John Shirley – Ein herrliches Chaos. SF-Roman

Abenteuer in der Welt der Leiden

Zusammen mit ein paar Freunden schlendert Zero durch das nächtliche New York. Sie gehen in eine neue Disco, die keinen Eintritt kostet, sogar die Getränke sind frei. Sie lachen, sie tanzen. Dann entdecken sie, dass sie nicht mehr hinaus können, eine Art Hotel California: Die vermeintliche Discothek ist eine Falle. Sie erwachen an einem unbekannten Ort voller Raubtiere, alptraumhafter Parasiten, Gestaltveränderer und Ungeheuer. In einer Welt voller Schmerzen suchen sie Zuflucht – und die Wahrheit! (Verlagsinfo)

Der Autor

John Shirley ist ein Rockmusiker und Horror-Schriftsteller, und das merkt man seinem Buch an. „A splendid chaos“ ist neben seiner „Eclipse“-Trilogie (A Song Called Youth, 1985-90) der einzige international erfolgreiche Roman Shirleys. Aber auch seine Cyberpunk-orientierten Short Stories werden immer wieder ausgelegt – als „Hitzefühler“ (Heatseeker, 1988) auch bei Heyne.

Handlung

Der Roman spielt auf einem surreal anmutenden Planenten, auf den junge Menschen wie Zero von Aliens entführt werden, die dort ein Experiment durchführen. Das Verhalten der Aliens – die sich als Beobachter aus allen Aktionen raushalten – ist ebenso unvorhersehbar wie die Angriffe, die die feindliche Umwelt des Planeten in jeder Form jeden die neuen Bewohner führt. Eine kleine Gruppe um Zero macht sich auf, um eine weit entfernte Forschungsstation zu erreichen, wo sie Rettung erhoffen.

Die größte Gefahr droht von einer Gruppe Mitmenschen, die in Form und Aussehen umgestaltet wurden, um die dunklen Phantasien des Autors zu erfüllen – sie gleichen Drachen, Riesen, großen Teddybären. Der schlimmste von ihnen ist Fiskle, der sich zum Herrscher des Planeten aufschwingt. Durch seine Rhetorik und Telepathie zwingt er den Rest der Bevölkerung bald unter seine Fuchtel. Eine dritte Gruppe ringt um Unabhängigkeit, einen dritten Weg zwischen Fiskle und seinen Feinden, Zeros Gruppe.

Im Grunde geht es also um Rebellion gegen ein unrechtmäßiges Regime. Es geht aber auch um ein weit existentielleres Thema: Zeros Gruppe muß alle möglichen Gefahren und Leiden bestehen. Unter diesem Druck müssen sich die jungen Menschen neu definieren, eine Verteidigungsstrategie aufbauen, um überleben zu können. Dies gilt nicht nur in physischer, sondern besonders in psychischer Hinsicht.

Zeros Gefährten sind einem psychogenen Feld ausgesetzt, der „Strömung“. Ihre schlimmsten Alpträume werden wahr. Die Menschen und nicht so menschlichen Gefährten reagieren darauf ganz unterschiedlich – und oft nicht zu ihrem Besten. Dies erinnert an einen psychedelischen Trip durch Alice’s Wunderland, gepaart mit der Moral von Bunyans „Pilgrim’s Progress“ aus dem 17. Jahrhundert. Dies könnte eine Parabel auf den Werdegang zahlreicher Weggefährten John Shirleys in der Rockszene sein. Viele überlebten nicht: Opfer von Drogen, von Gewalt (siehe Altamont), von Illusionen.

Erst als es Zeros zusammengeschmolzenem Trüppchen gelingt, die Forschungsstation zu erreichen, kann Zero mittels einer maskenähnlichen Vorrichtung das Feld unter seine Kontrolle bringen und mit den neuen Kräften Fiskle stürzen.

Zuvor sprach er noch mit den Aliens, die mit ihren Kameras das Geschehen auf ihrem Planeten, ihrem Experimentierfeld, aufnahmen. „Durch euch nimmt sich Gott selbst wahr, ja das ganze Universum“ ist ihre zynische Erklärung. Die Welt als Panoptikum? Vielen Dank auch! – Leider ziehen die Aliens weiter, zu einer Welt namens Erde…

Mein Eindruck

„Ein herrliches Chaos“ ist nicht einfach zu lesen und bereitet auch sonst wenig Vergnügen. Es hätte ein Horror-Roman werden können oder Fantasy oder SF-mäßiger Stephen King. Nichts davon. Es ist reiner Shirley – ein Kaleidoskop von Szenen des Leidens und der Rebellion, manchmal blutig, manchmal tragikomisch, niemals spaßig. Shirleys ungerichtete Wut – gegen das System, das Leben? – mengt allen Szenen eine Bitternis bei, die nicht leicht zu ertragen ist.

Dennoch ragt das Buch über den Durchschnitt weit hinaus, was den Cyberpunk angeht. Cyberpunk ist häufig die Rebellion der armen Lowlife-Schlucker gegen die Hightech-Typen da oben. Wenn auch der Hightech fehlt, so stimmt doch die sonstige Konstellation auch in diesem Roman. Das muss man nicht unbedingt mögen.

Dies ist auch das Thema der „Eclipse“-Trilogie: Unter einem neofaschistischen Regime in den USA, das den 3.Weltkrieg führt, versuchen Rebellen – mit Erfolg und Hightech-Mitteln – die Freiheit zurückzuerlangen – ein ur-amerikanisches Thema.

Taschenbuch: 366 Seiten
Originaltitel: A splendid chaos, 1988
Aus dem Englischen von Walter Brumm.
ISBN-13: 9783453042674

www.heyne.de

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