Chaos im Reich der Mitte, überwunden durch tapfere Mönche
Manche Erzählungen über das Wunderbare entpuppen sich beim Lesen als Geschichten, die im Grunde eine erklärende Sinngebung für die Welt und das Leben bereithalten. Frédéric Tristans unscheinbarer Roman „Asche und Blitz“, erschienen in der Bibliothek der phantastischen Abenteuer bei S. Fischer, ist eine solche Geschichte.
Der Autor
„Frédérick Tristan“ ist das Pseudonym von Jean-Paul Frédéric Tristan Baron, geboren 1931, eines frz. Schriftstellers, der sich durch seinen Ostasienaufenthalt in Vietnam, Laos und China besonders gut mit chinesischen Geheimgesellschaften auskennt.
Diese Kenntnisse hat er in „Asche und Blitz“ fiktional verarbeitet, aber auch in Essays wie „Les Sociétés secrètes chinoises“. 1940 wurde seine Gruppe auf der Flucht von deutschen Fliegern angegriffen, was zu einer Teil-Amnesie führte. 1948 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband (Orphée assassiné). Seine Romane haben teils phantastischen Inhalt, beruhen auf historischen Fiktionen oder handeln in China. Er wird zur Nouvelle Fiction gezählt, ein Begriff der 1992 von Jean-Luc Moreau eingeführt wurde (neben Tristan zählen dazu unter anderem Patrick Carré, Georges-Olivier Châteaureynaud, François Coupry, Hubert Haddad, Jean Levi, Marc Petit). Die Bewegung steht dem Magischen Realismus nahe und Tristan ist vom Surrealismus beeinflusst.
Außer dem Prix Goncourt erhielt er 1981 den Grand Prix du roman de la Société des gens de lettres für Les Tribulations héroïques de Balthasar Kober und 2000 für sein Gesamtwerk. In den 1950er Jahren befasste er sich unter Joël Picton mit Graphik. 1983 bis 2001 war er Professor für frühchristliche und Renaissance-Ikonographie an der Kunsthochschule ICART (École des métiers de la culture et du commerce de l’art Paris) in Paris.
Er ist ein hoher Freimaurer. Teilweise handeln seine Romane auch von Freimaurern (so sein Kriminalroman Un meurtre chez les francs-maçons unter dem Pseudonym Mary London). Seine Ehefrau Marie-France Tristan ist Spezialistin für italienische Literatur. (Quelle: Wikipedia.de)
Tristan wurde aber besonders durch seine fiktive Autorin „Danielle Sarréra“ bekannt. Die Dichterin soll sich mit 17 vor einen Zug geworfen haben, doch Tristan, der vorgebliche Herausgeber ihrer Gedichte und Erzählungen („Arsenikblüten“, 1978), löste mit ihrem „Nachlass“ einen Mythos aus, den u.a. auch Rainer Werner Fassbinder in seinem Terroristendrama „Die dritte Generation“ (1979) aufgriff. Er wurde 1983 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet, erhielt später weitere hohe Auszeichnungen.
Werke (Auswahl)
Naissance d’un spectre, Bourgois 1969; Fayard 2000
Le Singe égal du ciel, Bourgois 1972; Fayard 1994
La Geste serpentine, La Différence, 1978; Fayard 2003
Les Tribulations héroïques de Balthasar Kober, Balland 1980; Fayard 1999
dt. Ausgabe: Im Gefolge des Alchimisten. Aus dem Französischen übersetzt von Michael Gramberg. Zebulon 1992
==>La Cendre et la Foudre, Balland 1982
dt. Ausgabe: Asche und Blitz, Aus dem Französischen von Widulind Clerc-Erle, Fischer 1987
Les Égarés, 1983
L’Énigme du Vatican, Fayard 1995
dt. Ausgabe: Das Geheimnis des Vatikans. Roman. Ins Deutsche übertragen von Karin Meddekis, Bastei-Lübbe 1995
Stéphanie Phanistée, Fayard 1997
Les Obsèques prodigieuses d’Abraham Radjec, Fayard 2000
Dieu, l’Univers et Madame Berthe, Fayard 2002
L’Amour pèlerin, Fayard 2004
Un infini singulier, Fayard 2004
Le Manège des fous, Fayard 2005
Dernières Nouvelles de l’Au-delà, Fayard 2007
Christos, enquête sur l’impossible, Fayard 2009 (Wikipedia.de)
Handlung
Als die Tataren um 1625 das China der degenerierten Ming-Dynastie erobern wollen, lassen alle Untergebenen sofort ihren Kaiser im Stich, das heißt: alle außer der Dienerin Kleine Mondfee. Sie rät dem Kaiser, die Hilfe von 128 buddhistischen Mönchen anzunehmen, die sich als einzige der heranrückenden Gefahr entgegenstellen wollen.
Nachdem mit Buddhas kräftiger Mithilfe das Heer der Tataren vernichtet worden ist, erhält der Anführer der Helden, der Abt Feuer des Himmels, natürlich eine Belohnung: Der Kaiser legt in seine Obhut unter anderem das Siegel des Reiches, dessen Besitz nur dem rechtmäßigen Herrscher zusteht.
Als der gute Kaiser stirbt, lässt sein missratener Sohn die Mönche verfolgen, doch gelingt es Feuer des Himmels, mit vier Gefährten aus dem Massaker zu entkommen. Er kann das Siegel retten. Nun hebt eine Zeit der Intrigen und der Volksunterdrückung an, und das Reich ist nicht mehr „in der Mitte“.
Als schließlich die mächtigen T’sing den Thron des Reiches erobern, erfordert es lange Bemühungen der mit den Mächten des Himmels verbündeten Mönche, um den rechtmäßigen Ming-Kaiser wieder auf den Thron setzen zu können…
Mein Eindruck
Wie so viele Märchen ist auch dieser phantastische Roman eine Geschichte vom verlorenen Heil der Welt, das sich im gestürzten Kaiser verkörpert. Und in der Folge sind viele Kämpfe notwendig, um die Harmonie zwischen Himmel und Erde wiederherzustellen, Kämpfe, die auf mehreren Ebenen ausgetragen werden. In ihnen entsteht die Himmel- und Erde-Gesellschaft; sie ist historisch verbürgt, half sie doch auch Maos Truppen auf dem Langen Marsch (ca. 1948) und war unter ihrem Führer Dr. Fu Manchu tätig, den man sonst nur aus Filmen kennt.
Unterm Strich
Der Roman „Asche und Blitz“ ist nicht nur ein an vielen Stellen heiteres, sondern auch märchenhaft-mystisches Buch geworden. Es berichtet vom Kampf eines mönchischen Helden um die Wiederherstellung der gesellschaftlichen wie auch der metaphysischen Ordnung und Harmonie.
Zwar kurzweilig erzählt, bemüht der Roman doch auch die Mystik Chinas für meinen Geschmack zu sehr, um daran noch großes Vergnügen haben zu können, zumal als Nichteingeweihter. Leider bietet der Herausgeber auch kein Glossar, um zentrale Begriffe zu erklären.
Taschenbuch: 203 Seiten
Originaltitel: La cendre et la foudre, 1982
Aus dem Französischen von Widulind Clerc-Erle.
ISBN-13: 9783596227280
https://www.fischerverlage.de
Der Autor vergibt: