Pelot, Pierre – keltische Grab, Das

An der Universität von Rennes möchte Chloé Séverin Geschichte und Ethnologie studieren. Der Ort ist gut gewählt, denn just haben im geheimnisvollen Wald von Brocéliande groß angelegte Ausgrabungen begonnen. Ein gewaltige keltische Kultstätte wurde dort gefunden. Vor zwei Jahrtausenden haben Druiden an diesem Ort ihre mysteriösen Zeremonien abgehalten.

Was die Wissenschaftler (noch) nicht ahnen: Besagte Druiden geboten einst über einen okkulten Wachschutz. Bei Bedarf erweckten sie gegen ihre Feinde einen urzeitlichen Dämonen: die fürchterliche Furie Morrigane. Der gefiel es noch nie in ihrer privaten Hölle, die sie gar zu gern verlässt, um Mord & Schrecken über die Menschen zu bringen.

Chloé sieht sich zu ihrem Schrecken in diverse unheimliche Ereignisse verwickelt. Vor ihren Augen wird des Nachts ein irischer Gelehrter von einem Ungeheuer in Stücke gerissen. Die Polizei kann keine Spuren entdecken und tippt sich viel sagend an den Kopf. Das Monster verfolgt anschließend Chloé; besser gesagt: Es bewacht sie.

Die junge Frau hat inzwischen Freunde gefunden und macht sich daran, das Rätsel zu lüften. Der berühmte Professor Brennos scheint weitaus mehr zu wissen als er bereit ist zuzugeben. Die Archäologen der Universität finden im Fort von Brocéliande immer mehr Spuren, die zur Beunruhigung Anlass geben.

Immer deutlicher werden für Chloé die Hinweise auf ein schreckliches Geschehen, in dem sie die Hauptrolle spielt. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November berühren sich die Welten der Lebenden und der Toten: Samhain, heute Halloween genannt, ist blutige Realität. Morrigane benötigt ein letztes Menschenopfer, dann wird sie ihre Schreckensherrschaft antreten. Wer diese Rolle übernehmen soll, erfährt Chloé, als es für sie beinahe zu spät ist …

Manche Horrorromane gleichen den Spukgestalten, von denen sie erzählen: Es sollte sie eigentlich gar nicht geben, aber trotzdem existieren sie, denn sie sind verflucht. Gespenster, Dämonen und andere Bewohner der Unterwelt sind freilich unterhaltsamer als dieses Buch. Das ist außerordentlich überflüssig weil langweilig, vorhersehbar und in seiner dunklen Liebe zum abgedroschenen Klischee wahrhaft höllisch.

Grundsätzlich ist es lobenswert, dass sich europäische Unterhaltungsautoren auf ihr reiches mythologisches und historisches Erbe berufen. Der alte Kontinent birst praktisch vor fabelhaften Geschichten. Die Kelten sind ideal als Ausgangspunkt – ein hoch zivilisierter, aber immer noch wenig bekannter, fremd wirkender Verbund von Stämmen, deren kultisches Treiben heutzutage überaus bizarr und grausam anmutet.

Leider bleibt davon in der literarischen oder filmischen Umsetzung allzu oft nur das Bild hakennasiger Druidenpriester mit Rauschebart im Wallewallelaken („Modell Miraculix“), die kreischende Gefangene auf Altarsteine zwingen und mit der Sichel aufschlitzen, während wohlgestalte Tempeldienerinnen heidnisch nackt die Szene umtanzen. Auch bei Pierre Pelot läuft es letztlich genau darauf hinaus.

Bis es so weit ist, reihen sich langweilige Ankündigungen drohenden Unheils aneinander, die selbst im Halbschlaf als solche zu erkennen sind und ganz & gar nicht fesseln können. Wie üblich gibt sich die Heldin ausgesprochen dämlich; sie bleibt irgendwie die einzige, die einfach nicht begreifen will, was sich da abspielt.

Sie ist eine schreckliche Nervensäge, die arme Chloé. Ihr bleibt gar keine Alternative, denn sie muss die übliche Rolle des schönen Opfers im minderbemittelten Gruselschocker übernehmen. Chloé ist folglich vom Schicksal arg gebeutelt, trotzdem überaus reizvoll anzuschauen, aber ein „gutes Mädchen“, das viele wertvolle Gedanken (die sie den Lesern leider nicht vorenthält) bezüglich der Frage wälzt, mit wem sie denn ihr schmales Studentenlager teilen könnte. Kurz und schlecht: Chloé ist eine fade und langweilige Figur, der man schließlich insgeheim wünscht, dass ihr Schädel die Kultstätte von Brocéliande schmücken möge.

Wer sich sonst noch dort oder auf dem Campus von Chloés Uni herumdrückt, wurde ebenfalls nach Schema F geformt. Die Schurken in dem trüben Schauspiel bleiben nur für Chloé unerkannt, und dass ihre angeblichen „Freunde“ bis zum Hals im keltischen Komplott stecken, ist auch nur für sie eine Überraschung.

Was Morrigane will in der Welt des 21. Jahrhunderts, muss ihr Geheimnis bleiben. So ist das oft mit heraufbeschworenen Ungeheuern: Ihnen bleibt keine Zeit, sich über moderne Zeiten zu wundern, denn in letzter Sekunde werden sie von heldenhaften Geisterjägern zurück in die Hölle befördert. So auch dieses Mal – und das ist kein Spoiler, der erwartungsvollen Lesern den Spaß verderben könnte, sondern die traurige Realität einer Geschichte, deren Ablauf schon nach den ersten fünf Seiten absolut klar ist, bis sie in ein jämmerliches Finale mündet, das an Lächerlichkeit schwer zu übertreffen ist.

„Brocéliande“ ist das Buch zum gleichnamigen Spielfilm, der 2002 in Frankreich entstand. Unter dem Titel „Pakt der Druiden“ ist dieser auch in einer deutschen Fassung erhältlich. Regisseur Doug Headline (= Jean Manchette) schuf einen Gruselstreifen, der daheim in den Kinos floppte und in Deutschland gleich auf DVD bzw. Video veröffentlicht wurde; dort gehört er auch hin, denn da ist rein gar nichts, das dieses Werk aus der Flut ähnlicher Horrorfilme ragen lässt.

Pierre Pelot (geb. 1945) ist ein Veteran der Unterhaltungsliteratur, der sich seit vier Jahrzehnten in allen Genres tummelt. (Wer der französischen Sprache mächtig ist, findet seine sehr interessante Website unter http://perso.club-internet.fr/ppelot/index.htm.) Dass er sich nicht zu schade ist, Filmdrehbücher in Romane umzusetzen, bewies er u. a. mit dem Buch zum ungleich gelungeneren Horrorfilm „Der Pakt der Wölfe“. Vermutlich ist der Erfolg dieser Geschichte, die auch in Deutschland erschien, der Grund für die Veröffentlichung des neuen Machwerks, welches hoffentlich wie die Morrigane bald wieder vom Erdboden verschwunden ist.