Theodore Sturgeon – Nach dem Exodus. SF-Erzählungen

Drei Experimente in Sachen Liebe

Dieser Band von phantastischen Erzählungen umfasst drei klassische Novellen des mehrfach ausgezeichneten US-amerikanischen Autors.

– Die Story von der Welt, wo sich die ganze Familie im Inzest liebt.
– Die Story von der Prinzessin, die den Frosch fand, küsste, zu ihrem Prinzen machte und herausfand, dass er todkrank war. Aber sie hatte ein Rezept.
– Die Story von den zwei Schiffbrüchigen, die als Adam und Eva Robinson Crusoe spielten und sich dennoch nicht verliebten, oder doch?

Der Autor

Theodore Sturgeon (1918-1985) war einer der wichtigsten Story-Autoren der amerikanischen Science Fiction nach dem 2. Weltkrieg. (Er begann zwar schon 1939 zu veröffentlichen, doch die meisten Stories schrieb er in den 15 Jahren nach 1946.) Aber auch seine Romane wie „More than human“ (1953, dt. als „Baby ist drei“) wurden preisgekrönt. Sogar ein wichtiger Science Fiction-Preis ist nach ihm benannt. Sturgeon schrieb noch bis Anfang der siebziger Jahre preisgekrönte Erzählungen. Er ist deshalb so wichtig, weil er sich für fremde, bislang unbekannte, manchmal auch nur als neuartig wahrgenommene Formen des Miteinanders von Wesen interessierte – von Menschen und Aliens. Zu diesen Formen gehören Telepathie und Bewußtseinsverschmelzung bzw. Schwarmbewusstsein.

Eines seiner Hauptmotive war die Weiterentwicklung des Menschen: Telepathen, Gestaltwandler, Telekineten und andere „strange people“ bevölkern seine Geschichten. Natürlich müssen sie sich, wie alle sogenannten „freaks“ mit den Vorurteilen, ja, der Feindseligkeiten der „Normalen“ auseinandersetzen. Aus dieser Entfremdung führt der Weg zu einem transzendenten Aufgehen in einer höherwertigen Gemeinschaft dieser PSI-Begabten. So geschieht es in „More than human“, in dem drei Begabte eine gemeinsame Gestalt-Persönlichkeit bilden, aber auch in „The dreaming jewels“, das 1950 erschien.

Zu seinen bekanntesten, wenigen Romanen gehören „Killdozer“ (1944, verfilmt), „More than human“ (dt. als „Baby ist drei“ bei Heyne) und „Venus plus X“. Meines Wissens ist „To Marry Medusa / The Cosmic Rape“ (1958) unter dem Titel „Das Milliardengehirn“ 1965 auf Deutsch erschienen. Hier geht es um ein außerirdisches Schwarmwesen, das auf die Erde trifft, und der Menschheit zu höherem Bewusstsein verhilft.

Die Erzählungen

1) Nach dem Exodus (If all men were brothers [would you let one marry your sister?])

Eigentlich ist Charli Bux nur ein Sesselfurzer und Rechnungsprüfer, aber er arbeitet im zentralen galaktischen Archiv und stolpert dabei über merkwürdig billige Rohstoffangebote. Hartnäckig, wie Charli nun mal ist, versucht er mehr darüber herauszufinden, außerdem mag er Jamaica Blue Mountain Kaffee und würde ihn selbst gerne so günstig kaufen. Auf der Welt Lethe jedoch kommt er nicht weiter, denn allen seinen Bemühungen, nach Vexvelt weiterzukommen, scheinen „unglückliche Umstände“ einen Riegel vorzuschieben. Dass es im Zentralarchiv keine Aufzeichnungen über diesen Planeten gibt, findet Charli ebenfalls ziemlich verdächtig.

Nun ist jedoch der Raumhafen von Lethe ein übles Pflaster, und so kommt es, dass Charli Gelegenheit hat, einem echten Vexveltianer im Kampf gegen nächtliche Räuber beizustehen. Zum Dank nimmt ihn der Mann namen Vorhidin an Bord seines Raumschiffs mit zu seiner verbotenen und versteckten Heimatwelt. An Bord lernt Charli die bezaubernde Tamba kennen, eine freigebige Schönheit mit rabenschwarzem Haar, die Charli gerne in die Mysterien der vexveltianischen freien Liebe einführt. Vorhidin hat absolut nichts dagegen, ganz im Gegenteil. Charli, das ist klar, verliebt sich auf der Stelle in Tamba. Klar, dass er neugierig ist auf die Welt, von der Tamba stammt.

Kurz gesagt, ist Vexvelt ein ökologisches Utopia mit dem besonderen Flair von Kalifornien. Die Gesellschaft gedeiht und alle sind happy. Doch schon in der ersten Nacht erleidet Charli einen Schock: Tamba will nicht mit ihm schlafen, sondern mit ihrem Bruder Stren. Sie habe es diesem versprochen. Charli braucht Wochen, bis er darüber hinwegkommt, und verantwortlich ist dafür vor allem die Fürsorglichkeit von Tambas rothaariger Schwester Tyng. Doch als er diese eines Morgens im Bett ihres Vaters Vorhidin vorfindet, bricht Charli vollkommen zusammen. Wieder dauert es Wochen, bis Vorhidin Charli so weit hat, dass Charli bereitet ist, die Besonderheit Vexvelt zu verstehen und zu akzeptieren.

Doch eine Sache hat Charli immer noch nicht begriffen: Warum die anderen Welten eher bereit wären, Vexvelt auszuradieren, als mit den Verfemten Handel zu treiben, und sei er noch so lukrativ. Ja, die Vexvelter können sogar Krebs heilen. Erst als er mit seinem Boss, dem Archivmeister, gesprochen hat, muss er resignierend anerkennen, dass es nun mal so ist, das niemand etwas mit dieser Kultur zu tun haben will. Wenn er auf Vexvelt umsiedeln will, muss er allem entsagen, was er gekannt und geliebt hat. Eine schwere Wahl.

Mein Eindruck

Diese Novelle wurde 1967 als Beitrag für Harlan Ellisons berühmte Anthologie „Dangerous Visions“ veröffentlicht. Alle Beiträge sollten eingefahrene Vorstellungen in Frage stellen und den Leser provozieren. Und tatsächlich ist diese Geschichte auch heute noch – und solange es das Inzest-Tabu geben wird – dazu angetan, Aversionen und Diskussionen auszulösen. Denn keineswegs wird hier Inzest mit Eltern und Geschwistern als negativ dargestellt, sondern vielmehr als positiver kultureller und biologischer (!) Faktor.

Die Geschichte braucht sehr lange, bis dem Leser die Wahrheit enthüllt wird, warum die Außenwelt diesen Planeten so schrecklich findet und geächtet hat. Das ganze Drumherum wird in dem langen Dialog durchgekaut, den Charli mit seinem Archivmeister führt. Charlie erzählt nicht alles, und deshalb erfahren wir seine zurückgehaltenen Erinnerungen in Kursivschrift. Erst das letzte Drittel ist praktisch Charlis Erlebnis aus erster Hand und besteht wiederum in der Hauptsache aus einem langen Dialog, wobei Vorhidin alle Punkte vorbringt, die für Inzest und gegen dessen Ächtung sprechen. Warum aber Charli so disponiert ist, am Ende zu den Vexveltianern überzulaufen, wird aus der Geschichte nicht ersichtlich. Das ist eine weitere Schwäche.

All diese Quasselei fand ich jedenfalls sehr ermüdend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leser von „Dangerous Visions“ zusätzlich zu dieser Story auch noch das obligatorische, ausführliche Vorwort von Herausgeber Harlan Ellison ertragen konnten.

Jedenfalls würde ich dem Leser, der Sturgeon als einen der wichtigsten und besten Story-Erzähler kennenlernen will, die neuen Storysammlungen empfehlen, die der Shayol-Verlag veranstaltet. Michael Iwoleit hat Sturgeon in seinem Essay im „Heyne SF Jahr 2007“ ausführlich vorgestellt (ab. S. 285).

2) Wenn man fühlt, wenn man liebt (When you care, when you love)

Sylva Wyke ist die reichste Erbin der Welt. Aber das erfährt sie erst, als sie einen Notfall in der Familie hat. Davor arbeitet sie mit ihrem Mentor, „Onkel“ Keogh, auf allen möglichen proletarischen Posten, um keine Allüren und Neurosen zu entwickeln, wie man sie von den Superreichen kennt. Und sie erkennt den Wyke-Konzern natürlich nicht an seinen Tochterfirmen.

Eines Tages, als sie etwa 16 ist, lernt sie jedoch Guy Gibbon kennen, der sich auf das weitläufige Areal ihres feudalen Wohnsitzes geschlichen hat. Er möchte den „Teich“, einen ordentlichen See, erkunden. Dort schwimmt aber bereits Sylva. Da sie sonst keine Spielkameraden hat und erst recht keinen Jungen in ihrem Alter, verliebt sie sich auf der Stelle in ihn. Und weil Sylva auch nicht gerade eine Xanthippe ist, verspricht er ihr zurückzukommen. Beim Zurückschwimmen erleidet er einen Krampf und versinkt im Wasser. Sie rettet ihm das Leben und bringt ihn in ihr Haus.

Nach eingehenden Prüfungen durch Keogh usw. darf Guy seine Sylva heiraten. Die Überraschung ist jedoch groß, als er eines Morgens mit wahnsinnigen Schmerzen neben ihr erwacht. Sylva, entsprechend geschickt, holt Keogh, und der holt die Ärzte Rathburn und den Genetiker Weber. Sie stellen fortgeschrittenen Hodenkrebs fest, den sie „Chorionkarzinom“ nennen. Guy hat noch etwa sechs Wochen zu leben.

Doch wozu ist Sylva das reichste Mädchen der Welt, das laut Keogh absolut alles haben kann? Sie will, dass ihr Liebster gerettet wird, koste es, was es wolle. Sie gibt Keogh und den Docs den Auftrag, einen Klon von Guy herzustellen. Alles klappt wunderbar, doch eines hat Sylva nicht bedacht: Das Klonen liefert ihr nur die körperliche Hülle Guys, nicht aber jene Seele, die sie lieben gelernt hat. Hm, noch ein Problem, das zu lösen ist. Zusammen mit Keogh schreibt sie das Drehbuch für Guys Leben, damit er sich so entwickelt wie das Original. Dumm nur, dass der Klon weiblich ist…

Mein Eindruck

In seinem Nachwort (das es nur in diesem Band gibt) deutet der Autor an, dass auch das Leben des Lesers nach einem Drehbuch verlaufen könnte. Offenbar will er Paranoia erzeugen, was ihm durchaus gelingt. Das Hauptthema ist jedoch die Überwindung des Todes durch Kloning. Wie stets bei Sturgeon wirkt die Macht der Liebe auf seltsamen Wegen auf die Welt und die Liebenden ein. Ein Inzestliebe zeigt er in „Nach dem Exodus“, doch was er in „Wenn man fühlt…“ andeutet, ist, dass auch lesbische, also homosexuelle Liebe völlig in Ordnung, wenn einer der Liebenden dies braucht, um zu überleben. Heute rennt Sturgeon damit offene Türen ein, doch 1974 war lesbische Liebe noch relativ verpönt.

Wer es nicht gemerkt hat: Dies ist das Märchen vom Froschkönig in modernem Gewand. Sylva, die Prinzessin, küsst den Frosch Guy und macht ihn zu ihrem Prinzen. Das reicht aber nicht. Sie braucht einen unsterblichen Prinzen und lässt Guy deshalb auf genetischer Ebene nochmals von der Wissenschaft küssen. Dabei wechselt Guy dummerweise das Geschlecht. Ironische Wendungen sind eine Spezialität Sturgeons.

3) Case und der Träumer (Case and the Dreamer)

In der fernen Zukunft, irgendwo in unserer Galaxie. Kapitänsleutnant Case Hardin ist in seinem kleinen Sarg ein Jahrtausend lang durch den Weltraum getrieben, als ihn eine immaterielle Sonde von der Erde findet. Da ihn sein hypermoderner Sarg vor der Verwesung bewahrt hat, kann ihn die Sonde, die sich in ein kleines Raumschiff verwandelt, wiederbeleben. Sie verleiht seinem gehirn die alten Fähigkeiten und gibt ihm neue, um zu sprechen und die neue Welt der Zukunft zu verstehen. Der „Doktor“ spricht mit ihm, ein Hologramm.

Case vermisst seine Begleiterin Janet Janocek schrecklich, und deshalb erzählt er dem „Doktor“, wie er sie verlor. Sie war als Xeno-Biochemikerin an Bord des Schiffes „Outbound“. Dieses führte ein Experiment mit Überlichtgeschwindigkeit durch und brach unter der Belastung auseinander. Zusammen mit Janocek gelang es Case, ein großes Rettungsboot zu bemannen und sich in Sicherheit zu bringen. Obwohl Janet eine angenehme Zeitgenossin war, hatte er jedoch nie gelernt, mit einem weiblichen Wesen umzugehen.

Auf der Suche nach einer bewohnten Welt stißen sie auf einen merkwürdig erdähnlichen Planetoiden, doch es kam zu einer bRuchlandung, und die beiden Schiffbrüchigen mussten wie Robinson Crusoe auf dieser erdähnlichen Welt leben. Mehrmals vernahmen sie allerdings Gelächter, Schneidewerkzeuge verschwanden ebenso wie Janets Diktaphon. Nachdem sich ihr Streit entzündet hatte, hörten sie wieder das Gelächter. Sie waren nicht allein!

Das zerbrochene Rettungsboot gab nur noch zwei funktionierende Bojen her, die wie Särge funktionierten. Er startete, doch sie aus unerfindlichen Gründen nicht. Klar, dass Case sie nun wiederfinden will. Tatsächlich gelingt es ihm, den Planetoiden wiederzufinden und zu landen. Endlich lernt er den Urheber jenes schrecklichen Gelächters kennen. Er nennt ihn Clown, wie sonst? Der Clown führt ihn zu Janets Sarg. Er nimmt ihn an Bord, um ihn zu untersuchen, doch dabei gelingt es dem Clown, der sich natürlich in alles Mögliche verwandeln kann, an Bord zu gelangen.

Nun ist der Augenblick gekommen, den Case tausend Jahre herbeigesehnt hat. Er hat Janets Sprachaufzeichnungen vom Clown wiederbekommen und abgehört. Ständig hatte sie sich gefragt, ob Case sie so liebe wie sie ihn. Endlich begreift er, was sie damit gemeint hat. Er liebte sie damals nur körperlich, zur Entspannung, wie er dachte. Doch jetzt vermisst er sie, weil sie das wichtigste menschliche Wesen im ganzen Universum ist.

Lebt sie noch, fragt er sie über ihrem Sarg. Und, ebenso wichtig: Wird sie ihn wiedererkennen?

Mein Eindruck

Auch dies ist ein Experiment in Sachen Liebe. Hier geht der Autor den Fragen nach, ob a) Liebe angeboren ist, b) man sie erlernen kann und c) ob man sie nach dem Tod wiederfinden kann. Es ist also eine Umdichtung und Fortschreibung der Orpheus- und Osiris-Mythen. Das klingt nach starkem Tobak, ist aber, auf die richtige Weise erzählt, eine wunderschöne Romanze.

(Nach der Plausibilität der Technik für die Wiederbelebung von Case und Janet zu fragen, ist überflüssig, denn wie schon Arthur C. Clarke sagte, braucht man dem „Doktor“ nur eine genügend fortgeschrittene Technologie zu unterstellen, und schon ist seine Technik nicht mehr von Magie zu unterscheiden. Das Gleiche gilt auch für den „Clown“ und dessen Verwandlungs- und Gestaltungskünste.)

Der Unterschied zu den Mythen liegt in der Anwesenheit eines Gottes. Dies ist der „Clown“, der sich selbst aber als „Träumer“ bezeichnet. Alles, was er den beiden Schiffbrüchigen vorgaukelte, war von ihm erträumt worden. Wenn sich aber Janet in Case verliebte, war dann auch ihre Liebe erträumt und somit unecht? Das ist die entscheidende Frage, der Case auf den Grund gehen muss.

Der „Clown“ erschien ihm zunächst als eine Art alttestamentarischer, eifersüchtiger Gott, doch bei seiner Rückkehr ist er ein neutestamentarischer, erlösender und liebevoller Gott. Könnte sich darin die christliche Schöpfungs- und Kulturgeschichte widerspiegeln? Bei Sturgeon sollte man nicht zu kleine Maßstäbe anlegen. Anfangs erzeugt der AT-Gott durch sein Gelächter Paranoia, so dass Adam und Eva alias Case und Janet aus dem Pseudo-Paradies vertrieben werden.

Es gab auf der Clowns-Welt einen „Sündenfall“ durch die Entdeckung körperlicher Liebe. Nach Cases Rückkehr liegt Janet wie Schneewitchen in seinem bzw. ihrem Sarg. Es ist nun seine Aufgabe, es bzw. sie wachzuküssen. Aber wird das auch mit dem gewünschten Ergebnis funktionieren? Mehr sei nicht verraten, doch jedes romantisch veranlagte Herz wünscht sich sehnsüchtig, Cases erwachte Liebe möge erwidert werden. Denn nur dann ergibt diese geschickt in Rückblenden erzählte Geschichte einen Sinn.

Die Übersetzung

Gerade in dieser letzten Geschichte verwirrte mich der Wechsel von „Jane“ zu „Jan“, der Kurzform von Janet, sehr. Ich dachte, es sei ein Fehler, aber das muss nicht so sein, wenn man annimmt, dass Case sich erst noch richtig erinnern muss. (Man denke auch an Tarzans Jane.) Gewissheit kann nur das Original verschaffen, das mir aber nicht vorliegt.

Es gibt eine Reihe von Druckfehlern wie beispielsweise „muße“ statt „mußte“ (S. 130). Zusätzlich halte ich es für einen Stilfehler, wenn der Übersetzer schreibt: „Dieses Schiff ist von Männern wie Sie konstruiert worden“ (S. 150). Es müsste korrekt „von Männern wie Ihnen“ heißen.

Unterm Strich

Wie schon der Originaltitel „The case and the dreamer“ andeutet, präsentiert Sturgeon hier drei Fälle seines Lieblingsthemas Liebe. Inzestuöse Liebe mag wahrlich nicht jedermanns Geschmack sein, aber Sturgeons Herausgeber Ellison wollte um jeden Preis schockieren und schaffte das mit dieser Story mühelos.

Wesentlich besser erzählt sind jedoch die nächsten beiden Novellen. In „Wenn man fühlt, wenn man liebt” überwindet die Liebe einer “Prinzessin” den drohenden Tod ihres Geliebten. In einer Abwandlung und Fortschreibung des Märchens vom Froschprinzen überwindet sie diesen Tod, aber um der Preis der Homosexualität.

In der ursprünglichen Titelstory wird ebenfalls der Tod überwunden, doch erscheint der Preis für das Erringen der Liebe, nämlich das Erlernen der Liebe durch die Präsenz eines Gottes, recht gering im Vergleich zu den vorhergehenden Geschichten. Diese Geschichte vollzieht die Entwicklung vom Alten Testament (Vertreibung aus dem Paradies) zum Neuen Testament (Liebe, Vergebung; den Opfertod muss Case selbst sterben) nach.

Gar trefflich ließe sich über alle drei Geschichten diskutieren, doch das erste Thema, Inzest, kostet alle Gesprächsteilnehmer erstmal große Überwindung der eigenen Tabus. Das zweite Thema, Klonen und Homosexualität, ist für die meisten westlichen Gesellschaften schon gar kein Thema mehr (es sei denn, Menschen sollen geklont werden). Und Thema Nr. 3, die liebende Vermittlung von zwei Göttern, dem „Doktor“ und dem „Clown“, könnte so missverstanden werden, dass nur Leute darüber reden wollen, die eh schon an Gott glauben. Dabei wird aber hier die Frage gestellt, ob sich Liebe erlernen, vergessen und wiedergewinnen lässt – eine sehr grundlegende Frage, die alle angeht.

Wer die dritte Story irgendwo neu übersetzt findet, etwa beim Shayol-Verlag, dem sei sie wärmstens empfohlen.

Fazit: Wegen der oben genannten Defizite vergebe ich nur drei von fünf Sternen.

Taschenbuch: 159 Seiten
Originaltitel: The Case and the Dreamer, 1974.
Aus dem Englischen von Tony Westermayr.
ISBN-13: 9783442232338

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