Lewis, Clive Staples – Wunder von Narnia, Das (Die Chroniken von Narnia, Band 1)

Jede Geschichte hat einen Anfang, und im Falle der als Fantasy-Edition neu aufgelegten „Chroniken von Narnia“ beim |Brendow|-Verlag lautet dieser Anfang „Das Wunder von Narnia“. Das im Original 1955/56 erschienene Buch gehört als Teil der Gesamtausgabe zu den beliebtesten Kinder/Fantasy-Romanen aller Zeiten und erfreut sich ja zum Weihnachtsgeschäft zum ersten Mal überhaupt der Ehre, als filmische Disney-Adaption im Kino gespielt zu werden. Ein optimaler Zeitpunkt also, um diese Buchreihe noch einmal neu anzuschieben, und die fein aufgemachte Taschenbuchversion dieses Verlags ist da sicherlich eine der schönsten Ausgaben, die es von dieser Geschichte auf dem deutschen Büchermarkt bislang gibt.

_Story:_

Während eines verregneten Sommers begegnen sich die beiden Kinder Polly und Digory und freunden sich prompt miteinander an. Der sehr selbstbewusste Digory, dessen Mutter mit einer schweren Krankheit im Sterben liegt, erzählt seiner neuen Weggefährtin von seiner neuen Heimat, dem Haus seines Onkels Andrew, der allgemein als skrupelloser Sonderling bekannt ist. Polly kennt die Gegend, in der dieser Andrew wohnt, und weiß auch von einem benachbarten, leer stehenden Haus. Als die beiden sich über die Dächer der Stadt auf den Weg dorhin machen, landen sie versehentlich im Arbeitszimmer des mysteriösen Wissenschaftlers Andrew. Der nutzt wiederum die Gunst der Stunde und schenkt der verwirrten Polly einen gelben Ring, bei dessen Berührung diese vor Digorys verblüfften Augen plötzlich verschwindet. Widerwillig folgt der Junge seiner neuen Freundin, und gemeinsam entdecken sie dabei ein zerstörtes Königreich, in dem einzig und allein die grausame Herrscherin zurückgeblieben ist. Jene wünscht, mit den beiden zurück in deren Welt zu reisen, und obwohl sich die Kinder heftigst zur Wehr setzen, gelingt es Königin Jadis, mit Hilfe eines grünen Ringes zur Erde zu gelangen.

Dort richtet die furchtbare Herrscherin alsbald ein riesiges Chaos an und versucht ihren Ansprüchen als Tyrannin erneut gerecht zu werden. Digory kann mit Müh und Not das Schlimmste verhindern, und mit einem erneuten Sprung zwischen den verschiedenen Dimensionen gelangt sie zusammen mit Jadis, Onkel Andrew und einem Pferdekutscher irgendwo ins Nichts. Mittendrin in einer noch leeren Welt wird diese Gruppe Zeuge davon, wie der geheimnisvolle Löwe Aslan mit seinem Gesang das Leben in diese neue Welt ruft. Binnen weniger Stunden ist aus der dunklen und menschenleeren Welt ein paradiesischer Garten entstanden, in dem Menschen und Tiere in Frieden miteinander leben. Doch da ist auch noch die Hexe, die auf der Suche nach der ewigen Jugend erneut Unheil anrichtet …

Clive Staples Lewis‘ Geschichte wird nicht selten mit dem Alten Testament verglichen, weil es in „Das Wunder von Narnia“ sehr viele Parallelen zur biblischen Entstehungsgeschichte unserer Erde gibt – nur dass der 1898 in Belfast geborene Schriftsteller eben mit sehr viel Symbolik arbeitet. In seinem Roman sind Kinder und Tiere die Helden, und natürlich weicht die Geschichte insofern ab, als dass der hier vom gottähnlichen Löwen Aslan geprüfte Digory im Gegensatz zum irdischen Adam der Verlockung, einen Apfel von einem geheimnisvollen Baum zu pflücken, widersteht, nachdem er durch das Betätigen des Glockenschlags einige Zeit vorher schon die grausame Königin zu neuem Leben erweckt und so nach seinem ersten Fehler dazugelernt hat. An anderer Stelle kann der gierige Andrew gar nicht verstehen, was sich in der Welt Narnia in kürzester Zeit abspielt. Für ihn wirkt alles wie ein schlechter Traum, und weil ihm die Dinge, die er sieht, nicht geheuer sind und er nicht an sprechende Tiere glaubt, gibt Aslan ihm auch nicht die Möglichkeit, mit den anderen Wesen zu kommunizieren und sie zu verstehen. Und solche Beispiele und Anspielungen auf das Alte Testament gibt es in diesem Buch noch weitaus häufiger. Man kann daher schon sagen, dass Lewis in dieser Erzählung mit dem Mittel der Moral arbeitet, was aber nie besserwisserisch wirkt.

Auf der anderen Seite ist „Das Wunder von Narnia“ aber natürlich auch ein spannender Roman mit ganz normalen Helden, bösen Charakteren und vielen verschiedenen Szenenwechseln, die letztendlich auch des Öfteren mit einer gesunden Prise Humor gesegnet sind. Darüber hinaus hat Mr. Lewis einen sehr lebensnahen und oft sehr umgangssprachlichen Schreibstil, der erstmal mit gar nichts anderem in diesem Bereich zu vergleichen ist. Der Autor schreibt sich die Sachen ganz locker von der Hand, quasi vom Gedanken direkt aufs Papier, ohne allzu viele Überlegungen zu möglichst stilsicheren Formulierungen und dergleichen. Das erleichtert zum einen den Einstieg in die Geschichte, weil dieser Stil irgendwie sympathisch wirkt, und zum anderen ist die Handlung so auch für jedermann einfach verständlich.

Auf den bereits erwähnten Humor möchte ich aber noch einmal besonders eingehen: Egal, ob es nun der wachsende Karamelbonbonbaum, der eingepflanzte Onkel Andrew, eine Laterne, die wie ein Baum wächst (und im nächsten Buch noch an Bedeutung gewinnen soll), oder so mancher Spruch des jungen Digory ist – Clive Staples Lewis‘ Humor hat auch ein halbes Jahrhundert nach der Erstveröffentlichung dieses Romans nichts von seinem Charme eingebüßt und ist in der Tat zeitlos. Auf jeden Fall gelingt ihm der Balanceakt, diese Erzählung wachsen zu lassen, ohne dabei befürchten zu müssen, dass der eine oder andere überzeugte Christ sich auf den Schlips getreten fühlt.

Reichhaltige positive Erfahrungen während meiner Lektüre dieses Buches führen schließlich zu einem ganz klaren Gesamtergebnis: „Das Wunder von Narnia“ ist nicht umsonst ein Klassiker und eines der besten und wertvollsten Werke der Kinder-, Jugend- und Erwachsenenliteratur; will heißen: ein Buch für jedermann, nicht nur für den Nachwuchs.

Die Reihe in der chronologischen Erzählfolge:
* 1956 Das Wunder von Narnia (engl. The Magician’s Nephew)
* 1950 [Der König von Narnia 1758 (engl. The Lion, the Witch and the Wardrobe)
* 1954 Der Ritt nach Narnia (engl. The Horse and His Boy)
* 1951 Prinz Kaspian von Narnia (engl. Prince Caspian)
* 1952 Die Reise auf der Morgenröte (engl. The Voyage of the Dawn Treader)
* 1953 Der silberne Sessel (engl. The Silver Chair)
* 1956 Der letzte Kampf (engl. The Last Battle)

Veröffentlichungsreihenfolge:
* 1950 Der König von Narnia (engl. The Lion, the Witch and the Wardrobe)
* 1951 Prinz Kaspian von Narnia (engl. Prince Caspian)
* 1952 Die Reise auf der Morgenröte (engl. The Voyage of the Dawn Treader)
* 1953 Der silberne Sessel (engl. The Silver Chair)
* 1954 Der Ritt nach Narnia (engl. The Horse and His Boy)
* 1956 Das Wunder von Narnia (engl. The Magician’s Nephew)
* 1956 Der letzte Kampf (engl. The Last Battle)

Website des Verlags zur Narnia-Welt: http://www.narnia-welt.de/

Narnia-Filmseite: http://www.narnia.de