de Sá Moreira, Régis – geheime Leben der Bücher, Das

„Schmeckt nicht jedem“, diesen Slogan gibt es seit einiger Zeit für eine große Zigarettenmarke. Einen ähnlichen Slogan sollte es auch für Régis de Sá Moreiras dritten Roman „Das geheime Leben der Bücher“ geben. Für wen Bücher nur Gebrauchsgegenstände sind, die am Bahnhofskiosk erworben werden, um eine langweilige Zugfahrt zu überbrücken, für den wird Moreiras Liebeserklärung an die Welten zwischen zwei Buchdeckeln nichts anderes sein als knappe 200 Seiten unverständliches Geschwafel. Für die jedoch, die liebevoll über ihre Reihen von Büchern streichen, Stunden über dem richtigen Ordnungsprinzip der eigenen Sammlung grübeln und Bücher zur Hand nehmen, nur um ihnen etwas Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, für die wird „Das geheime Leben der Bücher“ ein kleines poetisches Meisterwerk sein, das sie in ihrer eigenen Liebe bestärkt.

Der in Paris lebende Moreira hat vor „Le Libraire“, wie der Roman auf Französisch heißt, bereits zwei Bücher geschrieben, doch erst jetzt wurde er ins Deutsche übersetzt. Der |Droemer|-Verlag hat ihn in seiner Reihe „Profile“ herausgebracht, ein Programm für „anspruchsvolle Leser“, wie der Verlag selbst es nennt. Und das beginnt schon bei der Aufmachung: Im schmucken Hardcover kommt der schmale Band daher, mit Goldschrift und in liebevollem Satz. Ein Buch, das man gern zur Hand nimmt und bei dem man erwartungsvoll die Luft anhält, bevor man die erste Seite aufschlägt.

Moreira stellt uns einen namenlosen Buchhändler vor, in einer (ebenfalls namenlosen) Stadt, in der es vor konkurrierenden Buchhandlungen nur so wimmelt. Doch selbst in einem so bibliophilen Ort ist dieser Buchhändler ein Anachronist. Zwischen (vermutlich) Bertelsmann und Weltbild, Hugendubel und Lagerverkauf, besitzt er einen anheimelnen kleinen Laden, der eher eine Erweiterung seines Wohnraumes ist denn ein wirkliches Geschäft. Und so kommt es auch, dass sein Laden immer geöffnet hat und dass er am Schreibtisch seines Buchladens einschläft, wenn der letzte Kunde gegangen ist und aufwacht, wenn der erste Kunde mit einem „Dingelingdingeing“ das Geschäft betritt. Er hat eine sehr eigene Verkaufsphilosophie: Um zu verhindern, dass er versehentlich Schund verkauft, gibt es bei ihm nur Bücher, die er selbst gelesen hat. Darum ist seine Auswahl natürlich begrenzt. Zwar hat er ganze Regalreihen voller Fremdsprachenlehrbücher und ein Regal nur für Ausgaben von „Anna Karenina“, doch nur einen einzigen Reiseführer. Überhaupt fühlt sich der Buchhändler seinen Büchern verpflichtet. Er bietet ihnen ein Heim, er schreitet nachts seine Regalreihen ab, um sie zur Nachtruhe zu betten, er schlägt sie auf, um in ihnen zu lesen … seine Bücher sind seine Freunde und Begleiter und seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Und manchmal verweigert er auch einem Kunden ein Buch, wenn er meint, es sei bei diesem nicht gut aufgehoben.

Überhaupt, die Kunden. Sie sind die treibende Kraft in „Das geheime Leben der Bücher“. Wir erleben nämlich einen Tag im Leben dieses außergewöhnlichen und einsiedlerischen Buchhändlers. So ein Tag läuft nach einem festgeschriebenen Prinzip ab: Ein Kunde betritt den Laden und nachdem er wieder gegangen ist, trinkt der Buchhändler einen Kräutertee. Die Menschen, welche die Buchhandlung betreten, sind skurril, urig, liebenswert. Da wären zum Beispiel die Zeugen Jehovas, die täglich in den Laden kommen, um dem Buchhändler von der Schönheit des Lebens zu erzählen. Oder Gott, der auch schon mal eingeschnappt ist und hinter sich die Tür zuschlägt. Oder die Floristin, die ihre Blumensträuße gegen Bücher tauscht. In kurzen Kapiteln erzählt Moreira so immer eine kleine Geschichte, schildert eine Szene, zeigt uns eine Momentaufnahme.

„Das geheime Leben der Bücher“ ist kein großer Roman, stattdessen ist es eine leise Sammlung von Vignetten um einen Buchhändler, die sich durch ihre Poesie und Einfachheit in das Herz des Lesers schleichen. Von einer Handlung kann hierbei keine Rede sein, es gibt keinen Konflikt und somit auch keine Lösung. Das Buch beginnt und endet – einfach so. Gerade deshalb werden es Buchliebhaber mögen. Es ist eine unaufdringliche Liebeserklärung an die Welt der Bücher, den staubigen Geruch einer alten Buchhandlung und die unerwarteten Entdeckungen, die man zwischen Buchdeckeln findet. Wem diese Gefühlswelten fremd sind, der sollte besser die Finger von de Sá Moreira lassen und sich einer geradlinigeren Lektüre widmen. Alle anderen jedoch werden in Moreira und seinem Buchhändler Verbündete ihrer Leidenschaft finden und „Das geheime Leben der Bücher“ regelmäßig aus dem Regal nehmen – einfach, um ihm Aufmerksamkeit zu schenken.