Howard, Jonathan L. – Seelenfänger (Johannes Cabal 1)

Johannes Cabal hat ein Problem: Für das Wissen über die Kunst der Nekromantie hat er dem Satan seine Seele überlassen. Jetzt will er sie zurück haben und geht dafür sogar bis in die Hölle. Nur leider verläuft sein Handel mit dem Satan überhaupt nicht so, wie Johannes sich das vorgestellt hat, und als er die Hölle wieder verlässt, ist es ausgesprochen zweifelhaft, ob er nun besser dran ist als zuvor. Doch er ist entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, Realist genug, um zu erkennen, dass er Hilfe braucht, und verzweifelt genug, um ein hohes Risiko einzugehen …

Jonathan Howards Protagonist ist ein komischer Vogel. Einerseits wirkt er steif und strohfad, er hasst Jahrmärkte, Tanz und alles, was sonst so mit Vergnügen zu tun hat. Er bezeichnet sich selbst als Wissenschaftler, ist stolz auf seinen scharfen Verstand und betrachtet alles Gefühlsmäßige, besonders die Liebe, mit einer gewissen hochmütigen Verachtung. Gleichzeitig blitzt immer wieder sowas wie Menschlichkeit in ihm auf, dass man meinen könnte, der Bursche hat zwei Seelen in seiner Brust, obwohl er natürlich zur Zeit überhaupt keine hat, was seine Anflüge von Humanität nur noch seltsamer erscheinen lässt.

Sein Bruder Horst ist das ganze Gegenteil von ihm, ein wenig unstet und er bringt so gut wie nie etwas Angefangenes zu Ende. Aber er ist lebenslustig, charmant und kann hervorragend mit Menschen umgehen. Vor allem aber ist er mitfühlend und freundlich und fungiert in dieser Rolle als Johannes‘ Gewissen, was wiederum etwas verdreht anmutet, denn Horst ist ein Vampir …

Satan dagegen hat – von seinem Äußeren abgesehen – nicht viel Satanisches an sich. Natürlich ist er boshaft, falsch und grausam, aber nur ein ganz klein wenig. Die meiste Zeit wirkt er wie eine Mischung aus Gangsterboss und schlauem Bäuerlein, wobei der Gangster überwiegt. Satan gibt sich jovial und einigermaßen umgänglich, mit einer Prise unterschwelliger Drohung und kaum verhohlener Hinterlist.

Und dann ist da auch noch Frank Barrow, der moralische und prinzipientreue Polizist im Ruhestand, der noch immer eine ausgezeichnete Nase dafür hat, wenn irgendwo etwas nicht stimmt. In seiner Unbeirrbarkeit, die sich selbst durch Horsts Charisma nicht irritieren lässt, hat er etwas von einer Bulldogge, wenn sie sich irgendwo fest gebissen hat.

Mir hat die Charakterzeichnung ausnehmend gut gefallen. Zum Einen, weil sie so menschlich ist, vor allem in Bezug auf Johannes mit seinen vielen Widersprüchen. Zum Anderen, weil der Autor so vieles einfach in sich verkehrt hat, wie bei Horst, dem anständigen und menschenfreundlichen Vampir. Selbst Barrow wirkt trotz seiner moralischen Grundsätze niemals klischeehaft, was vor allem an seinem kläglichen Versuch liegt, seiner Tochter Leonie seine Bedenken im Hinblick auf Cabal begreiflich zu machen.

Auch die Handlung als solche hat mir sehr gefallen. Einhundert Seelen muss Johannes im Austausch für seine eigene sammeln, was schon anstrengend genug ist. Zu allem Übel bekommt er als Hilfsmittel ausgerechnet einen Jahrmarkt aufgedrückt, wo er solcherlei doch als völlige Zeitverschwendung ansieht. Jetzt muss er sich also nicht nur mit etwas herum schlagen, was er verabscheut und wovon er keine Ahnung hat, sondern auch mit Helfern, über deren Dummheit man Haarausfall bekommen könnte! Ob er allerdings mit den schlaueren Helfern besser dran ist? Schließlich stammen die aus der Hölle …

Obwohl sich das Ganze zunächst recht gut anlässt, ist natürlich abzusehen, dass es nicht so bleiben wird. Satan wäre schließlich nicht Satan, wenn er die Spielregeln nicht auf seine eigene Art auslegen würde.

Abgesehen von den diversen Turbulenzen, die Cabals Jahrmarkt ihrem Gegenspieler aus der Hölle zu verdanken hat, glänzt das Buch aber auch noch – gänzlich frei von erhobenen Zeigefingern – durch Einblicke in die menschliche Natur, teils ernsthafte, wie im Zusammenhang Ted und Rachel oder mit Nea Winshaw, teils augenzwinkernde, wie bei Johannes‘ Einladung ins Abnormitätenkabinett.
Und dazu kommt noch eine wahre Flut von Anspielungen und ironischen Seitenhieben in alle möglichen Richtungen. Die Bürokratie bietet sich da natürlich besonders an, was zu der ungemein treffsicher skizzierten und ausgesprochen drolligen Figur von Arthur Trubshaw geführt hat.

Ein weiteres Highlight ist die Abrechnung mit den Managern dieser Welt. Und auch der Cthulhu-Mythos bekommt kräftig sein Fett weg, was angesichts der Tatsache, dass die erste Geschichte über Johannes Cabal in Lovecrafts Magazine of Horror erschienen ist, schon wieder selbstironische Züge trägt.

Heraus gekommen ist bei all dem eine knallbunte Mischung aus einer Studie menschlicher Schwächen und schrägem Humor, gewürzt mit einem kleinen Geheimnis und einer Prise Spannung. Der Autor hat dabei jederzeit gekonnt die Balance gehalten und die Übergänge zwischen abgedrehtem Witz und den ernsthafteren Tönen glatt und fließend gestaltet. Mit seinem etwas widersprüchlichen Protagonisten hat er eine Figur geschaffen, die trotz ihrer spröden, fast menschenfeindlichen Art ein hervorragender Sympathieträger ist. Tatsächlich ist Johannes Cabal, dem der Rest der Welt eigentlich egal ist, der aber dennoch immer wieder Anflüge von Güte zeigt und dessen Zwiespalt mit fortschreitender Handlung immer deutlicher, immer tiefer wird, der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Geschichte, um den herum das schmückende und das entlarvende Beiwerk drapiert ist.

Keine ausgeklügelten Intrigen, keine Kriege, keine detailliert ausgearbeitete, eigene Fantasywelt, und weder eine Vielzahl an Charakteren noch an Handlungssträngen. Und dennoch habe ich dieses Buch regelrecht verschlungen und dabei sowohl nachdenklich genickt, als auch mich köstlich amüsiert. Obwohl Jonathan Howard sich nicht die Mühe gemacht hat, etwas neu zu erfinden, enthält dieses Buch Witz, Esprit und Fantasie satt. Ich habe jede Seite genossen.

Jonathan L. Howard lebt in Bristol ist seit 1990 ein fester Bestandteil in der Branche Computerspiele, außerdem schreibt er Drehbücher. 2005 erschien seine erste Kurzgeschichte „Johannes Cabal and the Blustery Day“, und nach einer weiteren Kurzgeschichte folgte der erste Band einer Romanreihe über seinen ungewöhnlichen Helden. Der zweite Band des Zyklus mit dem Titel „Ein Fall für Johannes Cabal: Totenbeschwörer“ ist für September 2010 angekündigt.

|Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3442469963
Originaltitel: Johannes Cabal the Necromancer – Trilogie Band I
Deutsch von Jean-Paul Ziller|
http://www.johannescabal.com/