Nach einer gewaltigen Explosion auf der alten Erde sah sich das Zentrale Lenkungskomitee auf Neuerde dazu gezwungen zu handeln. Beschlossen wurde fortan, dass alle Probleme, die sich dort ergeben, nur noch in der virtuellen Welt des Computer-Rollenspiels ‚Epic‘ gelöst werden sollen,und dies in der dortigen Arena.
Erik und seine Familie sind von dieser Entscheidung auch betroffen und müssen auch schon erste Opfer bringen. Seine Mutter war der Epic-Welt nicht mehr gewachsen, und auch Erik selber hat unlängst ein weiteres Leben in der Cyberwelt verloren. Ihm bleibt nur noch die eine Chance, mittels eines weiteren selbst kreierten Charakters in ‚Epic‘ zu bestehen und das Zentrale Lenkungskomitee zu besiegen, und hierfür greift er auf recht unkonventionelle Mittel zurück.
Seine Figur wird nämlich nicht mit Waffen und Zaubersprüchen bestückt, sondern ausschließlich mit Schönheit. Überrascht von diesen Attributen, wird Erik alias Cindella in eine ganz neue Rahmenhandlung einbezogen. Als dann aber auch auf Neuerde noch Probleme auftreten und sein Vater wegen einer einmaligen Gewaltanwendung in der Realität verbannt werden soll, muss Erik sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Doch gerade dies ist für Erik Motivation genug, es den Feinden in ‚Epic‘ erst so richtig zu zeigen.
Meine Meinung
„Epic“ ist ein sehr ungewöhnlicher Roman, zumindest was seine Geschichte angeht. Nicht etwa, dass die Thematik einer virtuellen Welt abseits der Realität jetzt sonderlich neu wäre, aber die Art und Weise, wie Conor Kostick seine Figuren in die Handlung einbezieht bzw. eben jene konstruiert, ist alles andere als handelsüblich. Dabei fängt alles recht behäbig an: Der Autor beschreibt die Gedanken des jungen Erik und seine alltäglichen Probleme, die sich bereits zu diesem Zeitpunkt voll und ganz mit „Epic“ beschäftigen. Er steht unter Druck, weil das Qualifikationsturnier für die Universität bevorsteht, und selbst wenn er normalerweise ein unheimlich begabter Spieler ist, fürchtet er dieses Mal, dass er ähnlich wie seine Mutter den Gegnern in dieser Welt unterliegt.
Um sich dennoch zu behaupten, strickt Erik sich eine außergewöhnliche Methode zusammen und plant anfangs gar nicht, die als Cindella (Ähnlichkeiten sind sicher nur rein zufällig …) eingeführte Person zu einem echten Charakter heranreifen zu lassen. Doch „Epic“ ist voller Überraschungen, und die größte ist wohl, dass sich das hübsche Mädel auf Anhieb eine Menge Akzeptanz erspielen kann. Dies zwingt Erik erneut zum Undenken, denn nun liegt es an ihm, diese unbarmherzige Fantasy-Welt einzureißen und die Realität und Gerechtigkeit wieder Richter auf Neuerde sein zu lassen. Doch genau diese Realität macht ihm mehrfach einen Strich durch die Rechnung, denn anscheinend kann sie nicht in Harmonie mit den Vorgängen in „Epic“ existieren.
Conor Kostick spricht in diesem Phantastik-Thriller eine sehr beängstigende Vostellung an und geht damit auch ziemlich weit ins Detail, neigt aber leider auch manches Mal zu Übertreibungen. Gerade wenn es darum geht, mit Superlativen zu arbeiten, zeigt sich der Autor äußerst einsatzfreudig, nur um die darin propagierten Fähigkeiten kurze Zeit später wieder umzustürzen. Der ach so mächtige Gegner zum Beispiel kann trotz Kosticks Umschreibung plötzlich mit Leichtigkeit besiegt werden, und das nimmt der Story bisweilen etwas von ihrer Glaubwürdigkeit. Natürlich gilt es hierbei zu beachten, dass das Buch im Grunde genommen nur auf Thesen und äußerst depressiven Zukunftsvisionen aufbaut, doch gebe ich zu bedenken, dass selbst diese nicht haltlos sein sollten, um zumindest das erforderliche Maß an Authentizität zu erreichen.
Davon mal abgesehen, sind die Gedanken des Autors ziemlich interessant, sowohl bezogen auf den Inhalt als auch auf die arg bedrückte Umsetzung. Es ist zwar schon so, dass die Ereignisse in „Epic“ sehr realitätsfremd erscheinen und eine gewisse Vorstellungskraft erfordern, damit man Zugang zu diesem Thema finden kann, doch sobald sich genau dieses dann eingefunden hat, wachsen gleichzeitig auch die Befürchtungen, dass die hier beschriebenen Geschehnisse tatsächlich eines Tages Wirklichkeit werden könnten. Insofern, sprich was die Atmosphäre der Geschichte betrifft, ist die Beschreibung eines virtuellen Kontrollstaates, der ja indirekt hinter dieser Welt steht, schon ziemlich beängstigend.
Dies ist mitunter auch der wichtigste Aspekt an diesem Roman; er erzielt trotz der phantasievollen Handlung eine angsteinflößende Wirkung, ob nun bewusst oder unbewusst. Aber was Erik, seinen Freunden und seiner Familie in Neuerde bzw. beim Tragen des süchtig machenden Datenhelms widerfährt, geht unter die Haut und gibt zu Denken – es mag nämlich nur ein sehr abstraktes Bild des zukünftigen virtuellen Zeitalters sein, aber eben keines, das man sich nicht vorstellen könnte. Hinzu kommt noch, dass Kostick den Leser gar nicht so nah an seine Charaktere heranlässt und so Freiräume schafft, die diese oben beschriebene Wirkung noch verstärken. Permanent arbeitet der Autor mit Stilmitteln, die beide Extreme – Realität und Phantasie – unterstützen und schafft es damit zwischenzeitlich sogar, den Leser selbst als Teil von „Epic“ zu sehen. Und das ist in der Tat wirkungsvoll.
Kurzum: „Epic“ ist eine andere Variante der geliebten „Matrix“; zwar nicht ganz so philosophisch, dafür aber mindestens genauso majestätisch und eindrucksvoll aufgebaut. Conor Kostick weiß ganz genau, wie er die Leser in den Bann der Ereignisse zieht, setzt hierzu alle erforderlichen Mittel ein und schwört trotzdem auf eine relativ simple Storyline. Aus diesem Grund würde es mich auch kaum wundern, wenn das schmucke Hardcover-Exemplar mit dem Hologramm in der Mitte auch bald hierzulande einige Preise einheimsen wird. Argumente bietet dieser trotz allem leicht überschaubare Schmöker jedenfalls genügend.
Gebundene Ausgabe: 266 Seiten
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