Schwind, Kai / Wiegand, Katrin / Buchholz, Sven – Ferienbande und die unerträglichen Schmuggler, Die

_Gelungene Parodie mit Lederlesben_

(Vorsicht, Parodie!) In ihrem dritten Abenteuer verschlägt es die Helden der Serie in die Berge, zu Bröckchens Onkel und Tante. Als ob interfamiliäre Konflikte noch nicht genug wären, bekommen es die Freunde auch noch mit einer Schmugglerbande zu tun, die das ganze Dorf terrorisiert. Wer steckt dahinter? Ist der Onkel in die Vorfälle verwickelt? Weiß der Besitzer des indischen Kebab-Ladens mehr? Und wer zum Teufel ist eigentlich dieser Mathieu? Da passiert das Unfassbare: Babsi wird entführt!

Vom Verlag ab 12 Jahren empfohlen.

_Die Autoren_

Kai Schwind und Sven Buchholz sind die Macher dieser Serie. Das Buch schrieb Kai Schwind zusammen mit Katrin Wiegand und führte zudem Regie. Sven Buchholz besorgte den Schnitt und steuerte die Technik bei der Aufnahme im Studio Hufsound.

Bisher erschienen:
1) Der Ferienbande und die entsetzlichen Ferien (2003)
2) Der Ferienbande und das voll gemeine Phantom (2005)
3) Der Ferienbande und die unerträglichen Schmuggler (2007)

_Die Inszenierung_

Die Sprecher und ihre Rollen:

Kai Schwind: Baul; Vishnu Punjab
Sven Buchholz: Bröckchen; Bernd
Chris Peters: Babsi
Matthias Keller: Erzähler
Sascha Draeger: Bernds Vater
Maud Ackermann: Tante Pfanni
Andreas von der Meden: Onkel Tarantino
Noah Sow: Hanne
Alexandra Maxeiner: Nanne
Michi Herl: Wirt
Katrin Wiegand: Wirtin
Konrad Halver: Horst Adler
Santiago Ziesmer: Mathieu
Johann König: Dritter
… und Bambi der Hund.

Die Musik trugen Viktor Weimer (auch Komposition), Judy Fox, The Funk Professor, Anna Küchler und The Unshushable Coktor bei.

Mehr Infos: http://www.ferienbande.de (oder www.ferienban.de) http://www.wortart.de (ohne Gewähr)

_Handlung_

Babsi, Bernd, Bröckchen und der sächselnde Baul sind unterwegs in der zwitschernden Natur und rufen nach ihrer Freundin Vivienne. Als sie an eine Hütte gelangen, schlagen sie kurzerhand die Tür ein. Seltsames Wimmern dringt aus dem Keller, wo sie denn auch folgerichtig die Gesuchte vorfinden. Aber warum schielt sie so zur Seite? Sie drehen sich um, da steht ein Mann – in Frauenkleidern! Er oder sie sagt, dass er/sie ein/e Kleiderdesigner(in) sei. Und er erkenne seinen Sohn Bernd, früher genannt Beate, ganz genau! Die anderen lassen Bernd, früher genannt Beate, doch tatsächlich allein mit seinem Vater …

Bernd erwacht schweißgebadet. Was für ein Albtraum! Der pure Horror!

Heute sind die vier Freunde von der Ferienbande (nicht zu vergessen ihren Hund Bambi) mit dem Zug unterwegs in die Berge. Da niemand sie am Bahnhof abholt, müssen sie selbst hinauf zur Hügelhütte stapfen, wo ihnen Bröckchens Tante Pfanni (die mit den Knödeln …) freundlich die Tür öffnet und sie begrüßt. Keine Spur von Onkel Tarantino. Der Schriftsteller schreibt wohl mal wieder an einem Meisterwerk zum Wohle der Menschheit.

In dem Zimmer, das ihnen Tante Pfanni anweist, ist alles aus so genannten „Stricklieselwürsten“ gestrickt, und zwar schreiend bunt, so dass sie fast Augenkrebs bekommen. Deshalb drängt es sie wieder hinaus in die freie Natur. Zuvor brüllt Onkel T. sie cholerisch an, ohrfeigt seine Frau Pfanni, und Bambi bellt dazu. Bloß weg hier! Von dem Hausmädchen Enid Blyton und dem portugiesischen Gärtner ist weit & breit nichts zu sehen.

Am Brunnen im Dorf schauen sie zwei Mädels aus dem Internat bei ihren Kampfsportübungen zu. Die Mädels im Lederdress stellen sich als Hanne und Nanne vor. Die Übungen machen sie angeblich, weil sie sich Internat dauernd verteidigen müssen. Sie finden Gefallen an der feschen Babsi und laden sie zu einer Lesbenparty ein, doch Babsi steht bekanntlich nur auf Mannsbilder und lehnt ab. Von Hanne & Nanne erfahren die vier Freunde erstmals, dass das Dorf unter der Kontrolle einer Schmugglerbande steht, die von einem gewissen Mathieu angeführt wird. Möglicherweise steckt der „Choleriker“ Tarantino sogar mit denen unter einer Decke!

Die immer hungrige Fressmaschine namens Bröckchen wittert Bratenduft. Wie mit einem untrüglichen Radar spürt er Vishnu Punjabs Kebapbude auf. Zusammen mit seinem ebenso hungrigen Hund Bambi zerlegt Bröckchen die Bude in ihre Bestandteile. Der Wirt Vishnu ist davon gar nicht angetan und verjagt sie zeternd. Als die Freunde abends Onkel Tarantino beschatten und er sie unwissentlich in das lokale Gasthaus lotst, stoßen sie erneut auf Vishnu. Babsi kann penetrant foltern, und so rückt Vishnu endlich mit seinem Geheimnis heraus: Weil er kein Schutzgeld zahlen wollte, wurde er einmal in das Hauptquartier der Schmuggler entführt. Diese stellten mit dem armen Inder unaussprechliche Dinge an.

Zurück in der Hügelhütte: Hier stehen die Dinge nicht zum Besten. Bambi wurde betäubt und Babsi ist weg! Die Suche von Gärtner und Hausmädchen nach dem entlaufenen Frauchen ist bislang ergebnislos verlaufen. Ob ihnen wohl Hanne & Nanne helfen können? Die geben ihnen bloß den Hinweis, dass Vishnu weiß, wo das Hauptquartier der Schmuggler ist. Sie bestechen den ängstlichen Kebapbrater skrupellos mit dem Versprechen einer heißen Liebesnacht. Mit der abwesenden Babsi.

Dann machen sie sich auf den Weg, die auf dem Berg liegende Schmugglerzentrale auszukundschaften. Ob sie dort wohl die vermisste Babsi aufspüren werden?

_Mein Eindruck_

Wie man sieht, handelt es sich um ein Stück Akustikdrama, das man so nicht alle Tage hört. Fernab von den Trampelpfaden der Political Correctness klopft die Parodie auf Jugendermittlerbanden wie „TKKG“, „Die drei ???“ sowie „Hanni & Nanni“-Romane auf jeden Busch, hinter dem sich ein hohles Klischee verbergen könnte. Und wenn das nicht funktioniert, werden die abgedroschenen Klischees einfach umgedreht. Aus Hanni & Nanni werden Hanne & Nanne, das Lederlesbenduo mit dem Emma-Peel-Appeal. Sie fordern Babsi zum gemeinsamen Menstruieren auf, als wäre es das Geilste auf der Welt. Der Onkel Tarantino, angeblich ein hochgeistiger Autor, entpuppt sich als schlägernder Autor von schnulzigen Liebesromanen.

So weit, so nett. Aber hier endet die satirische Kritik nicht. Nein, auch die Ferienbandenmitglieder selbst sind derartig krass als Karikaturen gezeichnet, dass man sie keineswegs für voll nehmen kann und sich über kurz oder lang fragen muss, wie sie es nur schaffen, irgendein Fitzelchen an Information herauszufinden, geschweige denn, einen Schurken – und das Böse ist bekanntlich immer und überall – zur Strecke zu bringen.

|Die „Helden“|

Babsi ist ein geiles Luder, was Bernd, der in sie verknallt ist, nun überhaupt nicht verkraften kann. Als sie mit dem Oberschurken in flagranti im Bett erwischt wird, schwinden ihm daher schier die fünf Sinne. Denn Mathieu, die maskuline Konkurrenz, ist halt doch ein rechter Kerl, wenn es ihm auch ein wenig an Geisteskraft mangelt. Das verrät schon das geistesgestörte Lachen, das ihn jedes Mal überkommt, wenn er seinen irren Plan erwähnt. Darüber darf jedoch nichts verraten werden, sonst wäre ja die Pointe perdu. Es hat bloß was mit Weltherrschaft zu tun (gähn).

Bröckchen ist so verfressen, dass er jede Kebapbude plündert und dabei zerlegt, und auch ansonsten sehr praktische Hängebrücken sind nicht vor ihm sicher. Baul ist das genaue Gegenteil, nämlich der Geek: ein wandelndes Lexikon, das aber meist nur unnützes Wissen von sich gibt. Bernd sollte eigentlich der Anführer sein, doch leider ist sein Nervenkostüm nicht vom besten Schneider gemacht, und liebend gern würde er das Hasenpanier ergreifen, würde sich nicht die anderen ständig auf ihn verlassen. Bleibt also noch Bambi, Bernds neurotischer Hund, der es liebt, sein Herrchen anzupissen.

Aber ein paar „Enthüllungen“ haben mich denn doch enttäuscht. Dass die Zentrale der Schmuggler an den Berghof des „Führers“ auf dem Obersalzberg erinnern soll, war ja gleich klar. Wenig überraschend war daher, dass sich der Hausmeister Horst Adler (vom Adlerhorst, klar?) als ausgewachsener Nazi entpuppt. Der nächste Schritt ist nur ein winziger. Die vereinigten Schmuggler-Truppen streben selbstverständlich nichts anderes als die Weltherrschaft an. Alles andere hätte mich auch gewundert. Auch die Tatsache, dass der künftige „Führer“ vergessen hat, seine Stromrechnung zu bezahlen.

|V-Effekt|

Ein sehr hübscher Verfremdungs- bzw. V-Effekt à la Brecht ergibt sich durch die direkte Einbeziehung des Erzählers in die Handlung. Der soll nämlich den Helden gerade mal aus der Patsche helfen. Als vernünftiger Mensch, der über solchen profanen Dingen steht, lehnt er dieses Ansinnen jedoch verlegen ab, denn schließlich werde er dafür nicht bezahlt und zweitens sei er ja gar nicht versichert.

Eine Anrede des Hörers gibt es zum Glück aber nicht. Dafür mischt sich ein Rechtsanwalt mit einer Einstweiligen Verfügung ein. Er will nämlich die Verwendung diverser Namen verbieten lassen. Ich glaube, er kommt vom Disney-Konzern, aber irgendwie muss er sich in der Adresse geirrt haben.

|Bonustrack|

Als Bonustrack ließe sich der Auszug aus Onkel Tarantinos alias Rosa Pichlhunds Schnulzenroman „Leidenschaftliche Stürme der Liebe“ (auf diesen Titel wäre ich nie gekommen) bezeichnen. Dies ist Schnulzenprosa in Reinkultur, allerdings mit einer netten, wenn auch reichlich abgedroschenen Pointe. Anscheinend gab es eine Art Quote, wie oft die Wörter „Schwangerschaft, Abtreibung, Menstruation, Eheberatung, Tage usw.“ im Text vorkommen müssen. Hiermit sei amtlich festgestellt, dass die Quote erfüllt wurde und sich die Autoren endlich wieder neuen Wortfeldern zuwenden können.

_Die Inszenierung_

Wenn man sich die Besetzungsliste anschaut, fällt auf, dass manche Sprecher zwei Rollen haben. Die Fähigkeit, beide Rollen auf eine Weise zu sprechen, dass die Identität des Sprechers in beiden Fällen nicht deutlich wird, spricht für die Qualität des jeweiligen Sprechers. Das betrifft Sven und Kai – bravo! Kai Schwind als Schnellsprecher Vishnu Punjab hab ich echt nicht wiedererkannt, und der Akzent ist astrein (dafür wurde ein Sprachcoach in Anspruch genommen, wie das Booklet verrät).

Sven Buchholz spricht sowohl den piepsenden Fettklops Bröckchen als auch Bernd, den Schwerenöter in Liebesnöten. Warum Bernd einmal Beate geheißen haben soll, lässt sich aus dieser Episode der „Ferienbande“ nicht ergründen. Es trägt höchstens dazu bei, ihm eine Neigung zum Transvestitentum anzuhängen – was sicherlich ganz im Sinne der Erfinder ist. Der sächselnde Baul hat mir ebenfalls gut gefallen. Ich finde diesen Akzent charmant.

|Geräusche|

Die Geräusche hat man wahrscheinlich schon tausendmal in den endlosen Reihen von TKKG- und Drei-Fragezeichen-Abenteuern gehört. Diesmal kommt immerhin ein pissender Hund und eine schallende Ohrfeige hinzu. Klingt zwar nicht nach einer großen Ausbeute, aber das muss es ja nicht sein. Schließlich ist Geräuschemacherei noch kein Leistungssport, sondern sollte sich den Dialogen unterordnen.

|Musik|

Dies gilt allerdings nicht für die Musik. Die funkigen Jazz-Kompositionen von Viktor Weimer gehen nicht nur ins Ohr, sondern auch in die Beine. Gibt es davon eine Platte? Jedenfalls trennt diese Musik die einzelnen Szenen sauber ab und zwar meist dann, wenn es gerade am spannendsten ist. Da gibt’s dann nur eines: dranbleiben!

Insgesamt wird aus dieser Kombination von Dialog, Musik und Geräuschen eine unverwechselbare Inszenierung. Zusammen mit den V-Effekten kann man durchaus von einer Parodie mit einer Eigencharakteristik sprechen, die sich stark von den erwähnten Endlosserien abhebt.

_Unterm Strich_

Diese Parodie auf bekannte Jugendhörpielserien wie „TKKG“ und „Die drei ???“ wartet mit einer kurzweiligen Handlung auf, die voller netter Einfälle und Überraschungen steckt. Sie dienen dazu, die abgedroschenen Klischees der Serien als solche zu entlarven. Dazu werden die üblichen Figuren häufig in ihr Gegenteil verkehrt – und was dergleichen Kniffe mehr sind. V-Effekte wie die Anrede des Erzählers gehören natürlich dazu. Das erinnert mich an die [Comedy-Ausgabe 3564 der John-Sinclair-Hörspielserie, die im Jahr 2005 erschien. Inzwischen ist ja die „???“-Serie eingestellt, denn auch dort hat man die Zeichen der Zeit erkannt.

Ich fand diese Ausgabe der „Ferienbande“ sehr kurzweilig, an manchen Stellen aber auch selbst ein wenig abgedroschen. Müssen Schmuggler immer durchgeknallte Nazis sein und automatisch auch gleich die Weltherrschaft anstreben? Schließlich gibt es doch auch noch jede Menge anderer erstrebenswerter Dinge, wie etwa Klimaschutz. (Höre ich da ein Gähnen?)

|79 Minuten auf 1 CD|
http://www.ferienbande.de
http://www.wortart.de