Westerfeld, Scott – Ugly – Verlier nicht dein Gesicht

Band 1: „Ugly – Verlier nicht dein Gesicht“ (April 2007)
Band 2: „Pretty – Erkenne dein Gesicht“ (September 2007)
Band 3: „Special – Zeig dein wahres Gesicht“ (Mai 2008)
Band 4: „Extras“ (noch kein dt. Titel, Originalausgabe Oktober 2007)

Die Pubertät ist keine einfache Phase. Es verändert sich nicht nur der Körper an und für sich, sondern auch das Selbstbild. Man findet sich zu hässlich, zu dick, zu dünn … Die Palette der pubertären Selbstvorwürfe ist endlos. Der amerikanische Autor Scott Westerfeld hat eine Jugendbuchserie geschrieben, die genau diese Problematik aufgreift. Allerdings benutzt er an keiner Stelle den Begriff „Pubertät“. Stattdessen hat er eine Science-Fiction-Welt erschaffen, die den radikalen Weg wählt: Zum sechzehnten Geburtstag sorgt eine obligatorische, rundumerneuernde Schönheitsoperation dafür, dass sämtliche Probleme mit dem eigenen Aussehen von einem Tag auf den anderen verschwinden.

Doch bevor es so weit kommt, leben die Menschen in dieser Welt als Uglies, also „Hässliche“, in einem separaten Stadtteil. Erst nach der Operation, die sie an den geltenden Schönheitsstandard angleichen soll, dürfen die jungen Menschen in New Pretty Town leben, wo die ganze Zeit nur gefeiert und getrunken wird. Tally Youngblood steht kurz vor ihrem langersehnten sechzehnten Geburtstag, doch die Zeit bis dahin möchte nicht so recht vergehen. Ihr bester Freund Peris wurde bereits operiert und lebt nun auf der anderen Seite des Flusses, bei den Schönen.

Tally langweilt sich, doch eines Tages trifft sie Shay, die es, genau wie Tally, liebt, nachts verbotenerweise durch die Gegend zu streifen. Gemeinsam verlassen sie immer öfter die Stadt und fliegen auf ihren Hubbrettern in die Wildnis, vor der man Tally immer gewarnt hat. Dort gibt es nichts außer ein paar Industrieruinen der Rusties, wie man die heutige Menschheit in Tallys Welt nennt. Das dachte Tally jedenfalls, denn Shay erzählt ihr von Menschen, genauer gesagt von Uglies, die in dieser Wildnis versteckt leben, weil sie sich bewusst gegen eine Schönheitsoperation entschieden haben.

Tally kann das gar nicht glauben, doch kurz bevor Shay und Tally operiert werden sollen, ist Shay verschwunden. Sie hat nur einen Zettel mit einer chiffrierten Wegbeschreibung dagelassen, der ihr zum Verhängnis wird. Die Specials – das Ordnungskommando der Stadt, eine eiskalte Elitetruppe – wollen, dass Tally Shay folgt und die Specials damit zu den Abtrünnigen führt. Tally möchte ihre Freundin nicht verraten, aber man stellt ihr ein Ultimatum: Entweder folgt sie Shays Anweisungen oder sie wird für immer eine Ugly bleiben. Tally muss sich entscheiden …

Westerfelds Idee, dass in weiter Zukunft nur noch die schönen als „richtige“ Menschen gelten, ist nicht neu, sondern häufiger Stoff für Science-Fiction-Bücher. Konsequent setzt er diese Idee auf einer jugendfreundlichen Ebene um, geht dabei aber leider nicht besonders in die Tiefe. Alles wirkt ein bisschen steril, obwohl gut erdacht und sauber konstruiert. Die Idee mit den Schönheitsoperationen und wie dieses Ereignis die Uglies beeinflusst, ist sehr interessant, doch manchmal fühlt man sich als erwachsener Leser ein bisschen unterfordert. Es wäre schön gewesen, wenn der Autor die Abgründe dieser Welt noch etwas deutlicher dargestellt hätte, denn letztendlich bekommt man nur einen sehr oberflächlichen Einblick in New Pretty Town oder Smoke, die Stadt der Ausreißer.

An der Geschichte selbst gibt es allerdings nichts zu meckern. Sie ist fesselnd erzählt und aufgebaut. Obwohl manchmal etwas unscharf umrissen, sind die Schauplätze interessant, und neben einer gehörigen Portion Abenteuer bieten auch die zwischenmenschlichen Beziehungen Spannendes. Routiniert webt Westerfeld Krisen und Konflikte ein, die immer wieder für Aufhänger sorgen. Neben einer Dreiecksgeschichte ist es vor allem Tallys Status als Spionin der Specials, der immer wieder für Gewissenskonflikte und Probleme sorgt.

Überhaupt ist Tally eine wunderbar ausgearbeitete Hauptperson. Sie erzählt aus der dritten Person, ist sehr zugänglich und lässt den Leser an ihrem Gefühlsleben und ihrer Gedankenwelt teilhaben. Obwohl das Buch in einer anderen Zeit spielt, können sich Jugendliche sicherlich mit Tally identifizieren, da ihre Probleme trotz ihres anderen Lebensstils den heutigen doch sehr ähnlich sind, allein schon ihre Klagen über ihr Ugly-Aussehen oder eben das Hin- und Hergerissensein zwischen Verrat, Freundschaft und Liebe. Diese Themen sind jugendbuchtypisch und werden angenehm kitschfrei und authentisch aufbereitet.

„Ugly – Verlier nicht dein Gesicht“ von Scott Westerfeld ist ein sauberer Auftakt seiner Serie um Tally Youngblood. An der einen oder anderen Stelle ist die Welt, die er entworfen hat, vielleicht ein wenig zu seicht geraten, aber die abenteuerliche Handlung in Verbindung mit der sympathischen und schicksalsgebeutelten Heldin sorgt für gute Unterhaltung, die allerdings stark auf Jugendliche zugeschnitten ist und nicht, wie derzeit andere phantastische Bücher für junge Leser, auch Erwachsene wirklich anspricht.

|Übersetzt von Gabriele Haefs
Empfohlen ab 12 Jahren
432 Seiten Klappenbroschur|
http://www.carlsen.de
[Verlagsspezial zur Serie]http://www.carlsen.de/web/jugendbuch/ugly__pretty__special
http://scottwesterfeld.com/

|Siehe ergänzend dazu auch unsere [Rezension 3307 zu Westerfelds Science-Fiction-Epos „Weltensturm“.

Anmerkung: Die „Trilogie“ ist mittlerweile zur Quadrologie geworden. Eine deutsche Veröffentlichung des vierten Bandes „Extras“ ist noch nicht angekündigt.|

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