Paolini, Christopher – Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter

Schon im Alter von nur 15 Jahren schrieb Christopher Paolini seinen ersten Roman, nämlich „Eragon“, der zunächst im Verlag seiner Eltern veröffentlicht wurde. Erst eine lange Tour mit Buchlesungen und Signierstunden machte das Buch allgemein bekannt. Inzwischen ist der Autor, der laut Verlagsangaben nie eine öffentliche Schule besuchte, 21 Jahre jung und schreibt in Montana an seinem zweiten Roman, der im Herbst bei uns auf den Markt kommen und die Geschichte um Eragon und Saphira fortsetzen wird.

_Ein Drachenreiter wird geboren_

Bei einem Streifzug durch den gefürchteten Buckel kann der 15-jährige Eragon zwar keine Beute erlegen, die seine Familie als Nahrung dringend benötigt hätte, doch entdeckt er einen großen blauen Stein, dessen Oberfläche vollkommen eben ist. Eragon hofft, den wundersamen Stein in Carvahall gegen Fleisch eintauschen zu können, aber als der Fleischer erfährt, wo der junge Mann den Stein gefunden hat, will er ihn nicht annehmen. Somit ist Eragon auf ein Almosen angewiesen, damit seine Familie überhaupt Nahrung bekommt.

Als aus dem Ei plötzlich ein kleiner blauer Drache schlüpft, wird Eragons Plan, den Stein zu verkaufen, hinfällig. Drachen gehören in Carvahall allerdings nicht zum üblichen Stadtbild, sodass Eragon den Drachen mühsam verstecken muss. In der Stadt lauscht er dem Geschichtenerzähler Brom, der sich offensichtlich mit Drachen auskennt. Ihn fragt er zu dem Thema aus, um nebenbei einen passenden Namen für seinen neuen Freund zu finden. Eragons Drache aber ist eigen, denn kein Name scheint ihm zu gefallen, erst als Eragon auffällt, dass es sich um eine Drachendame handeln muss und ihm der schöne Name Saphira in den Sinn kommt, ist diese zufrieden. Fortan freunden die beiden sich immer besser miteinander an. Kommunizieren können sie dabei ganz einfach durch ihre Gedanken, wenn sie nicht zu weit voneinander entfernt sind.

Aber bald droht Gefahr, denn böse Wesen, die Ra’zac, erkundigen sich in Carvahall nach dem blauen Stein. Leider verraten einige geschwätzige Menschen den Ra’zac, wer den Stein gefunden hat, sodass ihre Spur zur Hütte von Eragons Onkel Garrow führt. Weil sie dort das Drachenei nicht finden können, brennen sie das Haus nieder und ermorden Eragons Onkel. Dieser kann sich gerade noch vor den Ra’zac retten, indem er Carvahall verlässt. Ihm zur Seite stehen Saphira und Brom, der den jungen Mann nicht alleine ziehen lassen will und der Eragon später in der Magie der Drachenreiter unterweist. Zunächst wollen die Drei Rache an den Ra’zac verüben, doch verändern sich auf der gefahrvollen Verfolgungsjagd ihre Pläne, da sie merken, dass der böse König Galbatorix Jagd auf den neuen Drachenreiter macht. Dunkle Mächte haben sich zusammengeschlossen, um die Herrschaft an sich zu reißen …

_Träume nicht dein Leben …_

… sondern schreibe deinen Traum auf. Christopher Paolini hat dieses Buch im Alter von nur 15 Jahren geschrieben und an zahlreichen Stellen vermutet man als Leser, dass er allerlei eigene Kindheitsträume mit in die Geschichte eingebaut hat, denn der Drache Saphira wird in so prächtigen Farben geschildert, dass Paolini viel Mühe darauf verwendet haben muss, diese Figur zu erschaffen. Die Abenteuer um den gerade 15-jährigen Eragon offenbaren eine lebhafte Phantasie des Autors, aber vielleicht auch den Hang zum Träumen und dazu, diese Träume zu Papier zu bringen. Die Beschreibungen der Szenerie und der handelnden Figuren sind größtenteils so detailreich, dass Paolini ein lebhaftes Bild seiner Romanhandlung vor Augen gehabt haben muss, damit er es uns in so schillernden Farben beschreiben kann. Beachtlich finde ich sein durchblitzendes Talent, denn auch wenn er sich natürlich nicht mit dem großen Literaturprofessor J. R. R. Tolkien messen kann – was besonders an der einen Stelle deutlich wird, als Paolini uns ein Gedicht präsentiert – so wird doch deutlich, dass viel Potenzial ihn ihm steckt. Nur an manchen Stellen erscheint uns seine Sprache ein wenig unausgereift, größtenteils erstaunt er aber durch seine treffenden Formulierungen und liebevollen Szeneriebeschreibungen.

S. 405: |“Eine riesige Dünenlandschaft erstreckte sich bis zum Horizont wie ein wogendes Meer. Windböen wirbelten den rötlich goldenen Sand auf. Knorrige Bäume wuchsen auf vereinzelten Inseln mit festem Untergrund – ein Boden, den jeder Bauer als unfruchtbar bezeichnet hätte. In der Ferne ragten mehrere purpurrote Felsklippen zum Himmel empor. Bis auf einen Vogel, der auf den Südwestwinden dahinglitt, war in der allumfassenden Einöde kein einziges Lebewesen zu sehen.“|

Derlei ausführliche und fast schon poetische Darstellungen der Situation finden sich an vielen Stellen des Buches; Paolini versucht immer wieder, seinem Leser genau zu erklären, wo die Protagonisten sich momentan befinden und wodurch die Landschaft sich auszeichnet. Gerade in einem Buch, in welchem man sich in einer Phantasiewelt bewegt, finde ich solche Beschreibungen äußerst wichtig, denn sie erst sorgen für den gewissen Reiz, den Fantasy mit sich bringt. Ich möchte beim Lesen vollständig in die fremde Welt eintauchen, und genau das gelingt bei „Eragon“, weil uns der Autor an die Hand nimmt und in seine Romanwelt entführt. Dies ist es auch, was den Leser über die gesamte Länge des Buches bei Laune hält, denn Spannung wird nur wenig aufgebaut, aber die Welt, die Paolini uns zeigt, ist so faszinierend und interessant, dass man einfach weiterlesen muss.

Trotz der stimmungsvollen Bilder schafft Paolini es leider nicht, seiner Handlung die nötige Spannung zu verleihen, denn obwohl Eragons Reise sehr gefährlich ist, kommt keine düstere und bedrohliche Atmosphäre auf, wie beispielsweise in Tolkiens „Herr der Ringe“, als die neun Gefährten in Richtung Mordor aufbrechen. Das führt beim Leser auch ein wenig zu einer gleichgültigen Haltung, weil man sich sicher ist, dass alles gut ausgeht.

_Drachendamen haben ihren Stolz_

Auf etwa 600 Seiten entfaltet Christopher Paolini eine farbenfrohe und fantastische Welt, in der der junge Eragon zusammen mit seiner stolzen Drachendame und dem alten Brom viele Gefahren zu überstehen hat. Während der langen Reise lernen wir die drei Hauptprotagonisten in ganz unterschiedlichen Situationen und aus verschiedenen Blickwinkeln kennen. Ganz nebenbei setzt sich dadurch ein detailliertes Bild der handelnden Figuren zusammen. Im Mittelpunkt stehen selbstverständlich Eragon und Saphira, die ganz eng zusammengehören, da Saphira Eragon bewusst als neuen Drachenreiter auserwählt hat. Eragon macht dadurch im Laufe der Geschichte eine unglaubliche Entwicklung durch. Zu Beginn des Buches treffen wir ihn noch als rastlosen kleinen Jungen, der sich zwar unbeschadet durch den sagenumwobenen Buckel bewegen kann, der aber ansonsten ein ganz normaler Junge zu sein scheint. Doch dann fällt ihm das blaue Drachenei in die Hände und Saphira kennzeichnet Eragon mit dem silbernen Drachenmal Gedwey Ignasia. Von nun an muss Eragon viele Gefahren bestehen und wichtige Dinge lernen. Er probiert die ersten magischen Sprüche aus und übernimmt sich dabei sehr schnell, außerdem tritt er im Schwertkampf gegen Brom an. Seine Kindheit findet also ein abruptes Ende, bricht aber später immer wieder durch. So erwachsen, wie Eragon in vielen Situationen gezwungenermaßen agieren muss, so kindlich wirkt er besonders in seinen Gesprächen mit Saphira, in denen er oftmals ihren Rat sucht, weil er selbst Unsicherheit verspürt. Gerade durch diese Sorgen, die ihn plagen, wird er zu einem jugendlichen Helden mit Ecken und Kanten und gewinnt wieder an Glaubwürdigkeit, die er leider auch ein wenig einbüßen muss, wenn es ihm gelingt, in einigen wenigen Tagen das Lesen zu erlernen.

Sehr gut gefällt auch die Vorstellung Saphiras als edle und stolze Drachendame, die sich lediglich per Gedankenaustausch mit Eragon unterhalten kann. Sie ist der starke Drache, der sich bei drohender Gefahr immer wieder ins Getümmel stürzt, um Eragon zu helfen. Oft genug geigt sie ihm aber auch deutlich ihre Meinung, wenn er wieder einmal unüberlegt gehandelt hat. So erscheint uns Saphira als mächtiges und auch intelligentes Wesen, das seine Kraft mit jener Eragons verschmelzen kann, um die Macht gemeinsam zu vergrößern. Die beiden bilden eine Einheit und ergänzen sich dabei hervorragend, da der eine Stärken zeigt, wo der andere Schwächen aufweist. Mit Eragon und Saphira präsentiert uns Paolini wirklich zwei überaus sympathische Figuren, die besonders jugendliche Leser begeistern dürften, da diese sich in Eragons Alltagssorgen im Erwachsenwerden gut einfühlen können.

An dritter Stelle ist der alte Brom zu nennen, hinter dem mehr steckt als nur der Geschichtenerzähler. Seine Weisheit ist es, die Eragon aus einigen Schwierigkeiten retten kann und die er seinem jungen Schüler gern weitergeben möchte. Mit seinem Unterricht formt er Eragon zu einem Drachenreiter, der mächtige Magie einzusetzen weiß. Auch Brom überzeugt in seiner Darstellung sehr gut.

_Fremde Anleihen_

Vergleiche mit anderen bekannten Werken der Literatur zaubern einige Ähnlichkeiten hervor, die dem Leser schnell ins Auge springen dürften. Besonders zwei Werke sind es, die hier offensichtlich Pate für einige Ideen gestanden haben. Eines der beiden Werke ist „Star Wars“, denn gerade die Unterrichtsstunden zwischen Eragon und Brom erinnern an den Unterricht, den Yoda Luke Skywalker erteilt hat. Auch Eragon lernt es, mit seinen Gedanken Gegenstände zu bewegen und scheitert an einem Stein, während sein weiser Lehrer mächtigere Dinge zu vollbringen weiß. Auch das Zitat „Mögen eure Klingen scharf bleiben“, welches Paolini verwendet, erinnert an den berühmten Ausspruch aus Star Wars „Möge die Macht mit euch sein“. Darüber hinaus sind weitere Wortanleihen zu erkennen, denn im Zentrum von „Eragon“ steht ebenfalls ein Kampf gegen das Imperium, in dessen Mitte sich Eragon unverhofft wiederfindet und dabei eine ganz entscheidende Rolle zu spielen hat.

Auch aus dem „Herr der Ringe“ scheint Paolini sich einige Ideen abgeschaut zu haben. Vor allem die Namensähnlichkeit zwischen den Monstern aus „Eragon“, den Urgals, und den Orks bzw. Uruk-Hais aus Tolkiens Trilogie fallen auf. So tauchen in „Eragon“ im Übrigen auch übermannsgroße Urgals auf, die ohne Rast tagsüber wie nachts die Verfolgung ihrer Gegner aufnehmen können und erinnern wiederum an die Uruk-Hai. Die Ra’zac übernehmen in „Eragon“ die Rolle der Nazgul, die ausgeschickt werden, um in diesem Fall den Drachen ausfindig zu machen und dabei Schrecken über Land und Leute verbreiten.

Vielleicht muss man Christopher Paolini diese Anleihen aber auch nachsehen, da sich im Grunde genommen jedes Fantasybuch am „Herr der Ringe“ messen muss und unweigerlich immer damit verglichen wird. Erfreulicherweise baut der Autor genug eigene Elemente ein, sodass „Eragon“ überaus lesenswert wird und sich schließlich deutlich von den beiden oben genannten Büchern abzugrenzen versteht.

_Unterm Strich_

„Eragon“ ist ein gelungenes Debütwerk eines noch sehr jungen Autors, der sicherlich noch weitere Bücher veröffentlichen wird, die von den Erlebnissen und Taten des jungen Drachenreiters berichten werden. Besonders die gelungenen Szeneriebeschreibungen und Figurenzeichnungen tragen zur Unterhaltung bei und sorgen dafür, dass der Leser vollkommen in dieser fremden Welt versinken kann. Hier offenbart Paolini ein großes Talent, das er hoffentlich in den kommenden Jahren noch ausbauen wird. Dann wird er sich vielleicht nicht mehr von anderen Werken inspirieren lassen müssen und vielleicht überrascht er uns dann auch mit gelungeneren Gedichten in seinen Romanen; in dieser Hinsicht bleibt durchaus noch genug Spielraum für eine Weiterentwicklung.

Kleine Unstimmigkeiten trüben ein wenig den Lesegenuss. So erscheint mir der Zeitverlauf nicht vollkommen klar, denn wenn man Eragons Weg auf der gezeichneten Karte im Buch verfolgt, so bemerkt man, dass sein Reisetempo sehr stark variieren muss, für manche Streckenabschnitte braucht er nämlich so gut wie gar keine Zeit, für andere umso länger. Auch dürfte Eragon unter Wasser nicht wirklich meterweit schauen können, da das Wasser für eine starke Fehlsichtigkeit sorgt und dies verhindern müsste. Ebenso würde ich heftige Anzeichen von Höhenkrankheit erwarten, wenn Eragon mit Saphira so weit in die Lüfte aufsteigt, dass er aufgrund von Sauerstoffmangel ohnmächtig wird, aber in einem Fantasybuch mag das vielleicht alles möglich sein.

Insgesamt bleibt ein positiver Gesamteindruck zurück, das Buch war leicht und flüssig zu lesen, unterhielt äußerst gut und animiert durchaus dazu, den zweiten Teil von „Eragon“, der im Herbst erscheinen wird, ebenfalls zu lesen, schließlich wollen wir doch wissen, wie Eragons Abenteuer im Kampf gegen Galbatorix weitergehen.

Näheres zum Buch unter http://www.eragon.de.

[Buchwurm.info-Rezension zu „Eragon – Der Auftrag des Ältesten“ 1975