Heine, E. W. – Papavera – Der Ring des Kreuzritters

Die rothaarige Papavera hat es schwer. Die fünfzehn Jahre junge Herrin von Burg Falkenstein wird wegen ihrer Haarfarbe und weil sie die Gesellschaft ihres Pferdes Tassilo der von Männern vorzieht von der Bevölkerung misstrauisch beäugt. Der ältere Gaugraf von Randersacker stellt ihr dreist nach, er sieht in ihr die Gelegenheit, seinen Besitz zu mehren, denn ihr Vater ist, seit er mit einem Kreuzzug in das Heilige Land aufbrach, verschollen.

Ein geheimnisvoller Ring mit einer ungewöhnlichen Inschrift, der ihrem Vater gehört, wirft Fragen auf. Ging er etwa nicht freiwillig auf den Kreuzzug? Als Papavera von dem Gaugrafen zwecks Heirat entführt wird, aber quer durch den Bärenzwinger des Grafen entkommen kann, eskaliert die Situation. Randersacker bezichtigt sie der Hexerei und setzt einen mit ihm verwandten Inquisitor auf sie an, dem Papavera jedoch immer wieder entkommen kann, was seinen Glauben, sie sei wahrlich eine Hexe, nur noch bestärkt.

Papavera muss fliehen und macht sich auf in das Heilige Land, auf der Suche nach ihrem Vater. Gejagt vom Inquisitor, lernt sie auf der Flucht den Liliputaner und Überlebenskünstler Leichtfuß kennen, mit dem sie über Venedig, wo sie einen reizenden jungen Mann kennen lernt, bis nach Akkon reist. Ihr rotes Haar erregt unter den Moslems Aufsehen, bis hin zu Kaiser Friedrich II. und dem Sultan verschlägt es Papavera auf abenteuerliche Weise.

Der in Berlin geborene E. W. Heine arbeitete einige Jahre als Architekt in Südafrika und arabischen Ländern. Bekannt wurde er vor allem durch seinen Mittelalter-Roman „Das Halsband der Taube“. Ein gewisser Hang zum Makabren zeichnet seine Werke aus, und obwohl „Papavera“ im Gegensatz zum „Halsband der Taube“ ein Jugendroman ist, geht er auch hier nicht zimperlich mit seinen Charakteren um.

„Papavera“ ist kein weichgespülter Jugendroman, für Spannung und Aufregung wird oft durch drastische physische Bedrohung oder den Tod von Nebencharakteren gesorgt, der unverhofft jeden ereilen kann. Sehr schön beschreibt E. W. Heine das Leben im Altmühltal um 1200-1250. Dabei bleibt er historisch exakt und versteht dies blendend in die Erzählung einzubauen. So leidet Papavera unter der gesellschaftlich Männern untergeordneten Rolle der Frau und der Furcht vieler Menschen vor ihrem ungewöhnlichen roten Haar.

Obwohl Heine seine Charaktere in einer altertümlichen, schroffen und rauen Sprachweise reden lässt, verwendet er oft auch moderne Redewendungen wie „Weichei“ und lässt sie bemerkenswert fortschrittlichen Gedanken nachgehen. Wie in vielen Historienromanen, denkt auch Papavera wie ein Mensch unserer Zeit, nur Nebencharaktere folgen mittelalterlichen Denkansätzen, die deshalb oft ungerechtfertigt klischeehaft und primitiv wirken. Als Fünfzehnjährige ist sie für die damalige Zeit zum Beispiel keineswegs zu jung für eine Heirat.

Die Handlung hat einen ausgeprägten Reisecharakter, vom Altmühltal über Venedig bis in das Heilige Land in die Hände der Heiden verschlägt es Papavera. Dabei nützt Heine jede Station, um neue interessante Facetten der damaligen Welt und ihrer Menschen vorzustellen. Seine humorvolle Erzählweise gefiel mir dabei besonders gut. Liebenswerte Begleiter wie Leichtfuß, das Frettchen Friederike oder der Hengst Tassilo werden intelligent in die abwechslungsreiche Handlung eingebunden und dürften nicht nur jüngere Leser entzücken. Der verfolgende Inquisitor wirkt leider etwas aufgesetzt, es ist klar, dass er nur als Kraft dient, die Papavera vorantreibt; trotz handfester Bedrohung ihres Lebens konnte ich ihn zu keiner Zeit als Gefahr ernst nehmen.

„Papavera“ ist ein intelligenter, spannender und sehr abwechslungsreicher Roman, der das Mittelalter in voller Breite vor dem geistigen Auge des Leser wiederauferstehen lässt. Leider hat E. W. Heine zugunsten jüngerer Leser einige Konzessionen hinsichtlich Ausdruckweise und Weltbild seiner Hauptfiguren gemacht, was jedoch heute so üblich ist in historischen Romanen, dass es vermutlich nur wenige stören wird. Seine makaber-humorige Ader sorgt für gute Unterhaltung und ist das i-Tüpfelchen auf einer spannenden und lehrreichen Geschichte, die am Ende ein Familiengeheimnis aufdeckt und mit einer positiven moralischen Erkenntnis aufwartet.

Wem „Das Halsband der Taube“ gefallen hat, wird auch an „Papavera“ viel Freude finden, auch wenn das Buch deutlich auf jüngere Leser zugeschnitten und dementsprechend leichter zugänglich ist.

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