Autoren-Team Oculus – Gegen Märchen ist kein Kraut gewachsenen

_Ambitioniertes Projekt auf Kosten der Autoren_

„Es war einmal“ – so fangen viele Märchen an. Das gibt dem Leser die Gewissheit, dass man an ein Märchen geraten ist, und so beginnt auch die Auswahl der 25 Kräutermärchen, die der |Oculus|-Verlag aus der Fülle von ca. 100 zu einem Schreibwettbewerb eingesandten Texten für seine Anthologie „Gegen Märchen ist kein Kraut gewachsenen“ getroffen hat.

Weise Frauen und Kräuter sind darin eine häufig genutzte Symbiose, doch es tummeln sich zwischen den gut 240 Seiten auch Drachen, Hexen, Feen, Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen sowie andere Personage des Genres. Die Themen sind auf der einen Seite vertraut märchenhaft und auf der anderen Seite fantasievoll über das Märchen hinaus. Sie erstrecken sich von einem Mädchen, das mit einer geheimnisvollen Kräuterfrau auszieht, um seiner Mutter zu helfen und die Hand des Prinzen zu gewinnen („Das geheimnisvolle Kraut“), über die nur durch weise Voraussicht einer Kräuterfrau abgewendete Apokalypse in „Lavendula“ und „Die List der Königin“, die mit Hilfe eines Krautes ihr Land vor Eroberern zu schützen versteht, bis zu „Samanthas Traum“ von der Sehnsucht des Menschen nach der Verbundenheit mit der Natur. Das Märchen „Die Hasel“ erzählt eine zeitlose und sprachlich hervorragend ausgearbeitete Geschichte von Liebe, Opfer und Erlösung sowie einem Leben im Einklang mit der Natur. Ähnlich im Gedächtnis wird das Märchen vom Drachen „Chillo Pfefferoni“ bleiben, das mit einem Augenzwinkern und originellen magischen Utensilien wie einer Feuerspeiflasche von einer Prinzessin erzählt, die nicht gerettet werden will, und davon, wie Chillo Pfefferoni dennoch vorschriftsmäßig alle Regeln für seine Initiation einhalten kann, um als erwachsener Drache anerkannt zu werden.

Ich hätte mir in einigen Märchen ein strengeres Lektorat oder ein gründlicheres Korrektorat gewünscht. Darüber hinaus ist „Krähen über dem Erlenbusch“ beispielsweise zwar spannend, geheimnisvoll und sogar sprachlich überzeugend, aber es fehlt das Märchenhafte; die Moral, die Trennung von Gut und Böse und das Happy End. Die Geschichte über Ursula, die zu Bärlauch wurde, wirft Fragen auf, die man mit einem Märchenkonzept aus Gut und Böse hätte beantworten können: Warum liebt das Mädchen jemanden, der sie vergessen hat? Warum hat er sie überhaupt vergessen? Demgegenüber fehlt in „Melissa“ selbst das obligatorische Hochzeitsfest nicht. „Annas Garten der Seele“ ist sehr didaktisch und fällt eher unter die Kategorie Mysteriöses und Lebenshilfe als unter Märchen.

Unter die didaktischen Geschichten fallen weiterhin die Herleitung der Bezeichnung Migräne und der Verarbeitung der Heilwirkung des gleichnamigen Krauts in „Basilikum“ oder „Ricco und die Kraft des sonnengelben Krauts“ über den Einsatz von Johanniskraut gegen Depressionen. Dem Märchen von „Artemisia“ hätte eine konsequente Überarbeitung hinsichtlich der Zeitformen und eine Überarbeitung der unlogischen Zusammenhänge gutgetan. Zunächst wird zum Beispiel erklärt, dass sich der Himmel zur schwarzen Nacht verfinstert, wenn Dragos geflogen kommen, aber wenn Artemisia kommt, blendet plötzlich die Sonne.

Die Herausgeberin wollte die Vielfalt der Märchen zeigen. Daher hat auch ein gereimtes Märchen Eingang in die Anthologie gefunden. Leider fehlt dort völlig die Handlung und es handelt sich bestenfalls um eine in schlichten Reimen und uneinheitlichem Rhythmus eingeführte Figur einer Kräuterfrau. Auch ordnen sich die Zeitformen dem Reim unter, was nicht für die Qualität der Lyrik spricht. An dieser Stelle hätte man die Autorin wie einige andere mehr in diesem Buch eigentlich vor sich selbst schützen müssen, denn jedem Autor wird es ein Bedürfnis sein, nicht so offensichtlich an der Oberfläche kritisierbare Texte abgedruckt zu finden.

Zeitformen- und Wortfehler in Sätzen wie „Layla war in diesem Moment überwältigt, ja, sprachlos von seiner Schönheit und seiner Farbenpracht, dass es nicht zu beschreiben ist.“ (S. 76) hätten leicht ausgemerzt werden können. Teilweise lesen sich ganze Absätze dieser Märchen wie Aufsätze aus der Oberstufe (vgl. S. 160), die mit deutlicher Überarbeitung berichtigt und geglättet werden müssten, bevor man sie zwischen Buchdeckel packt, denn die vorhandenen guten Arbeiten gehen zwischen ihnen unter. Auffällig sind auch der unprofessionell anmutende Satz der Texte mit Leerzeilen statt Einrückungen und die Zeichnungen, die von mäßig begabten Schülern angefertigt zu sein scheinen. Die Frage, ob man sich dieses Buch für 17 Euro leisten muss und sich die Ausgaben der Autoren, die sich an der Herstellung des Buches beteiligten, gelohnt haben, darf daher gestellt werden.

|Broschiert: 240 Seiten
ISBN-13: 978-3942567039|
http://www.oculus-verlag.de

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