Permezza, Franca – Partitura di Praga

_Story_

Commissario Trattoni ist erzürnt, als er mitten in der Nacht zu einem vermeintlichen Tatort gerufen wird, an dem ein nicht identifizierter Mann erhängt wurde. Immerhin ermittelt der Beamte in Venedig, und dort gibt es ständig Suizidkandidaten, die an Brücken oder im Gewässer gefunden werden. Doch der Tote wurde offensichtlich ermordet, allerdings erst später am Strick befestigt.

Trattoni findet recht bald heraus, dass es sich bei der Leiche um einen begabten tschechischen Musiker handelt, der bereits in den Neunzigern ausgewiesen wurde. Auf einer Reise nach Prag lernt Trattoni die Witwe des Opfers kennen und erfährt auch etwas mehr über dessen stille Liebschaften, über seinen Bezug zur Freimaurerloge und seine Passion für die klassische Musik.

Als in diesem Zusammenhang ein vermeintliches Original einer Mozart-Partitur auftaucht, verdichten sich für den Comissario die Motive für den Mord an dem Tschechen. Als er jedoch ein zweites Mal nach Prag aufbricht, scheint ihm der Fall zu entgleiten. Während seiner Abwesenheit wird ein Hauptverdächtiger ermordet und der Fall an Trattonis verhassten sizilianischen Konkurrenten vergeben. Gegen jegliche Vernunft ermittelt der schwergewichtige Diabetiker auf eigene Faust – und muss dafür fast einen hohen Preis zahlen.

_Persönlicher Eindruck_

Franca Permezzas zweites Buch um den fettleibigen Commissario Trattoni ist im Grunde genommen ein typisch italienischer Krimi, dessen schematischer Aufbau sich sehr gut in der Masse der dort veröffentlichen Kriminalliteratur verstecken könnte. Die Figuren lassen sich in entsprechende Sparten-Schubladen einsortieren, die üblichen Klischees um die einheimische Küche und Kultur werden gerne und effizient aufgegriffen, und auch die Detailverliebtheit bei der Darstellung der Schauplätze ist in diesem Genre gerade in den südländischen Publikationen handelsüblich und macht „Partitura di Praga“ zunächst einmal nur zu einem gewöhnlichen Roman mit Lokalkolorit.

Aber auch der Fall selber ist nicht wirklich spektakulär konzipiert. Eine merkwürdige Leiche baumelt an einer Brücke in Venedig und wurde wahrscheinlich Opfer einer tragischen Liebschaft – so weit, so gut; allerdings hat man dergleichen in ähnlicher Form schon häufig gelesen. Interessant wird das Ganze erst durch die Beziehungen zu den Freimaurern und die Entdeckung einer eigenartigen Partitur, die womöglich von Amadeus Mozart höchstpersönlich verfasst wurde. Allerdings gelingt es der Autorin nur sehr sporadisch, diese Inhalte auch passend in die Handlung einzubauen. Die Mordfälle und die möglichen Ursachen laufen bei der Aufklärung anfangs ein wenig aneinander vorbei und finden erst im Schlussdrittel zusammen, was die Story stellenweise willkürlich erscheinen lässt. Und hierin besteht auch das eigentliche Problem von „Partitura di Praga“.

Bei der Rahmenbeschreibung hingegen zeigt sich Permezza als eine der Besten ihres Faches. Die Schreiberin zeichnet ein recht ambivalentes Bild ihrer Heimatstadt Venedig, gibt sich betont ortskundig und liebevoll bei ihren Darstellungen, wettert aber zwischen den Zeilen auch immer wieder gegen den steten Verfall der Romantik-Hauptstadt. Das ist lebendig, fachlich bemerkenswert und auch richtig angenehm zu lesen. Darüber hinaus sind die kulinarischen Umschreibungen ebenfalls schön in den Plot eingewoben, wenngleich sie manchmal schon einen sehr dominanten Part zugesprochen bekommen. Aber schließlich gehören sie zum italienischen Krimi wie die Butter aufs Brot und sind daher auch in der üppigeren Variante gerne akzeptiert.

Insgesamt hat Permezza sicherlich ein ganz anständiges Buch geschrieben, bei dem zwar manchmal die Zusammenhänge etwas konkreter dargestellt werden könnten, welches aber gleichzeitig über einen guten Spannungsbogen verfügt und daher auch überzeugt. Mit Cammileri und Varesi kann sich die Dame aus Venedig zwar noch nicht messen, doch wenn es darum geht, kurzweilige Kriminalunterhaltung zu konzipieren, versteht Permezza durchaus ihr Handwerk. Mal sehen, ob sich Commissario Trattoni, wie im Roman angekündigt, schon zur Ruhe setzen wird. Als Hauptdarsteller ist er nämlich ein sehr angenehmer, eigenständiger Charakter, den man gerne wiedersehen würde.

|Aus dem Veneziano von Wolfgang Körner
270 Seiten
ISBN-13: 978-3-499-24583-1|
http://www.rowohlt.de

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