Thorsten Schleif – Richter sterben besser (Siggi Buckmann 3)

Routinierter Justiz-Krimi

Während seine Richterkollegen an den Folgen der schlecht geplanten Digitalisierungswelle verzweifeln, kann Siggi Buckmann über Schwierigkeiten dieser Art nur müde lächeln. Denn kaum ist er von der Hochzeitsfeier seiner Ex-Frau Britta zurückgekehrt, wird er beinahe von einem Auto überfahren, nur wenig später verfehlt ihn ein herabstürzender Blumenkübel um Haaresbreite. Während sein alter Freund Hauptkommissar Hiller an einen Zufall glaubt, ist Siggi sicher, dass es jemand auf ihn abgesehen hat. Schließlich mangelt es nicht an alten Feinden. Aber weil es auf einen mehr jetzt auch nicht mehr ankommt, heckt er rasch einen Plan aus, um dem Killer zuvorzukommen … (verlagsinfo)


Der Autor

Thorsten Schleif, Jahrgang 1980, studierte Rechtswissenschaften in Bonn. Seit 2007 ist er Richter im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Er war am Landgericht Düsseldorf und in der Verwaltung des Oberlandesgerichts Düsseldorf tätig. In den Jahren 2014 bis 2019 war er alleiniger Ermittlungsrichter für die Amtsgerichtsbezirke Wesel und Dinslaken. Gegenwärtig arbeitet Schleif als Vorsitzender des Schöffengerichts und Jugendrichter am Amtsgericht Dinslaken.

2019 und 2020 veröffentlichte er zwei Sachbücher (URTEIL: UNGERECHT, ENDLICH RICHTIG ENTSCHEIDEN) es folgten zwei Hörbücher im Jahr 2021, »Richter morden besser« ist sein erster Roman. Seit 2016 ist Schleif außerdem als Keynote Speaker tätig. Er lebt mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern in Duisburg. (Verlagsinfo)

„Richter jagen besser“ war der 2. Band in der Reihe, und ein vierter wird garantiert folgen.

Handlung

Über die Scheidung von seiner Ex Britta tröstet sich Richter Siggi Buckmann mit der Journalistin Robin Bukowsky hinweg. Allerdings entwickelt sie ein unwillkommenes Interesse an gewissen Kriminellen, mit denen Siggi kürzlich zu tun hatte. Der russische Mafioso Dimitris Stogarev steht derzeit vor Gericht, ebenso der Sohn eines inhaftierten Türken, mit dem Siggi ungesunde Bekanntschaft gemacht hat.

Dass auch der Ministerpräsident, dessen Sohn Siggi durch ein Internet-Video bloßgestellt hatte, mit ihm noch ein Huhn zu rupfen hat, ahnt Siggi zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sarah, die energische Gattin Stogarevs, gibt einen Mord in Auftrag, bei einem Profi, der sich gleich eine Million im Voraus bezahlen lässt.

Ist es wirklich nur ein Zufall, dass Siggi um ein Haar von einem schwarzen BMW-SUV über den Haufen gefahren wird, wie ihm sein Freund Hauptkommissar Nick Hiller erklärt? Und was ist dann mit dem Blumenkübel, der Siggis edles Richterhaupt nur um Zentimeter verfehlt – auch bloß ein Zufall? Auch sein Kater Grisu zeigt keinerlei Verständnis für Siggis Paranoia, sondern fordert dringend, dass der Richter seine Rolle als Dosenöffner erfüllt.

Doch Zweifel nagen an Siggis Hirn, und als sich die Gelegenheit bietet, seinen „kleinen Schwester“ Richterin Hellrich sein Herz auszuschütten, beichtet ihr alles. Doch wider Erwarten ist sie keineswegs beeindruckt oder gar empört, nein: Siggi spielt gern mal den Wichtigtuer. Ein herzhaftes Lachen lockert die Atmosphäre. Doch der Abschied vor dem Ausgang des Restaurants ist ihr letzter: Paula bricht in seinen Armen zusammen.

Ein finsterer Verdacht gegen Stogarevs Schergen verleitet Siggi dazu, eine verlorene Asservate zu reaktivieren und sie in Stogarevs Snackfutter „Jelly Beans“ zu praktizieren: einen Blutdrucksenker für Bodybuilder. Die kleine rote Pille verfehlt ihre Wirkung nicht, doch aus dem kleinen Test wird urplötzlich blutiger Ernst…

Mein Eindruck

Der Plot ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Verfolgungswahn die Wahrnehmung verzerren kann. Kommissar Hiller mag noch so sehr die Fakten vorweisen, die Siggis Paranoia widerlegen, der Richter lässt sich nicht beirren. In der Überzeugung, Angriff sei die beste Verteidigung, aber auch aus Rachsucht, verabreicht er dem vermeintlichen Auftraggeber Stogarev einen Blutdrucksenker.

Siggi hat schon einige Todesfälle auf dem Konto. Auf die ist er keineswegs stolz, aber er beichtet sie seiner „Kleinen Schwester“ (ein Verweis auf Raymond Chandlers gleichnamigen Krimi?) Richterin Paula Hellrich trotzdem. Wie man sich doch irren kann, wird er gleich darauf erfahren.

Der Leser verliert schnell den Überblick, denn es gibt nicht weniger als drei Mordaufträge: von Sarah Stogarev, von Ministerpräsident Laak und von dem jungen Mann, der sich als Sohn eines von Siggis Opfern entpuppt. Die Irreführung ist natürlich eine gute Methode des Autors, die Handlung spannend zu halten. Und der Höhepunkt in der Mitte des Buches ist ein Paradebeispiel dafür.

Und die Irreführung erschwert es Robin Bukowsky, zu einem schlüssigen Rechercheergebnis zu gelangen. Was hat es beispielsweise zu bedeuten, dass der Hypertoniker Stogarev an zwei verschiedenen Blutdrucksenkern gestorben ist? Ihre beste Freundin und Kollegin Maria hat einen Kontakt bei der Polizei, aber Robin versucht es auf direktem Weg. Bei ihrem besuch in der Haftanstalt, wo gerade Panik herrscht, stößt sie unerwartet auf eine Goldmine…

Humor

Ist ein sprechendes Tier wie der Kater Grisu komisch? Für Kinder sicherlich, und wenn man sich das imposante Tier als Siggis Gewissen bzw. bessere Hälfte vorstellt, hält die Konversation zwischen den beiden Singles einige witzige Überraschungen bereit.

Ein weiteres Original ist jener Bodybuilder, der sich vor Richter Buckmann verteidigen muss. Er spricht vermutlich einen pfälzischen Dialekt, der wohl Beleg für seinen niedrigen Bildungsgrad sein soll. Er ist die sympathischste Figur im Figuren-Ensemble – neben der strengen Richterin Hellrich. Die zerreißt die Einwände jedes Verteidigers mit einem betörenden Lächeln in der Luft. Die Schläue dieser aufrechten Justizvertreterin zeigt sich in der Art und Weise, wie sie den Fall Stogarevs an sich zieht.

Romantik

Eigentlich sollten ja Siggi und Robin tausend Liebesnächte miteinander verbringen. Doch der innigste Wunsch so mancher Leserin geht nur schwer in Erfüllung. Ein Hinweis, wie Siggi drauf ist, liefert die Interpretation einer Trauung – es ist die seiner Ex – als Beerdigung.

Und als Robin in Siggis obskurer Vergangenheit zu graben beginnt, bekommt er Probleme mit seiner Glaubwürdigkeit. Man braucht keine Kristallkugel, um vorherzusehen, dass es zum Streit kommen wird. Ist dies das Ende der Romanze? Mehr darf nicht verraten werden.

Textschwäche

Auf Seite 124 steht der Satz: „Ich wollte[n] fragen, ob…“ Das N ist überflüssig.

Unterm Strich

Ich habe die 79 Kapitel – plus Epilog – in wenigen Stunden verschlungen. Es hat geholfen, dass es fast ebenso viele Leerseiten zwischen den 80 Kapiteln gibt. Die überschlägt man einfach. So kurze Kapitel erlauben im Zeitalter des mobilen und elektronischen Lesens viele Unterbrechungen. Für mich waren sie nicht nötig, denn einmal angefangen, erweist sich der Richter-Krimi als „unputdownable“.

Irreführung, Humor und unerwartete Wendungen gehen eine spannende und unterhaltsame Verbindung ein. Humor ist allenthalben zu finden, auch wenn er mich nicht zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat. Aber die Botschaft wird immer wieder formuliert: Die deutsche Justiz besteht vielfach aus korrumpierbaren Mitarbeitern, und die Qualität der Absicherung für die IT-Anlagen ist einfach nur lächerlich: „Die könnte selbst ein Vierjähriger umgehen“, heißt es an einer Stelle im Hause Stogarev. Die Pressemitglieder kommen diesmal jedoch gut weg, und Robin darf recherchieren, bis es Siggi wehtut.

Weniger schön fand ich indes den Cliffhanger, der im Epilog erzählt wird. Der spannt den Leser auf die Folter, um auf die Erlösung in der Fortsetzung zu warten.

Taschenbuch: 240 Seiten.
ISBN-13: 9783453429451

www.heyne.de

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