Jane Adams – Im Bann des Bösen

Das geschieht:

Der wenig erfolgreiche Journalist Simon Emmet und die berühmte Fotografin Tally Palmer bildeten nach allgemeiner Ansicht ein ungleiches Paar. Niemand ist daher erstaunt, als Simon von Tally rüde den Laufpass erhält. Sie liebe ihn zwar, doch es gäbe einen „Jack“, der ältere Rechte geltend machen könne, so Tallys Schlusswort. Simon kann und will den Bruch nicht wahrhaben. Krank vor Eifersucht stellt er der Geliebten nach, überwacht sie heimlich, versucht dem geheimnisvollen Jack auf die Spur zu kommen. Eine letzte Aussprache endet im Streit. Als Simon betrübt den Heimweg antritt, wird er überfallen und niedergestochen.

Hat ihm Jack eine Lektion erteilen wollen? Dies fragen sich Simons Freunde, zu denen auch Detective Inspector Alec Friedman und seine Lebensgefährtin Naomi Blake gehören. Naomi war selbst Polizistin, bis ihr ein Unfall das Augenlicht raubte. Sie hat die unglückliche Liebe zwischen Simon und Tally schon lange verfolgt und kann der Versuchung nicht widerstehen, sich in den Fall einzumischen.

Wer ist dieser Jack Chalmers, den anscheinend noch niemand gesehen hat? Tally gibt vor, er sei untergetaucht, was ihr freilich niemand glaubt. Alec lässt nach Jack fahnden, während Naomi Tallys Kindheit und Jugend rekonstruiert. Unstimmigkeiten ergeben sich bei dieser Spurensuche, die einen mysteriös verstorbenen Bruder, einen angeblich verunfallten Schulkameraden und mehrere verprügelte Liebhaber zu Tage fördern.

Als Jack dann auf der Bildfläche erscheint, nimmt er ausgerechnet die blinde Naomi aufs Korn. Wie üblich ist er verärgert über die Ermittlungen, die sich gegen ‚seine‘ Tally richten, und wenn Jack sich ärgert – das weiß Naomi inzwischen – wird es sehr gefährlich für jene, die er zur Rede stellt …

Verrückte Liebe – allzu routiniert

Die „amour-fou“, die „verrückte“ Liebe, ist aus gutem Grund ein Liebling des Kriminalromans. Sie entfacht stärkste Gefühle, kümmert sich weder um gesellschaftliche noch moralische Regeln oder juristische Vorschriften und endet in der Regel tragisch. Daraus lässt sich literarisch auf jedem Niveau Kapital schlagen.

Jane Adams tut dies auf britisch-zurückhaltende Art. Sie schrieb mit „Im Bann des Bösen“ einen grundsoliden Psychothriller, wie sie von der Kritik gern zur Kenntnis genommen und vom Fernsehen verfilmt werden, gelten doch die Wallungen der menschlichen Seele als literarisch wertvoll bzw. sorgen für anständige Zuschauerquoten.

Das mag ironisch klingen und ist auch so gemeint, denn schmal ist gerade im Psychothriller der Grat zwischen Dramatik und Lächerlichkeit. Jane Adams hält sich wacker, doch schon früh droht auch sie abzustürzen, bis sie endgültig ins Rutschen kommt. Schon der Plot, mit dem sie arbeitet, ist ein wackliges Konstrukt, das den routinierten Leser schon nach wenigen Seiten Lunte riechen lässt. Da nützen auch keine absichtlich falschen Hinweise, die von der Verfasserin in reichlicher Zahl eingestreut werden. Es gibt nur sehr wenige Richtungen, in die Adams‘ Hase laufen kann. Letztlich kommt es nicht nur so, wie es kommen muss: Die Autorin wählt auch noch die denkbar schwächste Auflösung.

Dünnes Buch mit dünnem Spannungsbogen

Natürlich soll das schwachbrüstige Geheimnis an dieser Stelle nicht gelüftet werden, doch wenn ausgerechnet Val McDermid – gut dafür honoriert? – schon auf dem Front-Cover behauptet, mit Jane Adams präsentiere sich uns „eines der größten Talente des englischen Kriminalromans“, darf man schon ärgerlich sein, wenn der Nachweis so drastisch unterbleibt. Wenigstens arbeitet Adams nicht nach dem Elizabeth-George-Prinzip und malträtiert uns mit einer vielhundertseitig ausgewalzten Geschichte, sondern kommt schon nach weniger als 300 Seiten zum Finale.

Selbst bis dahin zieht es sich. Adams versucht ihren dünnen Plot literarisch zu veredeln. Sie erzählt ihre Geschichte nicht chronologisch, sondern baut immer wieder einfache und doppelte Rückblenden ein. Geschickt vermeidet sie es, ihre Leser mit einer Nacherzählung der unglücklichen Liebesgeschichte zu langweilen, sondern setzt mit dem Attentat auf Simon ein. Was zuvor geschah, enthüllt sich uns erst später nach und nach. Freilich hält sich unser Interesse trotzdem in Grenzen.

Blinde Detektivin mit Durchblick

Dass wir als Leser am Ball bleiben, liegt weniger an der Frage „Wer war es?“, sondern an der Figur der ermittelnden Ex-Polizistin Naomi Blake. Diese ist zwar nicht mehr im Dienst weil blind, doch gerade das ist natürlich interessant: Wie wird es Naomi schaffen, das Rätsel zu lösen? Hier kann die Autorin Boden gutmachen, denn verständlicherweise verläuft eine kriminalistische Untersuchung anders, wenn die Augen als Instrument ausfallen. Womöglich ist das der eigentliche Grund, wieso es so schrecklich lange dauert, bis die Lösung gefunden wird: Sie muss die Ermittlerin erst finden und in den Hintern beißen …

Für die Liebhaber/innen des „Lady-Krimis“ gibt es mit Alex einen treusorgenden Prachtkerl an Naomis Seite, der nicht nur jene Polizeiarbeit übernimmt, für die man definitiv sehen muss, sondern auch mit jenen zwischenmenschlichen Leistungen glänzt, die das männliche Geschlecht nur dort so explizit vorführt, wo es durch weibliche Buch- oder Filmautoren dazu gezwungen wird. Darüber hinaus ist Alex ein allein erziehender Vater und Sohn Patrick ein richtiger Goldjunge, der sich eifrig in die Ermittlungen einschaltet, wichtige Beweise schneller als die Polizei auftreibt und auch sonst eine neunmalkluge Landplage ist, der man einen Besuch von Jack auf den Hals wünscht. (Ein kluger Hund mischt übrigens auch mit …)

Kastenteufel-Bösewicht

Die Grenze zur Lächerlichkeit überschreitet ausgerechnet der geplagte Simon, der doch wichtige emotionale Schwerpunkte in diesem Drama setzen soll. Nicht nur hat ihn die schöne, prominente, verwirrte Tally in den Wind geschossen, nein, er ist auch noch ein Tropf, den man nie bedauert, sondern dem man zu Liebesleid & Messerstich noch einen Arschtritt versetzen möchte. Adams schildert ihn ein wenig zu erfolgreich als debil Liebeskranken, während sie der armen Tally einen allzu offensichtlichen Dachschaden aufbrummt.

Der Bösewicht, in dessen Netzen Tally zappelt, ist wahrlich ein „Jack in the Box“, der zuverlässig immer dann aus seinem Kasten springt, wenn die Polizei oder aufmerksame Zeugen gerade durch Abwesenheit glänzen. Wie stände es wohl um seine scheinbare Unsichtbarkeit, würde ihn Verfasserin Adams nicht ausschließlich den Blöden (Tally) und Blinden (Naomi) erscheinen lassen? Diesen beiden gelingt es im parodieähnlichen Finale schließlich das nicht unbedingt notwendige Kunststück, den Vorrat kriminalistischer und psychologischer Klischees endgültig zu erschöpfen.

Dies soll das Schlusswort für einen Roman sein, der nicht wirklich schlecht aber ganz sicher nicht gut ist, sondern die schlimmsten aller möglicher Leserreaktionen hervorruft: schleichende Gleichgültigkeit schon während der Lektüre, Erleichterung, wenn diese beendet ist, und sofortiges Vergessen der Geschichte. Offensichtlich dachten hierzulande auch die Leser so, denn nach zwei Bänden war Schluss, während Adams die Naomi-Blake-Serie in Großbritannien weiterhin fortsetzt.

Autorin

Jane Meredith Adams wurde im Jahre 1960 in der englischen Grafschaft Leicestershire geboren, wo sie noch heute im Städtchen Wigston lebt. Neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin gibt sie Kurse für Kreatives Schreiben am Vaughan College.

Ihre schriftstellerische Karriere begann Adams 1992 mit diversen Kurzgeschichten der Genres Science Fiction und Horror. Zwei Jahre später interessierte sich das Verlagshaus Macmillan für den Entwurf ihres Debütromans „The Greenway“, der von der Kritik positiv besprochen und gut verkauft wurde. Seither veröffentlichte Adams jährlich etwa einen neuen Roman, wobei sie sich auf psychologische Thriller á la Minette Walters oder Val McDermid spezialisierte, doch dabei nicht davor zurückscheut, ihre Krimis mit phantastischen Elementen zu mischen.

Taschenbuch: 287 Seiten
Originaltitel: Touching the Dark (Sutton : Severn House Publishers 2003)
Übersetzung: Karin Dufner
http://www.randomhouse.de/goldmann

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