 16:02 Std. Lesedauer.

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