Riedel, Stephan – Fleet 1715

_Der Untergang der spanischen Flotte_

Im Jahre 1715 stach eine spanische Schiffsflotte von Havanna aus in See. An Bord: große Schätze und Reichtümer, vor allem Gold und Silber. Doch die Flotte sollte nicht weit kommen. Ein mächtiger Hurrikan fegte über die Schiffe hinweg und versenkte den größten Teil der Flotte. Lediglich ein einziges Schiff hielt dem Unglück vom 31. Juli 1715 vor der Küste Floridas stand. Nicht nur die wertvollen Waren gingen bei diesem Inferno unter; auch zahlreiche Menschenleben wurden vom tödlichen Wirbelsturm ausgelöscht.

„Fleet 1715“ greift diese Katastrophe auf und beschäftigt sich mit den gesunkenen Schiffen besagter Flotte. Bis zu fünf Spieler befassen sich mit Fakten verschiedener Untergangsszenarien und versuchen dabei herauszufinden, welches Schiff wo versank, welche Ladung es hatte, von welchem Schiffstyp es war und wie tief das Wrack abgesunken ist. Alles eine Sache der Logik, doch diese zu durchschauen, ist in diesem deduktiven Kartenspiel teilweise sehr schwierig. Oder anders gesagt: Dieses nett aufgemachte Spiel ist eine echte Herausforderung.

_Spielmaterial_

• 50 Infokarten
• 16 Eigenschaftskarten
• 8 Auftragskarten
• 1 Spielregel

Das Kartenmaterial von „Fleet 1715“ ist wirklich sehr interessant aufgebaut, ganz besonders die Infokarten. Man kann nämlich eine ganze Reihe verschiedener Szenarien spielen, die jeweils aus unterschiedlichen Infokarten zusammengesetzt sind. Und die Trennung dieser Karten ist ganz simpel, denn am unteren Rand jeder dieser Karten stehen verschiedene Buchstaben aufgelistet, die wiederum für unterschiedliche Szenarien stehen. Alle Karten mit dem Buchstaben A zum Beispiel sind für das Szenario A geeignet, usw. Die Idee ist absolut spitze, denn so bleibt das Spiel wunderbar übersichtlich, ohne dass die Möglichkeiten dadurch in irgendeiner Form eingeschränkt werden müssen. Auch optisch ist das Ganze stilvoll gestaltet, orientiert sich ein wenig am historischen Hintergrund des Spiels und bietet wegen der zweisprachigen Texte – deutsch und englisch – zudem die Möglichkeit, das Ganze auch über die Landesgrenzen hinaus problemfrei auf den Tisch zu bringen. Wirklich gut gelöst.

_Spielidee_

Zu Beginn des Spiels erhält jeder Spieler einen jeweils gleich großen Satz mit Infokarten eines vorab ausgewählten Szenarios und wählt anhand dessen einen der acht offen ausliegenden Aufträge aus. Hierbei handelt es sich entweder um die Suche nach Umständen eines Schiffsnamens oder eines Fundorts. Ziel ist es nun, individuell die noch fehlenden Informationen zu dem hier aufgedruckten Namen/Fundort zu finden. Dies sind Fracht, Schiffstyp und Sinktiefe. Die ersuchten Informationen findet man auf den Infokarten des Szenarios, jedoch allesamt in versteckte Rätsel eingebunden, auf denen aufbauend man eins und eins zusammenzählen muss, um für sein Schiff bzw. seinen Fundort die restlichen Infos zu bekommen.

Allerdings geschieht dies nicht nur durch die direkten Informationen, sondern auch mittels versteckter Hinweise, die man über Karten, die erst einmal gar nichts mit dem eigenen Auftrag zu tun haben, bekommt. Wer als Erster sein Rätsel gelöst hat – er trägt die Ergebnisse im Laufe des Spiels auf einen Notizzettel zusammen – legt die fertige Lösung verdeckt auf dem Tisch ab. Alle anderen Spieler bekommen trotzdem noch die Möglichkeit, auch ihre Rätsel zu lösen. Am Ende wird nach der Reihenfolge der Lösungen verglichen. Der Spieler, der als Erster eine richtige Lösung eingereicht hat, hat das Spiel gewonnen.

_Vorbereitungen_

Am Anfang erhalten alle Spieler gleich viele Infokarten auf die Hand. Nachdem die Aufträge ausgewählt wurden, wird mit den Landschaftseigenschaftskarten eine Art Karte der amerikanischen Ostküste ausgelegt. Um diese herum legt man die zwölf übrigen Eigenschaftskarten offen aus, damit jeder Spieler in der gesamten Partie einen Überblick über die verschiedenen Eigenschaften hat. Als Letztes wird noch der Nachziehstapel mit den übrigen Infokarten, falls es einen solchen (abhängig vom Szenario) gibt, platziert. Nun sind die Rahmenbedingungen für das Spiel geschaffen und der Startspieler kann beginnen.

_Ein Spielzug_

Ein Spieler notiert jedes Mal dann, wenn er wieder Informationen zu seinem Auftrag bekommen hat, Hinweise und weiterführende Rätsel auf seinen Notizblock. So entwickelt er eine Vorstellung davon, über welche Eigenschaften er bei des Rätsels Lösung wieder einen Schritt weiter kommen kann. Er wählt jetzt eine Eigenschaft aus und fragt den Spielern zur Linken, ob er eine Infokarte mit dieser Eigenschaft auf der Hand hat. Meinetwegen fragt er, ob er eine Infokarte zum Schiffstyp Nao hat. Sollte der Spieler tatsächlich eine solche Karte besitzen, händigt er sie dem Fragenden aus. Falls nicht, geht die Frage reihum an jeden weiteren Spieler, bis sie mit einer positiven Antwort bedacht wird. Wenn keiner eine solche Karte hat, darf der Spieler nach dem gleichen Prinzip noch einmal eine Frage stellen. Sollte auch diese nicht erfolgreich sein, geht er in dieser Runde leer aus, und der nächste Spieler ist an der Reihe.

Am Ende jeder Runde, also wenn jeder Spieler gefragt hat, wird eine Infokarte vom Nachziehstapel gezogen und in die Mitte des Tisches für alle sichtbar ausgelegt. Die darauf befindlichen Informationen sind nun für alle zugänglich, und alle wichtigen Infos werden natürlich auch wieder notiert.

So setzt sich das Spiel nun Runde für Runde fort, und zwar so lange, bis alle Spieler eine Lösung gefunden und ihre Aufgaben erfüllt haben. Danach wird kontrolliert, wer überhaupt richtig lag und anschließend, wer gleichzeitig auch noch am schnellsten war. Dieser Spieler darf den Sieg für sich beanspruchen.

_Meine Meinung_

„Fleet 1715“ ist trotz des vergleichsweise sehr geringen Umfangs ein sehr schönes deduktives Kartenspiel, und dazu eines mit einer enormen Spieltiefe. Allerdings sah es anfangs gar nicht danach aus. Die Spielanleitung wirft nämlich schon vor der Partie einige Fragen auf, weil sie nicht ganz genau angibt, welche Karten nun zu welcher Kategorie gehören. Nachdem man sich jedoch näher mit dem Material beschäftigt hat, kommt man nur zu einer möglichen ‚Lösung‘ dieses kleinen Problems. Die Spielanleitung ist jedoch überhaupt auch ein kleiner Minuspunkt, weil sie den prinzipiell simplen Spielinhalt recht verwirrend darstellt. Es bleiben einige Spielräume offen, die sich erst im Spielen, nicht jedoch davor ergeben.

Sobald der Durchblick über den Spielmechanismus dann einmal geschaffen wurde, offenbart sich ein absolut kniffliges Rätselspiel, bei dem man oftmals gleich um mehrere Ecken denken muss und irgendwann realisiert, dass man doch wieder etwas Wichtiges übersehen hat. Das richtige Vorgehen kristallisiert sich indes erst nach mehreren Partien heraus, denn man muss schon ein Gespür dafür bekommen, wonach man in welcher Situation am besten fragt, bzw. welche Infos sich, teils aufbauend auf anderen Karten, momentan als nützlich herausstellen. Es ist nur selten der Fall, dass man mit direkten Fragen zu seinem Auftrag entscheidende Informationen erhält, so dass man sich erst einmal komplett in die Situation hineinversetzen muss, um Teile des Rätsels zu durchschauen. Und wenn man dann noch Pech hat – gerade im Modus mit mehreren Spielern ist dies schon mal der Fall – wandern bestimmte Infokarten überall hin, nur nicht in die eigene Hand, so dass einem Details verborgen bleiben, die man dann anderweitig herausfinden muss.

Eines muss man bei alldem jedoch bedenken: Die Rätsel in „Fleet 1715“, selbst diejenigen mit geringem Schwierigkeitsgrad, sind teilweise echt hart und fordern das anschauliche Denken ungemein. Die vorgegebene Altersklasse von mindestens zehn Jahren sollte also schon erreicht sein, weil der Anspruch relativ hoch ist. Doch sind es nicht gerade auch solche Spiele, die erst so richtig reizen?

Insgesamt besteht „Fleet 1715“ aus 16 unterschiedlichen Szenarien, ist dadurch aber dennoch nicht beschränkt. Wenn man nämlich alles einmal durchgespielt hat, wird man sich garantiert nicht mehr an die erste Runde erinnern können, denn dazu sind die Aufgabenstellungen zu ähnlich und ihre Lösungen kaum zu behalten. Und wenn man mal keinen Spielpartner findet, schnappt man sich das Spiel kurzerhand allein und versucht eigenständig, das Puzzle zu knacken. Da frage ich mich, was will man, außer vielleicht einer etwas anschaulicheren Spielanleitung, noch mehr? Hinter diesem Spiel steckt wirklich ein super ausgeklügeltes Konzept und eine grundlegend geniale Idee, was den Aufbau betrifft. Die Kommunikation kommt ebenfalls nicht zu kurz, und die Spannung reißt alleine schon wegen der Tatsache, dass man fürchten muss, dass der oder die Gegner eventuell schon einen Schritt näher am Ziel sind, niemals ab.

Fazit: Deduktive Kartenspiele gibt es heuer wie Sand am Meer – ein vergleichbares oder gar besser durchdachtes als „Fleet 1715“ zu finden, ist hingegen schwer. Wenn ein Unglück wie der Untergang der spanischen Schiffsflotte einen positiven Nebeneffekt hat, dann in diesem Fall. Und wenn ich jetzt noch weitere Phrasen dreschen müsste, um aufzuzeigen, wie gut das Spiel gefällt, könnte ich dies auch noch tun, aber das ist wohl nicht mehr nötig. Durch und durch begeistert zu sein, sollte als Empfehlung schließlich ausreichen!

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