Hart, John – letzte Kind, Das

Die bisherigen Romane des amerikanischen Autors John Hart wurden mit diversen Preisen gelobt. Sein neustes Werk, „Das letzte Kind“, hat bereits den „Ian Fleming Stell Dagger“ bekommen und ist ein heißer Kandidat für weitere Auszeichnungen.

_Der dreizehnjährige Johnny_ hat vor einem Jahr seine Zwillingsschwester Alyssa verloren. Sie wurde auf dem Nachhauseweg entführt, weil ihr Vater vergessen hatte, sie abzuholen. Seitdem ist die Familie auseinander gebrochen. Der Vater hat den Schmerz nicht mehr ausgehalten und die Familie verlassen, die Mutter flüchtet sich in Drogen und eine gewalttätige Beziehung mit dem Immobilienhai Ken.

Doch Johnny hat seine Schwester nicht aufgegeben. Mühsam recherchiert er selbst nach ihrem Verbleib, beobachtet stadtbekannte Pädophile, befragt Leute. Sein bester Freund Jack, ein jugendlicher Rumtreiber, hilft ihm dabei. Doch die beiden sind nicht ganz alleine. Detective Hunt war damals für die Ermittlungen zuständig und auch ihn lässt der ungeklärte Fall nicht los. Er brütet nächtelang über den alten Akten, ermittelt in seiner Freizeit und vernachlässigt dabei nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Sohn.

Als erneut ein junges Mädchen verschwindet, bricht für Johnny und Hunt die Welt zusammen, doch dann merken sie, dass sie nun die Chance haben, den Verdächtigen auf frischer Tat zu ertappen. Sie gehen davon aus, dass es der gleiche Täter ist wie vor einem Jahr. Unabhängig voneinander ermitteln sie, doch Hunt hält ein Auge auf Johnny. Zum Glück …

_“Das letzte Kind“_ ist ein überaus beeindruckendes Buch. Umso schwerer fällt es, es zu rezensieren. Die Bewertung einzelner Komponenten ist beinahe unmöglich, da die Geschichte unglaublich homogen ist. Eine Komponente bedingt die andere, Schreibstil, Personenzeichnung und Handlung sind nur schwer voneinander getrennt zu betrachten. Verbunden wird alles von einer düsteren, beklemmenden Grundstimmung, die Stadt und Bewohner zu lähmen scheint. Es gibt kaum einen fröhlichen Moment in der Geschichte. Stattdessen deprimierte Charaktere mit großen Problemen, hoffnungslosen Aussichten oder Abhängigkeiten. Selbst der dreizehnjährige Johnny, ein Kind, wirkt bei dieser Kulisse nicht wie ein Kind, sondern wie ein kleiner Erwachsener. Die Ernsthaftigkeit, mit der er die Suche nach dem Mörder seiner Schwester betreibt, ist herzzerreißend.

Doch er ist nicht der einzige einsame Wolf in der Geschichte. Hunt ist genauso einer, Johnnys Mutter und sein Freund ebenfalls. Jeder hat sein Päckchen zu schleppen, doch als Leser kann man sich trotz dieser Trostlosigkeit gut mit ihnen identifizieren, da sie Gründe für ihre Situation haben oder von bestimmten Leidenschaften angetrieben werden. Der direkte Zugang zu ihren Gedanken und Gefühlen – und deren großartige Beschreibung – helfen dabei, die Personen zu verstehen. Dabei überfordert Hart seinen Leser nie. Weder mit zu viel Leid noch mit zu vielen Perspektiven. Die Geschichte wird vor allem aus der Sicht von Johnny und Hunt, die sich beide gut ergänzen, erzählt. Dazwischen werden vereinzelt andere Personen geschaltet, deren Auftritte aber zumeist nur wenig Platz einnehmen und selten bleiben.

Die Handlung ist so düster und abgrundtief wie die Charakter. Sie schreitet zäh voran, doch in diesem Fall ist das kein Nachteil. Dadurch wird die Auswegslosigkeit der Protagonisten und der Situation beinahe schmerzhaft betont. Dank des tadellosen, intensiven Erzählstils und der Bedrohung, die über der Geschichte zu schweben scheint, ist man trotzdem gefesselt und liest weiter. Man wird nicht enttäuscht. Hart erhöht die Spannung in kleinen Dosen, vor allem gegen Ende, bis er den Fall auf eine ganz andere Art auflöst als erwartet. Davor liegen einige großartige Wendungen, Fragen und Überraschungen. Der Schluss ist aber auch deshalb so lesenswert, weil er deutlich macht, dass das Böse nicht immer das Offensichtliche ist. Hart umschifft clever alle Klischees, die mit so einem Fall verbunden sein könnten.

_“Das letzte Kind“ _von John Hart ist ein herausragender Thriller, an dem einfach alles stimmt. Wer Thriller mag, die nicht nur bei der Handlung überzeugen, sondern auch unter belletristischen Gesichtspunkten brillieren, ist hier genau richtig.

|Gebunden: 446 Seiten
Originaltitel: |The Last Child|
Deutsch von Rainer Schmidt
ISBN-13: 978-3570100370|
http://www.cbertelsmann.de

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