Sam Thomas – Die Hebamme und die tote Hure

Kurzinfo zum Buch

York 1645: Hebamme Bridget und ihre Magd Martha werden an den Schauplatz eines blutigen Doppelmordes gerufen, um den Tathergang zu rekonstruieren. Eine Hure und ihr Freier wurden erstochen und in einer grotesken Imitation des Geschlechtsaktes auf dem Bett drapiert. Die Leichen haben Bibelverse in den Händen, und ein Pamphlet legt die Tat als gerechte Strafe Gottes aus. Bridget und Martha vermuten den Mörder im Umfeld des radikalen Predigers Hezekiah Ward. Offenbar nimmt er sich dessen Worte zu Herzen und plant einen grausamen Feldzug gegen die Sünder der Stadt. Denn schon bald taucht die nächste ermordete Hure auf … (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Lektion 1: Leg dich niemals mit einer Hebamme an! …

… denn sie hat nicht nur die Macht, Leben zu geben, sondern auch zu nehmen. Nämlich dann, wenn sie mit den Ermittlungen in einem Mordfall betraut wird, den Täter überführt, welcher dann schließlich am Galgen landet.

Unsere Hebamme in dieser Geschichte ist Bridget Hodgson (Anmerkung: dies ist bereits ihr zweiter Fall) und aus ihrer Sicht wird diese auch erzählt. Da sie eine vereidigte Hebamme ist und aus gutem Hause kommt, nimmt sie den Rang einer Edelfrau ein. Sie ist eine sehr resolute Dame, die auch sehr auf ihren Stand als Lady bedacht ist. Wird ihr nicht genügend Respekt gezollt, so macht sie ihr Gegenüber schnell darauf aufmerksam mit wem er es bei ihr zu tun hat. Trotzdem ist sie eine sehr liebenswürdige Person mit großem Herzen. Dies gilt einerseits für die Kinder, die sie mit zur Welt bringt, andererseits auch für schon ältere Kinder in Not.

Und noch etwas lässt sie nicht kalt. „Ehrlose“ Personen, wie Huren, die meist unverschuldet in ihre jetzige Situation gelangt sind. Hat Bridget diese Menschen früher alle über einen Kamm geschert (wie die meisten Menschen von höherem Stand), so hat sie sich im Laufe ihrer langen Karriere als Hebamme eine eigene Meinung gebildet, dass fast alle dieser Frauen nur als allerletzten Ausweg um schlicht weg überleben zu können zur Prostitution gelangt sind.

Leider steht sie mit dieser Meinung recht alleine da, denn im englischen York geht ein Serienkiller um, der es auf Huren und deren Freier abgesehen hat. Die Mordserie ereignet sich im Jahre 1645 nach dem englischen Bürgerkrieg. Seit einiger haben sich in der Stadt immer mehr Puritaner, einer „Sonderform“ des christlichen Glaubens“, angesiedelt. Sie vertreten ihre Meinungen bzw. ihren Glauben recht radikal vor allem, wenn es um das Thema Unzucht geht.

Lady Bridget und ihre Magd Martha gehören nicht den Puritanern an, wohl aber ihr Schwager Edward und dessen älterer Sohn Joseph. Klar, dass die Damen und Herren dann wegen ihrer unterschiedlich strengen Auslegung der Texte der Bibel mal mehr und mal weniger aneinander geraten. Doch zumindest Edward weiß Bridgets kriminalistische Fähigkeiten zu schätzen und so überträgt er die Ermittlungen im dem ersten Mordfall, bei dem eine Hure und ihr Freier aufs Abscheulichste abgeschlachtet wurden. Da ich bereits von einem Serienkiller sprach, können Sie davon ausgehen, dass diese beiden nicht die einzigen Opfer bleiben werden. Auch Bridget und Martha kommen sehr schnell zu dem Schluss, dass es der Täter auf die „Sünder der Stadt“ abgesehen hat, denn der Täter hinterlässt an jedem Tatort seine Handschrift, Bibelverse in den Händen der Opfer. Na ja, fast an jedem Tatort, einer davon will nicht so recht zu den anderen passen. Haben wir es womöglich mit mehreren Mördern zu tun oder erweitert er gar sein „Gebiet“?

Ob nun ein oder mehrere Täter, für unser Ermittlungsteam heißt es, diese(n) schnell zu ermitteln um einen weiteren Mord zu verhindern. Da sich Frauen nicht in allen Etablissements sehen lassen sollten, schon gar keine Dame von Stand, bekommen Bridget und Martha männliche Unterstützung von Bridgets jüngerem Neffen Will. Zusammen tragen sie alle Hinweise, die sie finden können, zusammen und bald fällt der Verdacht auf den puritanischen Prediger Hezekiah Ward, der mit seiner Familie neu in der Stadt ist, und dessen Umfeld. Die Bibelverse von den Tatorten scheinen direkt aus Wards Predigten „herausgeschnitten“ worden zu sein.

Bridget, Martha und Will sind höchst alarmiert über diese Erkenntnis: ein Mörder, der meint im Sinne von Gott zu handeln? Oder steckt doch ein ganz anderes Motiv hinter den Taten, versteckt hinter scheinbar frommen Ansichten? …

Nun ja, dies müssen Sie schon selber herausfinden. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass die Verbrecherjagd sehr spannend gestaltet ist. Lassen sie sich nicht zu sehr von Vorurteilen leiten, wie es im Buch leider manchmal geschieht.

Eine Sache möchte ich Ihnen aber noch mitteilen. Denn bei allerlei kriminalistischen Ermittlungen kommt Bridgets hauptsächliche Arbeit als Hebamme nicht zu kurz und so bringt sie im Laufe der Geschichte das ein oder andere Kind zur Welt. Diese Schilderungen geben uns einen recht ungeschönten Einblick in die Arbeit der damaligen Geburtshilfe mit zum Teil sehr barbarischen Methoden. Längst nicht alle Geburten gingen glücklich aus. Oftmals musste die Hebamme auch einschreiten um wenigstens das Leben der Mutter zu retten. Doch es kam auch vor, dass beide, Mutter und Kind, bei einer anstrengenden Geburt ihr Leben ließen. Dennoch ist es erstaunlich mit welch „simplen“ Hilfsmitteln beim Geburtsvorgang geholfen wurde. Und der schönste Lohn für eine Hebamme, damals wie heute, ist doch immer noch eine strahlende Mutter, die ihr Neugeborenes glücklich in ihre Arme schließen kann.

Über den Autor:

Sam Thomas lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Shaker Heights, Ohio. Er ist promovierter Historiker und unterrichtet Geschichte an einer Privatschule in der Nähe von Cleveland. (Verlagsinfo)

Für Bücherwürmer, die mehr von der Hebamme und ihrer Gehilfin lesen wollen:

Bridgets und Marthas erster Fall: „Die Hebamme und das Rätsel von York“ (ISBN: 978-3-404-16785-2)

„York 1644, zur Zeit des englischen Bürgerkriegs: Während die Stadt von Rebellen belagert wird, wartet Esther im Kerker auf ihre Hinrichtung. Sie soll ihren Ehemann vergiftet haben. Doch ihre Freundin, die einflussreiche Hebamme Bridget, erklärt Esther kurzerhand für schwanger und verschafft sich so Zeit, deren Unschuld zu beweisen. Gemeinsam mit ihrer Magd Martha macht sich Bridget auf die Suche nach dem wahren Mörder – eine Suche, die die beiden Frauen von den Gassen der Elendsviertel bis zu den mächtigsten Familien der Stadt führt.“ (Verlagsinfo – Klappentext)

Fazit:

Ein sehr spannend erzählter historischer Roman über die Kunst der Hebammenarbeit im 17. Jahrhundert, über Mörder, die noch ohne Fingerabdrücke und DNS-Analyse überführt werden, über Teamarbeit, über falsche Frömmigkeit und über die Nächstenliebe.

Toll, das Buch hat mir sehr gut gefallen und ich muss mir unbedingt noch den Vorgängerband holen. Auch auf weitere Fälle dieses dynamischen Ermittlerteams bin ich schon gespannt! Dabei freue ich mich besonders auf Bridgets Gehilfin Martha, die mir doch einen sehr sarkastischen Humor für die damalige Zeit besaß.

Taschenbuch: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3404172115
Originaltitel: The Harot´s Tale
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Britta Evert

www.luebbe.de

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