Thomas Finn – Der letzte Paladin (Die Wächter von Astaria 1)

Nach „Die Chroniken der Nebelkriege“ steht mit „Die Wächter von Astaria“ die zweite Trilogie von Thomas Finn in den Startlöchern, die im |Ravensburger Buchverlag| erscheint. Auch diese richtet sich nach Verlagsangaben an ein eher junges Publikum ab zwölf Jahren, das von einem jugendlichen Protagonisten in eine magische Welt geführt wird. Wer Thomas Finn liest, bemerkt jedoch, dass seine Romane gleichermaßen für Jung und Alt geschrieben sind und genügend Überraschungen bereithalten, um auch alteingesessene Fantasyleser in den Bann zu ziehen. Ist ihm dies mit dem „Der letzte Paladin“, dem Auftakt der neuen Trilogie, erneut gelungen?

Inhalt

Fabio ist ein aufgeweckter junger Mann. Als Knappe des Paladins Ludovico gehört er dem Orden der Morgenröte an und steht kurz davor, endlich selbst in den Rang eines Paladins aufzusteigen. Noch allerdings muss er sich in Geduld üben und die Aufgaben erledigen, die ihm aufgetragen werden. Ein einfacher Begleitauftrag, wie er ihn schon öfter ausgeführt hat, markiert schließlich den Beginn einer abenteuerlichen Queste: Er muss nicht nur seine Begleitung, sondern das ganze Universum retten.

Fabio befindet sich mit seinem Herren Ludovico auf der Reise zum pompösen Anwesen des Vittore de Vontafei, des Barons aus der östlichen Grenzmark Veneziens. Dessen Tochter, Celeste de Vontafei, soll als Sternenmystikerin ausgebildet werden. Der Weg bis nach Stella Tiberia, dem Zentrum der Sternenmysteriker, ist vom Anwesen des Barons weit entfernt und in den unruhigen Zeiten, in denen Goblins plündernd durch die Lande ziehen, alles andere als ungefährlich. Es obliegt dem Paladin und seinem Knappen, für sicheres Geleit zu sorgen.

Schon bei der ersten Begegnung ist Fabio von Celeste hingerissen. Ein hübscheres Mädchen hat er noch nicht gesehen, und so kann er mehr als dankbar dafür sein, die persönliche Leibgarde zu übernehmen. Weniger angetan ist davon Raimondo de Vontafei, der Neffe des Barons, der schon seit langem ein Auge auf Celeste geworfen hat und die anzüglichen Blicke Fabios sofort mit einem barschen Verhalten straft. Seine Drohung, die er dem Knappen in einem ruhigen Moment zuflüstert, könnte deutlicher nicht sein: Celeste sei für ihn bestimmt, und niemand sollte sich ihm in den Weg stellen.

Während die Vorbereitungen für den Aufbruch beginnen und Celeste ihr Koffer packt – und das sind nicht wenige -, beraten der Baron und Ludovico über die aktuelle Politik und Ereignisse, die sie nicht so recht einzuordnen wissen. Das Sternengefüge scheint davon betroffen, doch in welcher Weise, kann niemand so recht sagen. Als Ludovico mit einer Gruppe von Streitern des Barons ausrückt, um die Umgebung nach Goblins zu durchforsten, um für Celestes anstehende Reise kein unnötiges Risiko einzugehen, beginnt das Unglück. Denn mitten in der Nacht greift plötzlich eine ganze Horde Goblins das Anwesen an – ohne die bitter nötigen Krieger gänzlich unbewacht.

Fabio, der zurückgeblieben ist, organisiert die Verteidigung, muss jedoch schnell erkennen, dass sie nicht lange halten wird – er muss durch einen Geheimgang unterhalb eines Brunnens fliehen. Der Schacht ist jedoch sehr eng, und so müssen der Baron, sein Leibdiener und die wenigen verbliebenen Bediensteten zurückbleiben. Für Celeste, die mit ansehen muss, wie sich ihr Vater für sie opfert, zerbricht eine heile Welt. Nun liegt es an Fabio, sie mit seinem Leben zu beschützen.

Bei ihrer Flucht schließen sie sich mit dem Gnom Arcrimboldo und der hitzigen Sylvana zusammen, die als Gäste des Barons draußen vor dem Anwesen kampiert und damit Glück im Unglück gehabt haben. Obwohl die gegenseitigen Sympathien eher dürftig ausfallen, müssen alle im Laufe der Zeit erkennen, dass sie aufeinander angewiesen sind und sich gegenseitig unterstützen müssen. Denn mit Astronos rebelliert ein gefallener Erzstellar gegen die Weltenordnung und bringt das Gleichgewicht ins Wanken. Der Überfall der Goblins war dabei erst der Anfang, denn Astronos hat weit Größeres im Sinn. Und während die Goblins noch mit einem Schwertstreich niedergestreckt werden können, bedarf es gegen Sternenvampire schon anderer Mittel.

Bewertung

Thomas Finn gelingt es, seine Romane aus dem Fantasy-Einheitsbrei herauszuheben. Von zigmal dagewesenen Standardabenteuern mit Elf, Ork und Zwerg als Grundrepertoire hält er dankenswerterweise Abstand. Stattdessen bezieht er sich auf die reale Weltkarte und wandelt diese augenzwinkernd ab. Spielte „Der Funke des Chronos“ noch im historischen Hamburg, siedelte Finn „Die Chroniken der Nebelkriege“ in einem mittelalterähnlichen Nordeuropa an, mit Albion als England, den Frostreichen als Skandinavien und bunten Städten wie Fryburg und Colona. In „Die Wächter von Astaria“ geht er noch einen Schritt weiter. Als Schauplatz dient ein verändertes Italien bzw. Mittelmeerreich, das vom Dolomitischen Himmelsmassiv im Norden, den Goblinzähnen im Osten und dem Sternen- bzw. Kometensee im Westen und Süden eingegrenzt wird. Zentrum der Welt stellt die opulente Hauptstadt Stelle Tiberia dar. Und schon Venezia, die erste größere Stadt, in die es Fabio verschlägt, weiß Finn farbenprächtig und lebhaft auszuschmücken.

Die Magie, in „Chroniken der Nebelkriege“ noch in Form von zauberkundigen Magiern vertreten, weicht in „Wächter von Astaria“ einer eher subtileren Variante. Die Sternenmysterkerinnen kommen den Zauberkundigen noch am nächsten, doch sie sind eher astrologisch orientiert und stellen die Verbindung der Sterne zur Erde her. Ihre Magie beschränkt sich auf das Wissen, die Macht der Sterne zu nutzen. Mit den Himmelsmechanikern, begabten Gnomen, die die Magie der Sterne in Gerätschaften verarbeiten können, kommt schließlich sogar etwas Steampunk auf. Vermischt mit der fantastischen Verfremdung eines Italiens zu Zeiten der Renaissance, weiß der ungewöhnliche, aber in sich stimmige Hintergrund zu gefallen.

Der ist es, auf dem eine glaubwürdige Geschichte aufbaut sein muss. Thomas Finn beschränkt sich darauf aber nicht. Die Welt bleibt daher nicht austauschbar, sondern ist durch den zentralen Kampf der Erzstellare als astrologisches Element und den Sternenmysterikerinnen und Himmelsmechanikern in die Handlung eingeflochten und unweigerlich mit ihr verbunden. Wann immer sich der Autor die Zeit nimmt, die Bräuche der Bewohner, die Landschaften und das Leben in den Städten zu beschreiben, taucht der Leser tiefer in die Geschichte ein, ohne hier nur die Ortsbeschreibung präsentiert zu bekommen, die man danach wieder vergessen kann, sondern die ein plastisches Bild von Astaria entstehen lassen.

Und die Reise durch Astaria aus der Perspektive Fabios entwickelt von der ersten Seite an einen Sog, dem man sich nur schwerlich entziehen kann (und auch gar nicht will). Die Handlung ist schlüssig und logisch aufgebaut, schnelle Szenen wechseln sich mit ruhigen ab, Action wird nicht um der Action willen und Tragik nicht allein um der Tragik willen ausgespielt, sondern nimmt, auch wenn dies dramaturgisch begründet ist, einen natürlichen Lauf. Die Spannung steigt kontinuierlich an und wird bis zum Ende des Buches aufrechterhalten.

Das klappt nur, weil Thomas Finn mit Charakteren arbeitet, die zwar recht schnell in ein Gut-oder-Böse-Schema eingeordnet werden können, aber alle ihre Geheimnisse verbergen, für Überraschungen sorgen und tiefgründiger daherkommen, als sie auf den ersten Blick scheinen. Vieles wird in „Der letzte Paladin“ aber noch nicht verraten, so dass man sich auf die nächsten beiden Bücher gedulden muss. Der Antrieb aller wichtigen Figuren, ihre Motivation, in bestimmten Situationen so und nicht anders zu handeln, kommt glaubwürdig daher und wirkt nicht um der Szene willen aufgesetzt. Dank starker Attribute bietet Finn mit Fabio eine entwicklungsfähige Identifikationsfigur, mit Celeste eine junge, selbstbewusste Frau und mit Raimondo einen Gegenspieler, den man sofort unsympathisch findet. Das bleibt recht stereotypisch, dient allerdings dem Konzept der Handlung.

Dass allerdings Fabio der lange prophezeite Auserwählte sein soll, der die Welt vor dem gefallenen Erzstellar zu retten hat, wird dem hohen Niveau nicht ganz gerecht. Klar, das ist ein beliebtes Motiv in der Fantasyliteratur, aber wieso muss es immer eine von außen an die Hauptfigur herangetragene Prophezeiung sein? Ein Antrieb, der von der Figur selbst ausgeht, ohne dass gleich irgendjemand von dem Auserwählten spricht, wirkt stärker und plausibler. Hier muss jedoch noch abgewartet werden, wie sich Fabio in den Folgebänden entwickelt und was es mit der Prophezeiung tatsächlich auf sich hat. Dass Horoskope in einer von den Sternen geleiteten Zivilisation nicht gänzlich außen vor gelassen werden können, muss dabei berücksichtigt werden.

Fazit

„Der letzte Paladin“ stellt den fulminanten Auftakt von Thomas Finns neuer Trilogie „Die Wächter von Astaria“ dar: eine bunte, farbenfrohe Welt, die sich dank italienischen Renaissance-Flairs und einer Priese Steampunk angenehm vom Durchschnitt abhebt, dazu sympathische, plastische Charaktere und eine in sich stimmige, spannende Handlung bietet. Wer auf moderne All-Age-Literatur mit fantastischem Einschlag steht, kommt um „Der letzte Paladin“ und den Autor Thomas Finn nicht herum, der sich in der Riege der neuen deutschen Fantasyautoren einen Spitzenplatz ergattert hat.

Hardcover: 477 Seiten
Besprochene Auflage: September 2008
ISBN-13: 978-3-473-35287-6
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