Catherine Jinks – Blutsbande. Bekenntnisse einer Vampirin

Man kennt das ja: Vampire sind schön, stark und haben übersinnliche Kräfte. Aber ist das wirklich so? Nicht, wenn man der australischen Autorin Catherine Jinks Glauben schenken mag. Denn ihre Vampire sind ziemliche Loser: Sie sind eigenbrötlerische Einsiedler, die von Schwäche- und Übelkeitsanfällen geplagt werden, unter Geldnot leiden und sich von Meerschweinchen ernähren. Nicht gerade der Stoff, aus dem Träume sind …

Für einen Roman reicht es jedoch gerade so. „Blutsbande – Bekenntnisse einer Vampirin“ klingt als Titel spektakulär, bei der Lektüre sollte man sich als Leser jedoch auf ein vorherrschendes Gefühl einstellen: Mitleid nämlich. Protagonistin und Ich-Erzählerin ist die Vampirin Nina, die vor über 50 Jahren von einem Vampir infiziert wurde und seitdem in ihrem Teenagerkörper feststeckt. Das hat einerseits den Vorteil, dass sie immer noch bei ihrer Mutter wohnen kann, ohne dass sich jemand etwas dabei denkt. Andererseits verhindert es auch, dass sie einen Führerschein machen kann … schließlich sieht sie immer noch aus als wäre sie minderjährig.

Laut Nina ist es kein Zuckerschlecken, ein Vampir zu sein. Auf die geringste Lichtquelle reagiert sie äußerst empfindlich. Ständig wird ihr schlecht und manchmal ist es schon eine herkulische Aufgabe, überhaupt die Treppe in den ersten Stock zu erklimmen. Doch Nina ist nicht allein. Sie ist Teil einer Selbsthilfegruppe von Vampiren, die von einem Pfarrer fortgeschrittenen Alters betreut wird, der im Gegensatz zu den apathischen Vampiren erscheint wie das blühende Leben. Tatsächlich ist es oftmals eben jener Father Ramón, der mit seinen patenten Vorschlägen die Handlung in die richtige Richtung zu stupsen weiß. Denn als einer der Vampire von Ninas Selbsthilfegruppe ermordet wird, sind plötzlich alle in heller Aufruhr. Es gilt, den Mörder zu finden und zu verhindern, dass er weitere Vampire erwischt. Schließlich sind sie alle ganz ungefährlich und tun keinem was zuleide. Naja, solange man die Meerschweinchen nicht mitzählt, die von einem Mitglied der Selbsthilfegruppe in großem Stil gezüchtet werden, damit ihnen die Blutreserven nie ausgehen.

„Blutsbande“ ist ein seltsames Buch. Es hat durchaus seine komischen Momente, wenn man beobachtet, wie eine Gruppe praktisch nicht lebensfähiger Vampire durch das Abenteuer tappt, das Autorin Catherine Jinks ihnen präsentiert. Der Humor erwächst hier oftmals aus dem Clash unterschiedlicher Typen, die in einer Zweckgemeinschaft zusammengefunden haben, ohne sich wirklich sympathisch zu sein. Gleichzeitig balanciert Jinks mit ihren Charakteren auf einem sehr schmalen Grat, denn die absolute Unfähigkeit ihrer Helden mag auf den einen Leser sympathisch und lustig wirken, den anderen wird sie nur nerven. Tatsächlich ist es schwer mit anzusehen, wie sich eine Handvoll Figuren über dreihundert Seiten genüsslich in Selbstmitleid wälzt. Die schiere Lethargie, die sich auf den Seiten von „Blutsbande“ breitmacht, ist mitunter schwer zu ertragen und man fragt sich zwangsläufig, warum Vampire noch nicht ausgestorben sind, wenn sie doch so offensichtlich nicht überlebensfähig sind (Darwin lässt grüßen).

Daher sind es auch die nicht-vampirischen Charaktere, die dem Leser am besten im Gedächtnis bleiben. Denn während die diversen Vampire (abgesehen von Nina und Dave, die tragende Rollen haben) etwas austauschbar daherkommen und man auch am Ende des Romans immer noch Mühe hat, sie auseinanderzuhalten, so sind Ninas Mutter Estelle, Father Ramón und der jugendliche Werwolf Reuben Figuren, die man auf Anhieb sympathisch finden muss. Wo in „Blutsbande“ plötzlich ein Werwolf herkommt? Tja, das ist eine ziemlich verworrene Geschichte, die auf der Tatsache fußt, dass unser Grüppchen Vampire überhaupt kein Händchen für Detektivarbeit hat und sich bei der Suche nach dem Vampirjäger so richtig verrennt. Und so nehmen sie bei der Suche nach dem Vampirmörder einen falschen Abzweig, woraufhin sie sofort in einem komplett anderen Buch zu landen scheinen. Somit füllt Catherine Jinks den ganzen Mittelteil ihres Romans mit einer Art Road Trip, der die Vampire zu einer einsamen Farm im australischen Outback führen wird, wo Werwolfkämpfe durchgeführt werden. Das hat mit der ursprünglichen Handlung absolut nichts zu tun, weswegen „Blutsbande“ nicht ganz wie aus einem Guss wirkt.

Jinks hält die Fäden ihrer Handlung nicht übermäßig fest in der Hand. Ohnehin ist ihre Haupthandlung eher dünn: Vampire suchen Vampirmörder. Deswegen muss sie einen gigantischen Red Herring bemühen, der letztlich mehr Probleme mit sich bringt als der eigentliche Vampirjäger. Doch nur so gewinnt sie genügend Stoff, um zumindest auf Romanlänge zu kommen. Als Leser fühlt man sich etwas übers Ohr gehauen, denn Jinks‘ Handlungsstränge sind nicht wirklich logisch miteinander verknüpft und es wird ein paar Mal zu oft der Zufall bemüht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autorin etwas mehr Zeit aufs Plotting hätte verwenden können, um ihren tapsigen Protagonisten einen besseren Hintergrund zu bieten, vor dem sie agieren können.

„Blutsbande“ bietet Kurzweil und eine – nicht ganz logische – Abkehr vom momentanen glorifizierenden Vampirbild. Dabei ist Jinks nicht unbedingt besonders originell vorgegangen, schließlich hat sie offensichtlich eine Liste mit Vampireigenschaften angelegt und diese dann einmal komplett negiert. Trotzdem: Das Buch ist besonders Eltern ans Herz zu legen, deren Töchter nachts am Fenster sitzen und schmachtend darauf warten, dass endlich Edward ihnen den Vampirkuss gibt. Denn nach der Lektüre von „Blutsbande“ will garantiert niemand mehr ein Vampir werden!

Taschenbuch: 336 Seiten
Originaltitel: The Reformed Vampire Support Group
ISBN-13: 978-3423213554
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