Hanif Kureishi – My Beautiful Laundrette (Mein wunderbarer Waschsalon)

Wir würden weiße Wäsche waschen …

Hanif Kureishis Script des Films „My Beautiful Laundrette“ (dt. „Mein wunderbarer Waschsalon“) modernisierte in den Achtzigerjahren das englische Kino, indem es beispielsweise soziale Randgruppen in den Mittelpunkt der Handlung und Szenen ohne fließende Übergänge nebeneinander stellt, oder indem es aufzeigt, dass sich die englische und pakistanische Identität neu definieren müssen.

Der Plot

Papa und Nasser sind zwei Männer der ersten Generation von Einwanderern aus Pakistan, die nach London gekommen waren, um ihren Traum von Erfolg wahr zu machen. Nasser favorisierte dabei den Weg der physischen Arbeit und hat sich im Laufe der Zeit bis in die englische Mittelklasse hochgearbeitet, während Papa desillusioniert über seinen Misserfolg als Journalist in England und den Selbstmord seiner weißen Frau in seiner Wohnung dahinvegetiert.

Papas Sohn Omar, entstammend dieser Mischehe, wird von seinem Onkel Nasser unter die Fittiche genommen, entwickelt Ambitionen und baut mit seinem Freund und Liebhaber Johnny (Ex-Neo-Nazi) einen Waschsalon auf.

Der Autor

Hanif Kureishi, der 1954 in Bromley/England geboren wurde, erfuhr bereits während seiner Jugend die ethnischen und kulturellen Zusammenstöße, auf die er sich in den meisten seiner Arbeiten bezieht. Er selbst war ein Kind aus einer Mischehe zwischen einem pakistanischen Mann und einer englischen Frau. Somit ist es ihm möglich, die Inspiration für seine Werke direkt aus eigenen Erfahrungen, Kämpfen und Sorgen als ein Hybride zweier Rassen und Kulturen zu schöpfen. Seine Hybridität und die daraus erwachsenen Probleme des kulturellen Selbstverständnisses spiegeln sich in allen seinen Werken wider.

Nachdem er in London erfolgreich als Dramatiker gearbeitet hatte, machte er mit „“My Beautiful Laundrette“ (1985) seine ersten Erfahrungen mit dem Medium Film. Konzipiert als Lowbudget-Film für das Britische Fernsehen, gewann er verschiedene Preise; unter anderem den |Best Screenplay Award| des New York Film Critics Circle und eine Oskarnominierung. Daraufhin wurde er in Kinos auf der ganzen Welt gezeigt und erreichte damit eine weitere Verbreitung und unterschiedlicheres Publikum, als es Kureishis Theaterstücken möglich war.

Zentrale Themen aller seiner Werke rühren von seinen eigenen Erfahrungen als Pakistani in England her. Als Kind aus einer Mischehe kennt er Probleme wie die Suche nach kultureller und ethnischer Identität und ausländerfeindliche Tendenzen. Hinzu kommen Motive wie Homo- oder Bisexualität, Heimatlosigkeit und Generationskonflikte.

Die Stadt als Setting

Nachdem das Kino der 1960er Jahre das Arbeitermilieu für sich entdeckt hatte, verschob sich das Interesse gegen Ende der 1970er Jahre hin zu den marginalisierten und ausgeschlossenen Gruppen der englischen Gesellschaft. Dabei stand die Gruppe der Berufstätigen und der städtischen Unterschicht im Mittelpunkt. Das Interesse fokussierte auf London. Dabei gilt besonders die „Innenstadt“ als Schlüsselbegriff für Wirtschaft und Sozialleben.

Die Stadt wird charakterisiert durch die Antagonismen „Aufschwung“ und „Verschlechterung“. Gleichzeitig ist sie immer im Fluss und voller Möglichkeiten. Dadurch ermöglicht die Stadt den Charakteren ganz neue Formen von Identitäten und Beziehungen. Sie ist Sammelpunkt kreativer Energien, in dem neue Formen der sozialen und kulturellen Identitätsfindung realisiert werden.

Dazu kommt, dass Kureishi selbst in London wohnt und sich in dieser Stadt natürlich besonders gut auskennt. London erscheint als Mikrokosmos der globalen Welt, in dem verschiedene Nationen, Kulturen und Identitäten aufeinandertreffen, sich überlagern und somit immer wieder neue Identitäten bilden.

Formale Strategien des Films

Durch die Neuentdeckung dieser bisher unbeachteten Region und die Verarbeitung oben genannter Phänomene erhalten Filme wie „My Beautiful Laundrette“ ihre Frische und Lebendigkeit. Die formalen Strategien des Films vermischen allerdings den Realismus der englischen Gegenwart der 80er Jahre mit der Romanze (Johnny und Omar), der Komödie (Fahrradszene) und dem Thriller (Gangsterelement: Salim als Drogendealer).

In diesem Sinne ist der Film keinem Genre zuzuordnen. Stephen Frears, der Regisseur, meint dazu: „At the moment, everything is so horrific that if you wrote straight social realism people wouldn’t be able to bear to watch it.“ Deswegen benutzt der Film auch Humor und Ironie, um die soziale Lage in Großbritannien zu kommentieren.

Die Hybridität, die die Charaktere kennzeichnet, durchzieht auch den Film als Genre. Dieser vermischt ebenso verschiedene filmästhetische Konventionen wie Stilisierung und mis-en-scené, Pastiche und Metaphorik. Im Rahmen der Metaphorik funktioniert der Waschsalon als imaginärer Platz, an dem persönliche Wünsche und soziale Spannungen wie in einer Waschmaschine durcheinander gewirbelt und neu ausgearbeitet werden. Kureishi selbst bezeichnet den Film als „allegory of Mrs. Thatcher’s brash new enterprise culture“. Somit sagt der Film ebenfalls etwas über die Wirtschaftskultur und die Macht der Selbsthilfe aus.

Die Thatcher-Ära (1979-1990)

In der Thatcher-Ära kamen nicht nur Rassenkonflikte, die im vorangegangenen Abschnitt bereits angedeutet wurden, zum Ausdruck. Wie Kureishi in seinem Vorwort zum Script schreibt, gab es auch nur einen begrenzten Arbeitsmarkt für Ausländer. In den 70ern eroberten sich diese Ausländer berufliche Nischen. Sie machten sich mit Waschsalons oder Tabakläden selbständig. Sie waren bereit, länger zu arbeiten und hatten ihre Geschäfte nicht selten rund um die Uhr geöffnet. Damit erfüllten ironischerweise gerade die Ausländer die „viktorianischen Werte“, die Margaret Thatcher als erste Premierministerin Großbritanniens propagierte: Selbsthilfe, Individualismus und wirtschaftliche Freiheit. In den Augen ihrer Gegner agierte die „eiserne Lady“ mitleidslos und unchristlich, förderte ordinäre Habgier und vertrat die Ellenbogengesellschaft des Stärkeren. Doch gerade diese politische Einstellung ermöglichte es auch fremdländischen Ellenbogen, sich durchzusetzen.

Aber bereits in den 90er Jahren verdrängten Tankstellen die Funktion der kleinen Läden. Die neue Generation der Asiaten war nicht mehr bereit, so viel Mehrarbeit zu leisten. Sie hatten höhere Ambitionen als kleine Geschäfte. Außerdem waren sie begriffen, sich in die englische Gesellschaft zu integrieren. Während sich die erste Generation noch stark von den Weißen abgrenzte, zeigte sich bei der zweiten Generation ein Identitätskonflikt zwischen der asiatischen und der westlichen Kultur. Außerdem trat ein Konflikt zwischen jener asiatischen Kultur und dem westlichen Profitdenken auf. Der Film spricht dahingehend eine deutliche Sprache: „In this damn country which we hate and love, you can get anything you want. It’s all spread out and available. That’s why I believe in England. You just have to know how to squeeze the tits of the system.“ Ernüchtert stellte die zweite Generation fest, dass Großbritannien ihnen nichts weiter bietet als die Möglichkeit, Geld zu machen. Also waren sie bestrebt, so viel wie möglich aus dem Land herauszuholen, denn Großbritannien bot ihnen Wohlstand, finanziellen Erfolg und bessere Perspektiven als das Heimatland. Da die Engländer mit dem neuentwickelten Selbstbewusstsein der Einwanderer nicht umzugehen verstanden, mündete unter anderem diese Entwicklung in Fremdenfeindlichkeit.

Trotzdem zeigt Kureishi die Pakistanis nicht als eine ethnische Minderheit mit positivem Image, um diesem Rassismus und der Unterrepräsentation entgegenzuwirken. Keiner der Charaktere ist ein Opfer oder Held. Sie ziehen keine absolut positive Sympathie auf sich, weder im Hinblick auf ihr Verhalten noch auf ihre Einstellung. Salim ist ein Drogendealer. Omar behandelt Johnny „wie einen Sklaven“ und bezieht das Grundkapital für seinen Waschsalon aus dem Drogenverkauf. Aber es ist gerade eine Strategie des Films, das absolut Positive zu vermeiden, um den vielschichtigen hybriden Charakter der Personen zu zeigen.

In-betweeness

Der Film favorisiert die Narration. In Episodenform wird nicht nur die Geschichte der Liebe von Omar und Johnny erzählt, sondern die Aufmerksamkeit richtet sich auf eine Vielzahl von Personen. Die Geschichte von Omar und Johnny ist verwoben mit anderen Charakteren und Geschichten, woraus eine dichtes Netz von sozialen Beziehungen und diversen sozialen Identitäten resultiert. So wird es möglich, eine große Anzahl von Gemeinsamkeiten und Unterschieden innerhalb eines sozialen Raumes zu zeigen. Gleichzeitig problematisiert Kureishi die Idee von einer sozialen Identität in der postmodernen Welt. „The postmodern subject“ habe keine „fixed, essential oder permanent identiy“, sondern übernehme „different identities at different times“, meint Stuart Hall in seiner Untersuchung „The Question of Cultural Identity“ dazu.

Es gibt also keine feststehenden Identitäten. Es werden vielmehr verschiedene Identitäten anhand verschiedener Achsen konstruiert (Pakistani/Weißer, männlich/weiblich, homosexuell/heterosexuell u. a.). Diese Identitäten überlagern sich und wirken wechselseitig aufeinander ein, so dass das Individuum die Summe der verschiedenen Identitäten von Klasse, Ethnie, Gender, sexueller Orientierung und Generation ist.

Corrigan hat herausgearbeitet, dass die „in-betweeness“ an die postmoderne Zeit gekoppelt ist, in der Identität nicht länger von einer Identifikation mit einem Ort herrührt. Die Filmcharaktere haben keine Heimat oder historisch traditionellen Orte. In diesem Sinne illustriert der Film ein „falling between cultures“. „In-betweeness“ wird aber nicht als Problem dargestellt. Sie ist nur eine Seite der produktiven Überschneidung der Kulturen.

Der Film stellt indessen nicht nur die Homogenität der asiatischen Identität in Frage, sondern auch die der nationalen Identität, denn er zeigt die britische Identität nicht als weiß, sondern als schwarz. Die pakistanische Businessclass identifiziert sich mit den ökonomischen Grundsätzen des Thatcherismus; also in gewisser Weise auch mit England. Dadurch macht der Film deutlich, dass das Britische nicht länger ein „weißer“ Begriff ist, wie die National Front in den 80ern (und heute vermutlich ebenso) zu glauben scheint. Die Definition des Britischen muss geändert werden und die Heterogenität mit aufnehmen. Somit spiegelt der Film eine große Spannweite an Erfahrungen der Briten pakistanischer Abstammung wider, bildet eine Herausforderung an traditionelle Darstellungsweisen dieser Ethnie und fordert ebenfalls zum Nachdenken über die Definition der Nationen in der postmodernen Zeit auf.

Fazit

Interessanter Stoff für theoretische Untersuchungen, als Freizeitlektüre nur mäßig spannend. Dem Film an sich konnte ich ebenfalls nicht viel abgewinnen, wenn man von den poetischen Bildern absieht.

Taschenbuch: 96 Seiten
Sprache: Englisch
Besprochene Auflage: Dezember 1999