Philip José Farmer – Die Flusswelt der Zeit (Flusswelt 1)

Auf einer von Unbekannten erschaffenen Welt erwachen Milliarden von gestorbenen Menschen wieder, um ohne ihr Wissen an einem anthropologischen und soziologischen Experiment teilzunehmen. Richard Francis Burton, britischer Abenteurer, gestorben 1890, macht sich mit Gefährten auf den Weg, den Zweck des Experiments von den Erbauern zu erfragen. – Die ersten beiden Romane des FLUSSWELT-Zyklus wurden verfilmt.

Der Autor

Philip José Farmer wurde bereits 1918 in North Terre Haute, Indiana, als Nachkomme von deutschen, niederländischen und irischen Vorfahren geboren. 1946 verkaufte er eine Kriegserzählung an das Magazin „Adventure“, sein erster Roman „The Lovers“ (Die Liebenden) erschien 1952 in „Startling Stories“ und brachte zum ersten Mal das Thema Sexualität in die (eher prüden) Science-Fiction-Magazine seiner Zeit ein. Danach galt er als Tabubrecher. Viele seiner Werke zeichnen sich durch unterhaltende Themen und Erzählweise sowie durch Ideenreichtum aus. Das gilt auch für den fünfbändigen Flusswelt-Zyklus.

1) Die Flusswelt der Zeit (1953/1971)
2) Auf dem Zeitstrom (1971)
3) Das dunkle Muster (1977)
4) Das magische Labyrinth (1980)
5) Die Götter der Flusswelt (1983)

Der erste Flusswelt-Roman entstand bereits 1953 anlässlich eines Romanwettbewerbs, doch Farmer wurde um Preis und Honorar betrogen. Das im Jahr 1972 mit dem renommierten |Hugo Gernsback Award| ausgezeichnete Werk erschien schließlich erst 1971, nachdem der Autor mehrere Teile zu einem lesbaren Ganzen verschmolzen hatte: eine sogenannte Fix-up-Novel, wie sie in der phantastischen Literatur keineswegs selten ist.

Hinweis

Am Schluss von „Die Götter der Flusswelt“ findet ihr eine Zusammenfassung der Handlung, in der der Autor alles erklärt. Das erspart zwar die Mühe des Lesens und verschafft schnellen Durchblick, bringt den Leser aber um das Vergnügen all der Abenteuer, die die Helden aus allen Erdepochen zu bestehen haben – und das sind eine ganze Menge!

Hintergrund: die Flusswelt

Die Flusswelt ist ein riesiger, offenbar künstlich geschaffener Planet, der keine Jahreszeiten kennt, aber ein angenehmes Klima aufweist. Diese erdähnliche Welt wird von einem über 20 Millionen Kilometer langen Flusstal durchzogen, das zu beiden Seiten von unüberwindbar hohen, steilen Gebirgszügen eingegrenzt wird. Ab und zu fallen Meteore auf die Gebirge, sie bedeuten das einzige Metallvorkommen. Auf beiden Ufern des Flusstals sind merkwürdige Kunstgebilde auszumachen, die pilzfömig in die Höhe ragen und Schutz vor dem Regen bieten, der pünktlich um drei Uhr morgens einsetzt. Diese „Gralsteine“ sind – neben den Flussfischen – die einzige Nahrungs- und Versorgungsquelle für die künftigen Bewohner: die Menschen der Erde.

Dieser Planet wird im Jahr 2008 zur Stätte der Wiedergeburt für fast die gesamte Menschheit. Es wird aber bemerkt, dass es keine Kinder unter fünf Jahren und keine Alten über sechzig Jahren gibt. Unter den Wiedererweckten befinden sich alle restlichen Menschen und Hominiden aus den letzten zwei Millionen Jahren auf Erden. Sie alle finden sich am Wiedererweckungstag nackt, haarlos, beschnitten und 25-jährig an den Ufern des großen Flusses wieder. Die Gralsteine spenden ihnen Nahrung und Kleider. Die Ausgangsposition ist also für alle gleich. Ideal für das Experiment, das die Erbauer dieser Welt hier durchführen. Doch zu welchem Zweck?

Handlung

Sir Richard Francis Burton, der britische Forschungsreisende, Literat, Soldat, Konsul und Abenteurer, hatte zu Lebzeiten versucht, die Quellen des Nils zu entdecken (und war dabei betrogen worden), hatte „Tausendundeine Nacht“ ins Englische übersetzt, diverse skandalträchtige Bücher verfasst und war (um 1852) der erste Europäer, der, als Moslem verkleidet, die heiligen Städte Mekka und Medina besuchte.

Er war zeit seines Lebens kein gläubiger Mensch gewesen. Als er 1890 im italienischen Triest, wo er britischer Konsul war, einer Herzattacke erliegt, glaubt er daher nicht an ein Leben nach dem Tode. Er hat sich getäuscht.

Zunächst erwacht er als erster von Milliarden Menschen in einem Zwischen-Raum, den man sich heute gut als „Matrix“ vorstellen darf: Milliarden nackte Menschen stecken bewusstlos in Blasen, die jeweils an einem Stab befestigt sind. Burton erlangt das Bewusstsein als Erster wieder und bemerkt die anderen Menschenwesen ringsum – endlose Reihen. Kurz darauf zieht ihn eine unsichtbare Kraft auf die Oberfläche der Flusswelt. In seinen Träumen sieht Burton immer einen dunklen Turm, der ihn am Nordpol erwartet. Diese zwei Elemente – das vorzeitige Erwachen und der dunkle Turm – unterscheiden Burton von allen anderen Milliarden Wiedererweckten. Das wird später wichtig.

Er erwacht in dem oben beschriebenen Flusstal, mit nichts am Leib als einem seltsamen Metallzylinder. Schon bald weiß er, was das Ding ist: ein Gral. Man steckt ihn in die Vertiefungen der pilzförmigen Gralsteine, sobald ein flammenförmiges Signal sichtbar ist und erhält wenig später in diesem Ding Nahrungsmittel, aber auch Schnaps, Zigarren, Zigaretten und seltsame Kaugummistreifen. Ein Amerikaner namens Peter Jairus Frigate (die Initialen PJF verraten, dass es sich um eine Inkarnation des Autors handelt) klärt Burton darüber auf, was Kaugummi ist. Frigate ist Science-Fiction-Autor und mit dem Leben und Werk des Richard Francis Burton bestens vertraut.

Andere Wiederweckte sind nicht so freundlich. Eine Jude namens Lev Ruach klagt Burton des Antisemitismus an und würde ihn am liebsten umbringen. Aber wer war Hitler? Burton hat keine Ahnung. Es gibt auch einen Alien, Monát, und einen Frühmenschen, Kazz. Der Alien gesteht, dass er es war, der im Jahr 2008 mit seiner Geheimwaffe die Erde sterilisierte. „Aber es war Notwehr!“

Die erste Nacht

Schon in der ersten Nacht finden Männlein und Weiblein unweigerlich zusammen, besonders da beide unbekleidet sind. Der Kaugummi kommt jetzt zum Einsatz und zeitigt verhängsvolle Wirkungen: Die Droge darin baut alle Hemmungen ab. So kommt es in kürzester Zeit zu Mord und Totschlag, zu Vergewaltigungen. Auch Burton und die von ihm verehrte (oder vielmehr begehrte) Lady Alice Liddell Hargreaves (sie ist das in „Alice im Wunderland“ verweigte Mädchen) können sich dem Befehl des Geschlechtstriebs nicht entziehen. Nach dem Abklingen des Drogenrausches jedoch will Alice diesen „wahnsinnigen“ Mr. Burton nie mehr wiedersehen.

Schon bald kommt es zu Gruppenbildung, und der Kampf ums Überleben beginnt. Burton erweist sich als natürlicher Führer, und Frigate, Alice und sogar Lev schließen sich ihm an, ebenso Monat und Kazz. Nach wenigen Wochen erwacht in Burton die alte Unrast, er gibt sich mit der bloßen Tatsache seiner Wiedergeburt nicht zufrieden. Er will herausfinden, wer ihn um seinen Tod betrogen hat und mit der menschlichen Rasse diese „groteske Posse“ treibt. Denn grausamerweise können die Frauen auf dieser Welt keine Kinder empfangen. Schon in wenigen Jahren würde es nur noch Alte geben und schließlich niemanden mehr, oder?

Die Expedition

Zusammen mit seiner Gruppe und weiteren Begleitern macht er sich auf einem selbstgebauten Bambusboot auf, den Ursprung des Flusses zu finden – wie einst die Quellen des Nils. Fünf Jahre schippern sie den Fluss hinauf, begegnen zahlreiche Kulturen und Stämmen aus allen Zeiten. Frigate ist bald klar: „Dieser zeitliche Schmelztiegel stellt das größte anthropologische und sozialwissenschaftliche Unternehmen dar, das je gestartet wurde.“

Doch da sich die Menschen nicht um ihren Lebensunterhalt kümmern und keine Kinder großziehen müssen, suchen sie anderweitig die Langeweile zu vertreiben: Sie führen Krieg. Auf diese Weise geraten Burton & Co. öfters in Not, bis sie eines Tages nicht mehr entkommen können. Sie geraten zwei Tyrannen in die Hände: Hermann Göring, einst Reichsmarschall bzw. „Reichsjägermeister“ im Dritten Reich, und, weit schlimmer, einem römischen König namens Tullius Hostilius, der mit dem kleinen Volk der Römer Krieg gegen die umliegenden Stämme führte. Leider ist Göring ebenso drogenabhängig und wahnsinnig.

Gefangen!

In Görings Festung gelingt Burton eine wichtige Entdeckung: Die Wiedererweckten können nicht sterben, das heißt, nur ihre Körper, nicht aber ihre geistige Essenz mit dem Gedächtnis. Später wird sich Burton auf der Suche nach den Erbauern der Flusswelt genau 777-mal selbst töten (oder töten lassen), um sich ihrem dunklen Turm zu nähern.

Eine zweite wichtige Entdeckung: Unter den Menschen befinden sich die Agenten der Erbauer, und einer von ihnen, „Spruce“, berichtet unter Androhung von Folter, worum es den „Ethikern“ geht und warum sie unbedingt Burton haben wollen: Er weiß zu viel, ganz besonders über jene Matrix-Zwischenwelt und den dunklen Turm. Ein anderer Agent offenbart sich Burton als ein Renegat unter den Erbauern. Wem soll Burton glauben?

Wo ist die Matrix-Quelle?

Von nun an dreht sich Burtons Streben nur noch um den Kampf gegen den unsterblichen Hermann Göring, der ihn verfolgt, und gegen die „Ethiker“. Beide sind hinter ihm her. Doch die Flusswelt ist groß, sehr groß.

Mein Eindruck

Wie schon in meiner Inhaltsangabe angedeutet, erinnerten mich viele Aspekte des Romans an die „Matrix“-Trilogie der Wachowski-Brüder. Ohne viel ins Detail gehen zu wollen – das können die Literaturwissenschaftler erledigen -, geht es wie in den Filmen um die Erkenntnis, worin der Sinn der eigenen Existenz besteht. Ja, mehr noch: worin der Sinn des Todes und der Existenz nach der Wiederweckung besteht.

Wenn man sich die Erklärungsmodelle für die Existenz nach dem Tod ansieht, so halten die diversen Religionen mehrere Antworten bereit. Sie sind alle irrelevant, wie sich zeigt, denn die Wiedererweckten verfügen über ewiges Leben, aber über keine Kinder. Die einzigen Erkenntnisse, die sie erwerben, können sie nicht an Kinder weitergeben, die diese dann adaptieren würden, sondern an sich selbst, wenn sie wieder mal gestorben sind. Daher scheitern zwar viele Religionen, doch es ensteht eine neue Kirche: die der zweiten Chance. Burton hat damit ausnahmsweise kein Problem, obwohl er Agnostiker ist, doch tritt er gleich wieder aus, weil er das kirchliche Verbot des Tötens nicht befolgen will.

Worin Burtons Glaube wirklich besteht, offenbaren ihm zunächst seine Träume: der dunkle Turm am Nordpol und an der Quelle des Flusses. Da dies das Machtzentrum der „Ethiker“ ist, stellt Burtons Expedition eine Suche nach Erkenntnis in der Realität dar. Seine Fahrt stromauf ist eine Queste, wie man sie in einem Artusroman nicht besser schildern könnte. Natürlich muss er gegen Wiedersacher kämpfen (Göring) und das Herz einer edlen Frau gewinnen (Alice Liddell). Der Ausgang soll nicht verraten werden.

Die Parallele zu Neos Queste auf der Suche nach der Quelle der Matrix ist offensichtlich. Nachdem es ihm in Teil 2 nicht gelungen ist, die Quelle (das Hochhaus) zu zerstören, muss er in Teil 3 seine eigene Existenz aufs Spiel setzen, will er die Quelle ausschalten. Zudem finden ständig Zweikämpfe mit seinem brüderlichen Widersacher Agent Smith statt und Rettungsaktionen für die Herzensdame Trinity. Jeweils in ihrem eigenen Medium befolgen die Autoren die uralten Regeln und Richtlinien, die für Heldengeschichten gelten.

Der Viktorianer

Zunächst einmal ist es recht spannend zu verfolgen, wie sich Burton, der uns erst richtig ab Seite 125 vorgestellt wird, mit der neuen Welt auseinandersetzt. Ist dies der Himmel oder eine neue Hölle? Wie stets ist die Antwort: Kommt drauf an, was man draus macht. Seine Gruppe arbeitet konstruktiv unter seiner Anleitung zusammen und es gelingt ihr, im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen, zu überleben und sogar ein Schifff zu bauen. Am Fluss haben sich Stämme, Stadtstaaten und sogar Königreiche gebildet, entdeckt Burton binnen seiner fünf Jahre auf dem Strom. Und es fast immer die Hölle, denn hier herrscht Krieg. Auf einer sehr privaten Ebene liegt auch Burton im Krieg – und zwar mit Alice, die ihm immer noch böse ist wegen der ersten Nacht. Es dauert sehr lange, bis beide einsehen, wie sie zusammenkommen können.

Agentenjagd

Leider lässt nach diesem vorläufigen Höhepunkt, der im siegreichen Kampf gegen Göring und Tullius Hostilius gipfelt, die Spannung erheblich nach. Zwar sorgt Göring dafür, dass Burton stets gefährdet bleibt, und auch die Agenten der „Ethiker“ sind hinter Burton her. Aber das ist leider keine Handlung mehr im eigentlichen Sinne. Es ist eine Schnitzeljagd à la „Dr. Kimble auf der Flucht“. Die 777 Tode, die Burton stirbt, dienen lediglich dazu, ihn dem dunklen Turm der „Ethiker“ näher zu bringen, ohne sich dabei erwischen zu lassen. Der Renegat hilft ihm dabei, schon klar.

Aber jede Station, an der Burton verweilt, ist lediglich wie ein Szene auf einem Filmstreifen – eine mehr oder weniger lange Episode. Hier entwickeln sich keine Konflikte und somit auch kaum Spannung. Das letzte Drittel ist in dieser Hinsicht also ein wenig enttäuschend. Manche Leser mögen das dennoch für unterhaltend halten. Sie werden sich dann auch an den erotischen Details erfreuen, die Farmer schon 1953 einzustreuen wagte.

Metaphysik

Was manche Leser für völlig überflüssig halten, was jedoch einen wesentlichen Bestandteil der Bedeutungsebene des Romans darstellt, ist die Metaphysik. Bekanntlich scheiden sich daran die Geister, wenn es um Religion geht. Besonders die Ansichten von Juden, Christen und Muslimen über das Leben nach dem Tode und seinen Sinn gehen doch etwas auseinander.

Der Autor könnte nun aus dieser Spannung eine metaphysische Komödie spinnen, die uns unterhalten würde, wohingegen sie einige Strenggläubige sicher auf die Barrikaden getrieben hätte. Doch für eine Komödie nimmt Farmer das Thema Religion zu ernst. Und das ist auch angemessen. Denn nach der Wiedererweckung in Fleisch und Blut geht es unter anderem auch darum, die Belohnung oder Bestrafung für das Leben davor zuzumessen.

Der Jude Lev, der Burton wegen dessen Bücher für einen Antisemiten hält, würde ihn am liebsten umbringen. Aber hat Burton vielleicht darum gebeten, wiedererweckt zu werden? Wozu sind die Menschen hierhergebracht worden – in ein Fegefeuer? Und von antisemitischen Absichten könne überhaupt keine Rede sein. Vielmehr wurde er ja selbst um seinen Tod betrogen. Soll er sich hier auf der Flusswelt nicht vielmehr bewähren – genau wie zum Beispiel auch der Alien Monát, der der Erde im Jahr 2008 den Garaus gemacht hatte?

Lev und einige andere sehen ein, dass der Menschheit eine zweite Chance gegeben wurde. So heißt ja auch die neue Kirche der Wiedererweckten: ein stetiger Pfad zur Selbstverbesserung. In seinem Traum sieht Burton hingegen stets einen alten Viktorianer – Gott? – , der ihn streng anklagt, dass er, Burton, ihm sein Fleisch schulde. Was hat das zu bedeuten, fragt sich der Engländer. Ob wohl der dunkle Turm eine Antwort darauf liefern wird?

(Dass Stephen King diesen Roman gelesen haben ‚könnte‘, dürfte wohl klar sein. „Flusswelt 1 und 2“ erschienen 1971 und 1972, die erste Story über den Revolvermann und den Mann in Schwarz erschien in „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ Mitte der 70er Jahre, der Roman „Schwarz“ erst 1982.)

Die Verfilmung

Im deutschen Free-TV wurde die Verfilmung „Riverworld“ gezeigt. Urteilt man nach den Handlungselementen, so handelt es sich um eine Verarbeitung der ersten beiden Romane. Allerdings wurde der Engländer Burton durch den Amerikaner Hale ersetzt und das Duo Hermann Göring & T. Hostilius durch Kaiser Nero. Auch einige Nebenfiguren wie Lev und die stumme Gwen sowie Alice und der Alien tauchen auf.

So weit, so gut. Nun allerdings kommt die Dramaturgie des Fernsehens und der Serie zum Zug. Jede Episode zwischen zwei Werbepausen muss daher irgendeinen Konflikt vorweisen können – vorzugsweise eine Prügelei. Und das geht so weiter bis zum Schluss, wo das Gute gefälligst zu obsiegen hat.

Hier werden keine theologischen Fragen gewälzt, sondern lediglich zwei Lebensphilosphien gegeneinander gestellt. Während der Römer Nero alle Individuen dem Wohl der Gemeinschaft unterordnet (mit ihm an der Spitze, versteht sich), sieht es der Amerikaner genau andersherum: Dem Individuum gebührt der Vorrang. Dreimal darf man raten, wer in einer US-Produktion gewinnt.

Unterm Strich

Die ersten zwei Drittel des metaphysischen Abenteuerromans vergehen wie im Fluge, denn es gibt viel Neues zu erkunden und viele Konflikte zu bewältigen. Sicher sind auch die humorvoll-ironisch bearbeiteten Aspekte der allgemeinen Nacktheit unter den Wiedererweckten sehr unterhaltsam, denn gerade unter den Viktorianern Burton und Alice Lidell gehen die Ansichten über Sex und Anstand doch sehr auseinander.

Da dies ein Experiment ist, wie es einem Science-Fiction-Roman wohlansteht, dürfen auch die Aspekte von Anthropologie und Soziologie nicht zu kurz kommen. Auch die Theologie findet ihren Platz (siehe oben unter „Metaphysik“). Für Farmers Leser im Jahr 1971, als die Gegenkultur der 68er-Generation sich inneren Werten und Einstellungen zuwandte (Stichwort: freie Liebe, Drogen usw.), waren solche Themen sicher einerseits willkommen, in der bürgerlichen Gesellschaft erregten sie mit Sicherheit Anstoß. Genau, wie es schon zehn Jahre zuvor mit Heinleins Roman „Fremder in einer fremden Welt“ passiert war.

Das letzte Drittel widmet sich der Jagd nach den Antworten auf die Fragen, die das Experiment aufwirft. Doch da die Konflikte schlecht ausgeführt sind, kommt nur wenig Spannung auf. In den vier folgenden Romanen schrieb Farmer einfach diesen Episoden-Erzählstil fort, wobei sie in zunehmendem Maße enttäuschten. Daher ist dieser erste Roman noch der ideenreichste und heute interessanteste. Wenn auch den übrigen Bänden Verkaufserfolge beschieden waren, so juckt uns das doch heute nicht mehr.

Taschenbuch: 220 Seiten
Originaltitel: To your scattered Bodies go, 1971
Aus dem US-Englischen übersetzt von Ronald M. Hahn
ISBN-13 978-3453305526