Vor einigen Wochen habe ich mich mit den drei Berliner Autoren Christian von Aster, Boris Koch und Markolf Hoffmann in einem Berliner Café getroffen und ihnen ein paar Antworten zu ihrer Lesereihe, dem StirnhirnHinterZimmer, und ihrem Schaffen entlocken können.
_Sven Ollermann:_
Stellt euch unseren Lesern bitte einmal vor.
_Markolf Hoffmann:_
Hier vor mir sitzt der großartige, phantastische Christian von Aster, seines Zeichens aufstrebender Jungliterat.
_Christian von Aster:_
Gleiches kann ich von meinem mir schräg gegenüber sitzenden Kollegen Boris Koch sagen, der wohl ebenso aufstrebend und jung-literarisch ist wie ich.
_Boris Koch:_
Neben mir dann Markolf Hoffmann, der jüngste und weitest gestrebteste von uns allen, mit fast einem abgeschlossenen Studium in der Tasche.
_Sven Ollermann:_
Wie hat das mit dem StirnhirnHinterZimmer eigentlich angefangen? Wer hat sich den Namen ausgedacht?
_Markolf Hoffmann:_
Ich weiß gar nicht mehr so richtig, wer war das denn eigentlich?
_Christian von Aster:_
Oh, ja, das war dann wohl meine Aufgabe. |(zu Koch)| Du machst den Newsletter, |(zu Hoffmann)| du machst die Nachbereitung, und ich habe mir den Namen ausgedacht.
_Markolf Hoffmann:_
Dann war’s wohl Christian, selbstverständlich.
_Boris Koch:_
Uns war nur klar, dass ein „Z“ drin sein muss.
_Markolf Hoffmann:_
Genau, es musste ein „Z“ drin sein, wegen der Z-Bar. Wir kannten ja schon den Ort der Lesung. Wie waren doch gleich die Alternativvorschläge? Lügenlabor?
_Sven Ollermann:_
Da ist aber kein „Z“ drin.
_Christian von Aster:_
Oh doch, da ist ein „Z“ drin, man sieht es nur nicht …
_Markolf Hoffmann:_
Weil es eben eine Lüge ist.
_Christian von Aster:_
Ein dezentes „Z“ – also ein de’entes „Z“.
_Markolf Hoffmann:_
Das waren die beiden Vorschläge, zwischen denen wir am Ende abgestimmt haben. Und da kam dann StirnhirnHinterZimmer bei raus, weil die Lesung ja auch im Hinterzimmer stattfindet – der Name liegt nahe.
_Boris Koch:_
Die Wahrheit liegt uns ja auch irgendwo am Herzen.
_Markolf Hoffmann_
Ganz genau.
_Christian von Aster:_
Den Gedanken daran fanden wir so gut und ganz schön, sich ins Hinterzimmer des Gehirns zurückzuziehen – das Unterbewusste und all diese Dinge, nicht wahr?
_Sven Ollermann:_
Und wie hat es angefangen?
_Boris Koch:_
Eigentlich zwangsweise – auf dem Odyssee-Con. Plötzlich saßen wir da zu dritt auf der Bühne, nach Mitternacht und machten …
_Christian von Aster_
Ne, Moment, Moment. Vor „plötzlich saßen wir zu dritt“ gab es noch „wo bleibt Markolf?“. Das ging ziemlich lange, wir waren schon dabei, Hohnlieder auf Hoffolf Markmann zu dichten. Aber er kam …
_Boris Koch:_
Das ist ein bisschen übertrieben. Also nur, weil wir sechs Stunden früher da waren als Markolf …
_Christian von Aster:_
… und eigentlich mit ihm gerechnet hatten.
Ich muss ja sagen, ich bin immer recht kritisch und ein garstiger, kleiner Mistbock; ich wollte ja schon auf Markolf Hoffmann schimpfen und alles schlecht finden, weil der ja auch bei großen Verlagen veröffentlicht – der kann ja nicht gut sein. Dann habe ich ihn gesehen und er war gut. Das fand ich so richtig scheiße. Hab ich ihm aber auch gesagt, dass ich es scheiße finde, dass er so gut war.
_Markolf Hoffmann:_
Also, nur um mal die Legende zurechtzurücken: Ich hatte die Abgabe meines zweiten Buchs. Deswegen kam ich dann wirklich erst kurz vor knapp. Aber ich kam und las. Und dann trafen wir uns am Ende zu dritt bei einer Nachtlesung, die eigentlich sehr witzig war. Da hab ich dann erstmal verbale Prügel bezogen.
_Christian von Aster:_
Haben wir die eigentlich zusätzlich gemacht?
_Boris Koch:_
Nee, die war schon geplant. Na ja, so halbwegs, wir wollten ja auch mal zusammen … „Könnt ihr auch zusammen?“ haben die Veranstalter gefragt, worauf wir: „Wir kennen zwar Markolf nicht, aber können wir.“
_Christian von Aster:_
Das war schon nett, richtig nett. Und dann haben wir festgestellt, dass wir alle in einer ähnlichen Stadt wohnen, und dann war der Schritt nicht mehr weit, zu sagen …
_Markolf Hoffmann:_
Na ja, der Zufall wollte es, dass wir die Texte der anderen gegenseitig geschätzt haben und bemerkten: „Okay, die machen keinen Scheiß.“
_Christian von Aster:_
Vor allem aber auch geil, weil wir auch gemerkt haben, dass es zwar gut ist, aber eben auch wirklich verschieden. Jeder von uns hat irgendwie einen anderen Humor, eine andere Herangehensweise, und auch andere Qualitäten in den Geschichten – und was ich halt beim StirnhirnHinterZimmer wirklich genial finde: Manchmal denk ich mir „Scheiße, ist das geil“, denn eigentlich haben wir, wie ich das Gefühl habe, in jedem StirnhirnHinterZimmer einen richtig schönen Knalleffekt drin.
Ich für meinen Teil bin auf jeden Fall fett stolz darauf, dass wir das Ding so etabliert gekriegt haben, weil hier in Berlin jeder Arsch immer liest und du irgendwie jeden Tag deine 20 Lesungen zusammenkriegst.
_Boris Koch:_
Aber nicht jeder liest auch in der Sommerpause, so wie wir – wir ziehen das durch.
|(nach einer kleinen geräuschpegelbedingten Pause)|
_Markolf Hoffmann:_
Um noch mal auf die Anfänge des Hinterzimmers zurückzukommen: Wir hatten auf der Nachtlesung vereinbart, uns „demnächst mal“ zu treffen. Aus „demnächst“ wurden dann vier oder fünf Monate, ich weiß es nicht mehr genau. Der Con war im August, und im März hatten wir die erste Lesung.
Wir haben uns also in der Zwischenzeit das Konzept überlegt; dass es immer ein Motto geben wird, das immer einer reihum auswählt. Und dann ging es los. Nachdem wir am Anfang so um die 15 Zuhörer hatten, haben wir uns dann gesteigert, und bald platzte die Z-Bar aus allen Nähten. Notsitze wurden eingerichtet, Günni |(der Wirt der Z-Bar)| hat das Hinterzimmer dann leicht vergrößert. Die Z-Bar wird immer kleiner, weil das StirnhirnHinterZimmer immer weiter in die Bar reinwuchert – bis es irgendwann nur noch die Theke und das StirnhirnHinterZimmer gibt.
_Sven Ollermann:_
Häufig ist es phantastische Literatur, ab und an mal Realsatire oder Fantasy, aber primär liegt das Augenmerk doch auf der Phantastik. Wie seid ihr darauf gekommen?
Boris, wie bist du an die Phantastik gekommen, das ist ja nun alles andere als Mainstream und nicht gerade einfach bei den Verlagen unterzubekommen, oder?
_Boris Koch:_
Ja, aber wenn du etwas schreibst, ist die erste Frage ja nicht automatisch: „Wie kriege ich das bei einem Verlag unter?“ Das wäre zu wenig, man will ja auch etwas Bestimmtes erzählen, etwas sagen, was einem im Kopf umgeht. Ich weiß nicht genau, warum Phantastik, es steckt einfach im Kopf und muss raus. Ist sozusagen die Art, wie ich denke. Gerade groteske Elemente schleichen sich immer wieder in Geschichten, die ich eigentlich „realistisch“ anlege. Wo dieses grundsätzliche Faible für die Phantastik herkommt, ist einfacher: Ich hab mit elf oder zwölf angefangen, einiges in die Richtung zu lesen, grotesken Humor immer gern gehabt, und dann bleiben halt die Symbole übrig, die man irgendwo in der Kindheit und Jugend gelesen hat. Und auch wenn ich immer viele andere Sachen gelesen habe und lese, dann weiß ich immer noch, was ein Werwolf ist, was Außerirdische sind und benutze sie gerne als Metaphern – auch weil es einfach Spaß macht.
_Sven Ollermann:_
Also ist es eher eine Form der Kunst. Autor eher im Sinne eines Künstlers, als um damit primär Geld zu verdienen?
_Boris Koch:_
Ich find die Trennung sowieso albern, also …
_Sven Ollermann:_
Schau dir unsere literarische Landschaft an, kann man die nicht genauso einteilen?
_Boris Koch:_
Nee, das find ich gar nicht, überhaupt nicht. Es gibt genug Leute, die intelligente Dinge schreiben und damit Geld verdienen und es gibt genug Leute, die Schwachsinn schreiben und damit kein Geld verdienen. Es ist zu einfach gedacht, entweder schreibe ich Niveau oder ich verdiene Geld. Ich glaube, damit tue ich Umberto Eco ziemlich unrecht, um mal ein Beispiel zu nennen, wenn nicht vielleicht das beliebteste Beispiel überhaupt.
_Sven Ollermann:_
Wie sieht es bei dir aus, Christian – ist die Phantastik dein größtes Faible oder gibt es da auch andere Dinge?
_Christian von Aster:_
Ich weiß nicht, ich denke eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte, und meine Vorbilder sind halt irgendwie allesamt Storyteller. Natürlich kennt man seine Klassiker und mag das, aber ich mag vor allem solche Leute wie Roal Dahl und Neil Gaiman, die sich keine genretechnischen Begrenzungen setzen. Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte und wenn mir was einfällt … – manchmal kommt sogar ein Brettspiel dabei heraus. Gut, will aber keiner haben.
_Boris Koch:_
Hätte vielleicht auch kein Spiel sein sollen, sondern eine Geschichte, vielleicht funktioniert es dann …
_Christian von Aster:_
Das ist eben auch genau dasselbe wie mit Kurzfilmen oder sonstwas, eine Geschichte sagt eigentlich demjenigen zu dem sie kommt, wie sie sein will. Geschichten haben ihre eigenen Gesetze, und wenn man darauf hört, dann kommt dabei auch das Richtige raus. Meistens sind es Kurzgeschichten, oftmals in der Phantastik, so denk ich das.
_Sven Ollermann:_
StirnhirnHinterZimmer sind ja Kurzgeschichten – die eine kürzer, die andere etwas länger, nech, Markolf?
_Markolf Hoffmann:_
Jetzt fängt der auch schon an.
_Christian von Aster:_
Das ist die Wahrheit, die lässt sich nicht auf Dauer unter den Teppich kehren, Markolf.
_Sven Ollermann:_
Markolf hat seine Roman-Reihe und gedenkt ja auch weiterhin immer wieder Romane zu schreiben. Boris, wie sieht das bei dir aus, Romane oder eher primär Kurzgeschichten? Bleibt überhaupt so was wie Zeit, sich Konzepte für Romane einfallen zu lassen?
_Boris Koch:_
Zeit für Konzepte bleibt immer, das Problem ist Zeit für Romane. Aber ich hab erst gerade einen geschrieben, für die Shadowrun-Reihe bei Fantasy Productions, „Der Schattenlehrling“. Romane und Kurzgeschichten sollen es sein, nicht entweder oder. Und ich hatte schon zusammen mit Jörg Kleudgen vor Jahren einen Roman geschrieben und in seiner Goblin Press veröffentlicht.
_Sven Ollermann:_
Und bei dir Christian, wie schaut es mit Romanen aus?
_Christian von Aster:_
Ich hab jetzt erstmal ’nen Kabarett-Preis gewonnen und schaue mal, ob ich jetzt bühnentechnisch mehr mache und ansonsten hab ich halt vor allem Bock auf Filme. Allerdings hab ich auch gerade einen Roman, an dem ich arbeite. Abgesehen davon hab ich sogar schon welche veröffentlicht, „Schatten der Götter“, „Armageddon TV“; nee, da gibt es auch mehr, ich bin gerade auch an meinem persönlichen Harry Potter dran, wo ich dann nach drei Seiten festgestellt hab, der wird dann doch nichts für Jugendliche, aber das ist ja nicht meine Schuld.
_Sven Ollermann:_
Bei dir liegt die Zukunft also eher auf der Bühne und hinter der Kamera?
_Christian von Aster:_
Ich hab gesagt, da hab ich Lust drauf. Natürlich würde ich auch gerne bei einem ordentlichen Verlag unterkommen. Aber Markolf sagt mir ja nicht, mit wem ich schlafen muss.
_Sven Ollermann:_
Und bei dir, Markolf?
_Markolf Hoffmann:_
Da steht jetzt der vierte Roman an, der letzte Teil des „Zeitalters der Wandlung“. Ich habe dann natürlich auch – also ich glaube, an Konzepten sind wir alle nicht arm, vor allem nicht an Romankonzepten – noch verschiedene andere Pläne. Ich würde gerne auch mal außerhalb der Fantasy und auch außerhalb der Phantastik etwas machen. Ich teile auch mit Christian das Interesse am Film. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, ein Drehbuch zu schreiben oder Regie zu führen. Der Vorteil beim Filmdrehen ist, dass man da nicht allein in seinem Kämmerchen sitzt und vor sich hin schreibt, sondern eben mit anderen zusammenarbeitet. Das ist nämlich das größte Manko der Schriftstellerei, finde ich.
_Sven Ollermann:_
Wie steht’s mit einer Gemeinschaftsproduktion mit anderen Autoren bezüglich Romanen?
_Markolf Hoffmann:_
Habe ich bisher noch nicht ausprobiert, aber stelle ich mir reizvoll vor. Und ich denke, das StirnhirnHinterZimmer ist auch der erste Schritt einer Zusammenarbeit. Da ziehe ich auch persönlich viel heraus, weil man jeden Monat halt was schreiben muss, ob kurz oder lang. Und man kriegt auch viel Input. Also ich finde es sehr interessant, wie die anderen beiden ihre Geschichten gestalten, man lernt, was beim Publikum ankommt und was nicht. Und vor allem lernt man regelmäßig zu schreiben, jeden Monat muss was da sein, das Publikum will unterhalten werden.
_Sven Ollermann:_
Boris, wie sieht bei dir die Zukunft aus?
_Boris Koch:_
Abwarten, ich hab jetzt Blut geleckt, was Romane anbelangt; hab da Lust, was zu machen, zu schreiben. Schauen, was da als Nächstes kommt. Aber ob Phantastik, realistisch, historisch oder Kinderbuch, das werden wir sehen. Das entscheide ich dann, wenn ich mit dem Roman fertig bin, also mit der Überarbeitung. Ansonsten kann ich mir auch andere Medien vorstellen. Comic oder Hörspiel würden mich beide sehr reizen. Film auch, klar – aber ich glaube, beim Hörspiel hat man mehr Freiheiten als beim Film. Es ist einfach spannender in Hinsicht auf die Umsetzung, weil das alles gleich teuer ist. Die Geräusche von einem explodierenden Hubschrauber sind genauso teuer wie die einer Fliege. Beim Film kommt dir irgendeiner mit Budget und du kannst irgendetwas nicht machen. Nicht, dass ich jetzt auf einen explodierenden Hubschrauber Wert lege, aber vom Prinzip ist es einfach so, dass man beim Hörspiel viel freier ist. Da würde ich halt gern was machen.
_Christian von Aster:_
Zumal wir da auch zu dritt was machen könnten. Die Technik haben wir, das ist beim Hörspiel ganz schön.
Ich hab meine Kinderbücher gar nicht erwähnt. Ich muss ja nur noch zwei illustrieren, dann hab ich nämlich zwei. Vergesse ich immer.
_Sven Ollermann:_
Das heißt, du illustrierst selbst?
_Christian von Aster:_
Manchmal. Ich hab ja damals Kunst und Germanistik studiert und das heißt, mich irgendwann auch mal für andere Sachen interessiert.
_Sven Ollermann:_
Wie sieht es bei euch mit Hörbüchern aus? Markolf, wir hatten das ja beim [letzten Mal]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=34 schon. Du kannst dir das vorstellen, Romane als Hörbücher freizugeben.
Wie ist das bei euch beiden? Oder doch lieber in Eigenproduktion und nicht immer die großen Synchronsprecher oder Schauspieler als Sprecher?
_Boris Koch:_
Weiß ich nicht, aber knallhart gesagt, es ist einfach eine Geldfrage. Wenn ein Verlag sagt, hör zu, hier kriegst du soundsoviel Geld für die Hörspiel-/Hörbuchrechte an dem Ding, freue ich mich. Ansonsten, wie man sich das traumhaft vorstellt, ist natürlich, dass eine möglichst große Verbreitung da ist, damit man einfach gehört wird. Und beim Sprecher: Es gibt sehr gute, die es meinetwegen gern machen könnten.
_Sven Ollermann:_
Christian, Hörbücher und Hörspiele? Oder gar nicht so deine Welt? Ein Hörbuch hast du ja schon draußen, würdest du weitermachen in der Richtung?
_Christian von Aster:_
Eins? Zwei, du Arsch.
_Sven Ollermann:_
Wie schon zwei?
_Christian von Aster:_
„Das Koboltikum“ und „Höllenherz“. Ach ja, und „House of Usher“. Ich finde Hörbücher und Hörspiele sehr geil, aber empfinde das Ding mit den prominenten Sprechern – auch wenn ich mich damit unpopulär mache – als die Pest. Du kannst den größten Scheiß machen und nimmst halt Joachim Kerzel (Synchronstimme u. a. von Jack Nicholson) und dann glänzt es auch wie Gold. Genau so funktioniert das.
_Markolf Hoffmann:_
Na ja, auf der anderen Seite kann man das auch langsam gar nicht mehr hören, ständig die Synchronstimme von Robert De Niro.
_Christian von Aster:_
Daran krampft es irgendwie ein bisschen. Aber Verlage nehmen halt lieber diese großen Stimmen, weil die eben nochmal zusätzlich Absatz versprechen. Finde ich ein bisschen unschön. Also, ich denke, alleine produzieren wäre fein, aber wie Boris schon sagte, wenn man für die Rechte Kohle geboten kriegt, dann sollte man nicht nein sagen. Denn was uns dann irgendwie, glaub ich, das Wichtigste ist, auch wenn ich da jetzt für die Kollegen spreche, ist einfach, wenn du irgendwoher mal Kohle kriegst und dir mal ein halbes Jahr keine Sorgen machen musst, um dann arbeiten zu können. Ich weiß ja nicht, ob hier irgendwer den Eindruck erwecken möchte, dass wir keine Geldprobleme haben. So ist das zumindest bei mir, und es ist einfach übelst anstrengend, wenn du jedes Wochenende auf Lesungen bist und dann unter der Woche vier Tage Zeit hast, um dein Zeug irgendwie auf die Reihe zu kriegen – und da auch immer noch den ganzen anderen Scheiß machen musst. Von daher, verkaufen ist schon immer gut, und das darf dann auch Joachim Kerzel oder wer auch immer lesen. Tja, aber ansonsten, selber machen ist nicht das Falscheste.
_Boris Koch:_
Wichtig ist halt, das der Text halbwegs so bleibt. Es gibt ja auch gekürzte Lesungen. Sinnvolle Kürzungen, ja, aber bei gekürzten oder veränderten Texte möchte ich mich nicht plötzlich wundern müssen, wie es zu einer derartig konservativen Einstellung des Protagonisten kommt und wo das Happy End plötzlich her ist.
_Sven Ollermann:_
Thema große Verlage – kleine Verlage. Markolf ist ja bei Piper. Boris, du hast mit Medusenblut mindestens einen kleinen Verlag, in dem du tätig bist. Hast du den mit aufgebaut – ist das quasi dein Baby, oder bist du da irgendwie anders zu gestoßen?
_Boris Koch:_
Ist quasi mein Baby. War es von Anfang an, mehr oder weniger. Es sollte eigentlich nur eine Reihe innerhalb eines Verlages werden. Bevor das erste Ding rausgekommen ist, hatte ich mich mit dem Verlag … na ja, sagen wir, wir hatten den Kontakt verloren. Er hat sich nicht mehr gemeldet. Lag wahrscheinlich an gewissen Differenzen, die wir hatten, was politische Ansichten anbelangt.
Und dann ergab es sich einfach, ich hatte ’nen Schwung Autoren, aber keinen Verlag mehr, und dachte dann, na gut, machen wir es halt selber. Ich hatte davor schon mal ein Fanzine herausgegeben, von daher war das nicht ganz blauäugig. Nur zwei Drittel blauäugig.
_Sven Ollermann:_
Der Verlag soll aber schon weiterhin in der literarischen Landschaft agieren, oder würdest du den einstampfen, wenn du irgendwo bei einem großen Verlag mit deinen Sachen unterkommst?
_Boris Koch:_
Nee, eingestampft auf keinen Fall. Das ist ja nicht ausschließlich ein Verlag für meine Bücher, es sind zwar welche von mir dabei, aber ein Großteil sind ja andere Autoren. Es ist ja auch eine andere Arbeit. Ich kann mir da Umstrukturierungen vorstellen, klar. Aber das hat nichts mit meinem Schreiben zu tun. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich überhaupt nichts Phantastisches über Jahre schreibe, aber der Verlag ist halt einer, der nur Phantastik rausbringt, also das ist inhaltlich eine komplette Unterscheidung.
_Sven Ollermann:_
Das heißt, die Verlagsarbeit ist auch durchaus neben der Schreiberei wichtig für dich?
_Boris Koch:_
Ja.
_Sven Ollermann:_
Und bei dir, Christian, du hast, wie ich neulich festgestellt habe, auch einen kleinen Verlag, um so schreiben zu können, wie du das gerne möchtest.
_Christian von Aster:_
Ich hab damals … Ich bin nicht mit so viel Geduld gesegnet wie andere Autoren. Mitunter, wenn man an zehn oder zwanzig Verlage was schickt – und ich habe damals halt geschickt und keine positive Antwort bekommen. Mein Ego wollte das halt nicht so auf sich sitzen lassen und da hab ich eben angefangen, meine Sachen selber zu veröffentlichen. So ab und zu mach ich auch manchmal eine – wie heißt das – eine Anthologie. Und hab da dann manchmal seltsame Ideen, was man da so machen könnte. Aber vor allem ist es ausschlaggebend, dass ich schreiben kann, was ich will und wie ich es will. Darum veröffentliche ich eben auch von Kinderbüchern über Science-Fiction bis zu Horror, und solche Sachen, die man nirgendwo kategorisieren kann. Ähnlich wie Ubooks, aber anders. Also, es ist die Freiheit, alles so machen zu können, wie ich es will.
_Sven Ollermann:_
Auch mit der Gefahr, dass du es dann nicht absetzen kannst?
_Christian von Aster:_
Das Gros meiner Einkünfte kommt ja tatsächlich über die Lesungen. Eine Mischung aus Kabarett und Literatur. Dadurch passiert sehr viel. Auf den Lesungen setze ich halt eben auch einige Bücher ab. Ist eine Nische. Heutzutage musst du mit einem Verlag entweder groß sein oder eine Nische bedienen. Das, was Boris meines Erachtens auch macht, und was ich mache, sind kleine Verlage, aber Boris ist professioneller. Ich möchte mir nicht immer so viel Stress mit den Büchern machen, deshalb mach ich auch immer so understatement designs.
_Sven Ollermann:_
Wobei, wenn man an das Trollbuch zurückdenkt oder das Koboltikum …
_Christian von Aster:_
Solche Sachen sind was Besonderes, was zwischendurch passiert. Wenn du ein Buch mit Schieferplatten als Cover oder mit gebeiztem Holz machst, oder so …
_Markolf Hoffmann:_
Wie wär’s mal mit Wurstscheiben? |(lacht)|
_Christian von Aster:_
Brotscheiben, nicht Wurst. Wenn man die vernünftig imprägnieren kann, wäre Brot eigentlich gar nicht falsch. So Knäckebrot …
Na ja, die Trollbücher müssen jetzt verteufelt fertig werden. Wir werden in der Schweiz in einer Höhle lesen, mit Trollmusik und einer Geschichtenerzählerin und mit mir, und da muss ich natürlich einige Bücher mitnehmen. Hauptsache ist, ich kann machen, was ich will. Für mich ist es einfach ein Austoben, der Verlag ist nicht auf Expansion ausgelegt, es reicht, wenn er sich selbst trägt und mir meine Miete zahlt. Und dann darf man ja nicht vergessen, diese Lesungsdinger sind ja nicht zu unterschätzen, es gibt ja auch sehr große Aktionen, so wie zum Beispiel das WGT, wo ich dann halt vor tausend Leuten innerhalb von drei Tagen lese. Und da verkauft man dann schon zwei Bücher. Es funktioniert halt anders, es ist eine Nische und es ist anstrengender Scheiß, aber es ist gut für mich.
_Sven Ollermann:_
Markolf – großer Verlag. Wo liegen die Vorteile bzw. Nachteile gegenüber dem, was deine Herren Kollegen gerade erzählt haben?
_Markolf Hoffmann:_
Die Vorteile liegen auf der Hand: Man steht in den Buchläden, man verdient eine feste Summe, der Verlag kümmert sich natürlich um Werbung, etc. – mal mehr, mal weniger. Der Nachteil ist, es reden dir natürlich sehr viele andere mit rein. Man muss um Seitenzahlen kämpfen, man ärgert sich über Cover, die einem nicht passen, man hat Abgabetermine, die mehr oder weniger unumstößlich sind. Man ist halt nicht so frei wie die Kollegen.
_Boris Koch:_
Aber auch bei den kleinen Verlagen hast du halbwegs Abgabetermine, die du einhalten solltest, die dich fordern, weil … du hast ja auch einen Abgabetermin für deine Miete.
_Sven Ollermann:_
Du würdest also auch definitiv bei den großen Verlagen bleiben wollen und nicht in einem kleinen Verlag rumwuseln, wenn dir die großen eine Absage erteilen?
_Markolf Hoffmann:_
Also erstmal, wenn man in einem großen Verlag veröffentlicht, dann finde ich das schön und gut, hat wie gesagt auch viele Vorteile, und ich bin froh, diesen Schritt so problemlos geschafft zu haben. Gleich im ersten Anlauf, was ja schon ungewöhnlich ist. Da hab ich verdammt viel Glück gehabt. Es schließt sich ja nicht aus, auch in Kleinverlagen zu veröffentlichen. Ich hab jetzt auch schon einen Text für eine Anthologie geschrieben, die erscheint in einem kleinen Verlag, der neu gegründet wurde. In den „Arkham-Reiseführer“ hat Christian mich hineingeschmuggelt. So etwas wie Anthologien machen große Verlage ja eigentlich gar nicht, oder es läuft unter ganz obskuren Bedingungen ab. Das ist eine Nische, die kleine Verlage haben und das finde ich auch sehr wichtig. Zum Glück habe ich ja Kontakt zu meinen beiden Stirnhirn-Kollegen – ich wuchere buchstäblich aus der großen Verlagswelt in die kleine Verlagswelt hinein. Eine ganz perfide Strategie.
_Sven Ollermann:_
Schlagen wir mal eine kleine Brücke zwischen StirnhirnHinterZimmer und Verlag. Wie sieht das aus, habt ihr vor, was zu veröffentlichen?
_Boris Koch:_
Ist in Planung, wird kommen.
_Christian von Aster:_
Wird kommen. Das ist eine gute Aussage.
_Markolf Hoffmann:_
Muss kommen.
_Sven Ollermann:_
Großer Verlag oder kleiner Verlag?
_Boris Koch:_
Werden wir sehen.
_Markolf Hoffmann:_
Du siehst, wir machen den Eindruck, das Feuer unter dem Kessel zu schüren.
_Christian von Aster:_
Genau, es wird ein beeindruckendes Buch. Es wird groß, phantastisch.
_Markolf Hoffmann:_
Es wird wirklich ein „Best of“ im besten Sinne des Wortes.
_Sven Ollermann:_
So, dann ist jetzt noch ein bisschen Platz für Werbung und eigene Worte an die Leser. Christian?
_Christian von Aster:_
StirnhirnHinterZimmer rockt. Prima. Was für Kinder und Eltern. Spaß für die ganze Familie.
_Markolf Hoffmann:_
Also, mein Werbespruch wäre: StirnhirnHinterZimmer – kommt vorbei, sonst kommt es zu euch.
_Boris Koch:_
Noch mehr Werbung muss nicht sein. Aber hätte irgendwer dort draußen Lust, einmal im Monat zum Saubermachen vorbeizukommen? Die Stirnhirnbrösel treten sich sonst in den Teppich.
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